Kreisamt, Gubernium, vereinte Hofkanzlei, Kreisingenieur, Ordinariat, Generalvikariat, Dekan, und viele andere Schreiberlinge machen sich 1844 Gedanken über das Baden der Schulkinder im Bodensee. Derweil steigen die Temperaturen in den Schreibstuben und die Behörden stellen fest: "Die Lust zum Baden ist sehr groß."

Archivale des Monats - Juli 2015

Das Baden der Schuljugend im Bodensee betreffend

Dem Bregenzer Stadtpfarrer war das Baden der Schuljugend im Bodensee ein Dorn im Auge. Deshalb verursachte er durch seinen Bericht an das Generalvikariat und die staatlichen Schulbehörden einen umfangreichen Aktenverkehr zwischen zahlreichen kirchlichen und weltlichen Behörden.

Dabei ging es unter anderem darum, ob der § 235. der "Politischen Schulverfassung", also des damals gültigen Schulgesetzes, das Baden im Bodensee umfasse. Das Brixner Ordinariat stellte fest, "dass im Verlaufe dieser Verhandlung gar keine Erwähnung geschehe, von dem im § 235. der politischen Schul-Verfasssung vorkommende Verbothe des Badens 'in Teichen', wornach das Baden der Schulkinder im Bodensee überhaupt als unerlaubt erscheint, und um so mehr also, wenn es gemeinschäftlich und öffentlich vorgenommen würde."

Ein Tatsachenbericht

Die kirchlichen Behörden waren unglücklich; Katechet Georg Böhler schickte im Juni 1844 einen umfangreichen Bericht an das Generalvikariat, der die Debatte erneut anheizte. Darin hieß es: "Nicht mehr länger können wir zusehen, Amt und Gewissen fordern mich und das gesammte Lehrpersonal dieser Kreishauptschule auf, Hilfe und Beystand bey unserem Hochwürdigsten Bischofe gegen das gemeischäftliche, das jugendliche Schamgefühl erstickende und die Sittlichkeit untergrabende Baden, zu suchen, welches, leider!, von der hohen Landesstelle unter der Aufsicht eines Lehrers bey den Knaben und unter der Aufsicht eines weiblichen Individuums bey den Mädchen der gesamten Schuljugend in Bregenz erlaubt, und vom hierseitigen Schuldirektor ihr ist bekannt gemacht worden." Auch der Ort, wo gebadet wurde, passte ihm nicht: "Der Platz selbst aber hat für die Sittlichkeit eben so viel Mangelhaftes, denn er liegt zunächst an der Stadt und an den Häusern, gerade an der frequentesten Landstraße nach Lochau, wo zudem das Holz aus dem See gezogen, wo die Wäscherinnen ihre Wäsche ausfludern, somit Personen beyderleiy Geschlechtes arbeiten, und wo die Kinder, ohne die mindeste Anstalt zu besitzen, vor aller Augen ihre Kleider aus- und anziehen müssen."

Eine Umkleidehütte

Als Lösungsvorschlag entwickelten die Behörden den Plan, dass "für Knaben und Mädchen ganz abgesonderte Badeplätze ausgewählet, und Vorrichtungen hergestellt werden, damit jeder Knab und jedes Mädchen einzeln, und von andern ungesehen sich an- und auskleiden, abtrocknen, und die entsprechenden Badhöschen oder Badhemdchen, ohne welche das gemeinsame Baden nicht stattfinden dürfe, anzuziehen könne."

Anscheinend war die behördliche Planung einer Umkleidehütte gar nicht so einfach, wie es einem Schreiben des Brixner Consistoriums an das Generalvikariat zu entnehmen ist: "Nach Einvernehmung des Kreis-Ingenieurs hat das Kreisamt eine einvernehmliche Vorstellung gemacht, worin angeführt wird, dass die gestellte Bedingung, unter welcher das gemeinschäftliche Baden erlaubt wurde, zu kostspielig, unausführbar, und nicht zweckmäßig sey, da eine bewegliche oder floßartige Herstellung von Kämmerchen zum Aus- und Ankleiden eine Wassertiefe von 3 Fuß erfordere, welche als Badeort für Kinder schon zu tief sey, und weil selbe von den häufigen Stürmen, und von dem auf dem See treibenden Floßholze zertrümmert würde; eine unbewegliche aber wäre abgesehen von der Kostspieligkeit nicht entsprechend, weil der Wasserstand, sohin auch der Badeort veränderlich sey. Das Kreisamt bath dather, von dieser Bedigung abzugehen, und aus den schon früher angeführten Gründen das gemeinschäftliche Baden der Schulkinder unter sorgfältiger Aufsicht ferner zu gestatten. Bey den dargestellten Schwierigkeiten findet nun das Gubernium auf der Herstellung von Badekämmerchen nicht mehr zu bestehen, worüber gleichzeitig die abschriftlich anliegende Weisung an das Kreisamt erlassen wird."

Die politischen Behörden haben genug

Mehrere Noten, Schreiben und Dekrete später beurteilte das Kreisamt die Sache wesentlich lockerer: "Das seit jeher übliche gemeinschäftliche Baden der Schulkinder zu Bregenz am Bodensee erkennt auch die vereinte Hofkanzley unter jenen Vorsichten und Bedingungen, welche das Gubernium in seiner Verordnung zur Vermeidung der Gefahren für körperliche Sicherheit und für Sittlichkeit angemessen festgesetzt hat, und mit dem Beysatze als zulässig, dass auch die in dem ersteren Kreisamts-Berichte und zum Theile auch vom Gubernium angedeuteten als ausführbar befundenen weiteren Modalitäten: Der Errichtung einer Bretterhütte mit einigen Abtheilungen für das abgesonderte An- und Auskleiden der Kinder, dann der gehörigen Beaufsichtigung derselben während des Badens durch verlässliche Individuen in Anwendung gebracht werden sollen."

Außerdem hatten die Behörden genug von der Diskussion: "Hierdurch wird dem auch der Vorstellung des fürstbischöflichen Generalvikariats in Feldkirch, in so ferne sie gegründet erscheinet, entsprochen werden, dem übrigens zu bedeuten ist, dass man hierorts eine noch weitergehende Beschränkung, oder wohl gar ein gänzliches Verboth jener Badesitte, wozu keine genügenden Gründe vorhanden sind, nicht zu verfügen finde."

Bestand: AT-ADF 1.18. Schulakten 60.1.7. und 61.1.5.