Das Montafon führt in seinem Wappen die gekreuzten Schlüssel - aber was hat das Montafon mit den päpstlichen Insignien zu tun und warum interessierte sich 1699 die Nuntiatur in Wien dafür?

Archivale des Monats - August 2014

Der Papst am Zeinisjoch

"Es war an einem Mittwoch des Jahres 1414, als Papst Johannes XXIII. über das Zeinisjoch aus Tirol in das Tal Montavon kam, um von dort seine Reise nach Konstanz zur allgemeinen Konzilsversammlung fortzusetzen. Der Heilige Vater wurde von den Talbewohnern mit allen seiner hohen Stellung gebührenden Ehren aufgenommen udn der Papst verlieh, hocherfreut über den festlichen Empfang, der Landschaft ein Wappen, das die zwei kreuzweise gelegten Schlüssel des Apostelfürsten Petrus zeigte. Im Andenken an den Besuch des Kirchenfürsten erhielt sich im Montavon der Brauch, daß in den an der Straße gelegenen Kirchen jeden Mittwoch mit allen Glocken zu Mittag geläutet wird."

(Sander/Vonbun, Sagen Vorarlbergs 185 f.).

Es handelte sich bei Johannes um einen der drei Päpste, die in Konstanz um ihre Vorherrschaft stritten und zuletzt alle das Nachsehen hatten: ein neuer Papst, Martin V. wurde gewählt.

Ausschnitt aus der Emser ChronikDas Montafoner Wappen

Das Montafoner Wappen zeigt zwei gekreuzte schwarze Schlüssel. Es gab auch eine größere Version, die zusätzlich die päpstliche Dreifachkrone - das Triregnum oder die Thiara - im Wappen führte. Mehrere hundert Jahre später bemühte man sich, die Gründe für die Schlüssel im Wappen herauszufinden und startete von seiten der Wiener Nuntiatur eine Untersuchung.

Untersuchungsprotokoll 1699

Das Untersuchungsprotokoll begann folgendermaßen: Es soll allen, die es interessiert, oder interessieren könnte, zu Wissen sein, dass der Hochwürdigste Herr, Bischof Ulrich von Chur, einen Brief vom Hochwürdigsten Herrn  Nuntius in Wien vom 22. August 1699 erhalten hat, in dem über Wappen und Siegel des Montafons Auskünfte einholt. Die Untersuchung leitete der Bischof von Chur an seinen Generalvikar, den Domherrn von Chur Stephan Basso von Sandersdorff weiter, der eine umfangreiche Befragung durchführte. Am 29. Oktober wurden folgende Personen in Altenstadt zur Befragung vorgeladen:

Archivale August 2014 (1)Der Hochwürdige Herr Balthasar Zelphi, der Hochwürdige Herr Ulrich Jarda, Herr Christianus Pathloth und Christian Haffan. Balthasar Zelphi war damals Pfarrer in Tschagguns, Ulrich Jarda Pfarrer in Schruns, die beiden anderen vermutlich Vertreter des Standes Montafon.

Diese mussten in Vertretung des ganzen Tales Montafon dem Vorsteher Johann Ulrich Marent über die Artikel und Punkte, die von Rom und Wien erfragt wurden, Rede und Antwort stehen.

Die Befragung des Pfr. Zelphi

Als erstes wurde Balthasar Zelphi befragt. Er war seit 1678 Pfarrer in Tschagguns und stammte aus Vandans, war also ein echter Montafoner. Er erklärte bei seiner Priesterehre, dass er seit seiner Jugendzeit stets gehört hatte, dass die beiden Insignien - die gekreuzten Schlüssel und die Thiara - seit dem Konzil von Konstanz von Johannes XXII. geführt wurden, weil dieