Die Osterbeichte war früher fester Bestandteil der österlichen Zeit. Um festzustellen, wer diese bereits abgelegt hatte, wurden sogenannte Osterbeicht-Zettel verteilt. In der Stadtpfarrkirche waren diese 1821 ausgegangen - was zu einem unerfreulichen Schriftwechsel führte.

Archivale des Monats - März 2014

Osterbeichtzettel 1870Ein Zettel wie dieser führte 1821 zu einem unerfreulichen Schriftwechsel zwischen dem mit dem Aufbau einer neuen kirchlichen Verwaltung in Vorarlberg betrauten Generalvikariatsrat Johann Joseph Stey und dem streitbaren Stadtpfarrer Benedikt Wolf. Wolf, 1769 in Hard geboren, war zunächst Kaplan in Scheffau und Heimenkirch und bis 1812 Pfarrer von Schnepfau. Anschließend kam er, nachdem die bayerische Regierung einen kooperativen Pfarrer in der Stadt Feldkirch positionieren wollte, als Stadtpfarrer nach Feldkirch. Bereits diese Besetzung erregte den Unmut der Bürger und des Stadtmagistrats, nicht zuletzt aufgrund des durch die bayerische Regierung erzwungenen Rücktritts seines Vorgängers Josef Anton Mayr. Nach der Rückkehr Vorarlbergs zu Österreich begegnete er den Anfeindungen der Bürgerschaft mit österreichisch-patriotischen Predigten, etwa zitierte er Kaiser Franz I., indem er sagte: „seid Freunde, sagte der Kaiser, mit euern Nachbarn, denn sie sind auch meine Freunde geworden...“ Der neue Landrichter in Feldkirch zeigte sich sehr beeindruckt, schickte eine schriftliche Belobigung der Predigt und wollte ihn wegen seines Diensteifers „bey den höchsten k.k. Stellen empfehlen.“ Benedikt Wolf blieb schließlich bis zu seinem Tod 1844 Pfarrer von Feldkirch.

Die Anschuldigungen des Generalvikariatsrates

Ob die von der missliebigen bayerischen Regierung geförderte Karriere beim kaisertreuen Generalvikariatsrat Johann Joseph Stey (1766-1842) zusätzlichen Widerwillen hervorrief und ihn deshalb zu folgendem Schreiben bewegte, lässt sich nicht nachweisen, jedenfalls schlug er einen sehr vorwurfsvollen Ton an:

"Es ist dem fürstbischöflichen General-Vicariat sehr mißliebig zu Vernehmen gekommen, daß in Feldkirch über diese österliche Zeit ungleiche und auch solche Beichtzedl ausgetheilt werden, auf denen die Jahrzahl durchstichen und die dießjährige beygeschrieben seye. Da dieses eine allzugroße Bequemlichkeit, oder aber Häuslichkeit verrathet, und nicht nur zu Spötterungen, sondern auch zum Betrug heranlassen dörfte, so wird der Johann Joseph Stey, GVR, UnterschriftHerr Stadtpfarrer hiemit beauftragt, die schriftliche Ausweise bis längstens den 28ten dieß [Monats] an das fürstbischöfliche Generalvikariat zu machen, ob, von wem - auf wessen Veranlassung - und warum ungleiche Beichtzedl ausgtheilt, und die alte Jahrzahl ausgestrichen worden seye."

Die Rechtfertigung des Stadtpfarrers

Stadtpfarrer Benedikt Wolf rechtfertigt sich in seiner gestochenen Handschrift sehr umfangreich:

Hochwürdigstes Generalvikariat"Dreytausend Beichtzettel habe ich gehorsamst Unterzeichneter zur österlichen Buß-Andacht für die Stadtpfarrey Feldkirch, etwa 1300 Kommunikanten als Pfarrgenossen in sich enthaltend, vorbereitet, und wirklich nicht erwartet, daß diese 3000 nicht hinlänglich seyn sollten. Bald aber zeigte es sich aus der anströhmenden Menge der Beichtenden, daß sie wirklich nicht genug seyn könnten, daßwegen benützte ich - bona fide, ohne den Einsturz der Welt, als eine Wendung vermuthend - die im leztten Jahre übrig gebliebenen Beichtzettel, und gerade zur genauen Kenntniß derselben, weil sie am Format etwas größer sind, als die diesjährigen, und beyde nicht eine Presse gedruckt hatte, zeichnete ich sie eigenhändig, ergänzte sie, wenn sie undeutlich waren mit ganz neu hingeschriebener Jahreuahl, wohl wissend, daß an manchen Orten alle Beichtzettel von der Hand des Pfarrers seyen ganz geschrieben worden."

Nach der Schilderung der Tatsachen beklagt er sich über die Vorwürfe:

Schreiben von Pfr. Benedikt Wolf"Durch 14 Tage mit diese Leib- und Seele ergreifenden Bußanstalt, welchen halben Tag in eineem fort beschäftiget, ermattet, und ermüdet - vom lieben Gott das Gedeyhen bittend, und erwartend - kam mein Weltlohn, - vom hochwürdigen gnädigen Herren Stey geistlichen Rath - eine sehr herbe Ahndung über oben getreu erzehlte Beichtzettel Benützung. Aus priesterlicher Demuth, und innigster Ehrfurcht gegen das Hochwürdigste fürst-bischöfliche Gnädigste General-Vikariat nannte ich gedachte Ahndung nur herbe, obwohl ich darin - vor meiner Verantwortung = = einer ahndungswürdigen Bequemlichkeit oder Häuslichkeit beschuldigt werde, = = und nicht nur Spötter sondern auch Betrügereien veranlassen könnte, und mich darüber bis 28. schriftlich unfehlbar ausweisen solle."

Der Bischof und Generalvikar

Die Klage über diese Vorwürfe führt er bei Bischof Galura:

"Diese Ausdrücke eines Hochwürdigen, und gewiß verehrungswürdigen geistliche Herren Raths, und Vorgesetzten sind bey einer so bedeutungslosen, und von mir mit eigener Hand gesicherten Beichtzettel-Sache so schmerzlich, so kränkend für mich, daß ich eine ganz andere, der liebe Gott weiß es! wo ? stinkende Ursache, und Absicht meiner Behandlung, die ich in Demuth und Ergebung dulden will, vermuthen muß.

Benedikt Wolf, Stadtpfarrer Feldkirch, UnterschriftVoll des Trostes wende ich mich in tiefster Ehrfurcht an das, nun durch Jahr und Tag bewährte - gütige, wohlwollende Vaterherz unseres verehrtesten inigst geliebten Hochwürdigsten Herrn Bischofes und General-Vikars mit der wehemüthigen Bitte eines nicht wenig bekümmerten Sohnes. -

Hochwürdigster Bischof, Vater ! urtheilen - richten Sie -"

Der Bischof selbst mischte sich in die Animositäten seiner leitenden Priester in Feldkirch nicht ein. Stadtpfarrer Wolf hielt am Palmsonntag 1821 jedenfalls eine Predigt, die wieder Anlass zur Aufregung bot und wohl nicht zuletzt durch die Beichtzettel-Affäre inspiriert war: Der genaue Inhalt ist nicht überliefert, aber vermutlich zog der Pfarrer einen wehmütigen Vergleich zwischen seiner derzeit im Schatten des neuen Generalvikariates stehenden Stellung und dem früheren Ansehen des Stadtpfarrers von Feldkirch.

 

Bestand:

AT-ADF 1.2. GB 5.3.1.1.

AT-ADF 1.13. GP Feldkirch-St. Nikolaus 1.4.1.

Literatur:

Ludwig Rapp, Topographisch-historische Beschreibung des Generalvikariates Vorarlberg I. Brixen 1894, Seite 70.

Andreas Ulmer, Manfred A. Getzner, Die Geschichte der Dompfarre Feldkirch I, Seite 208.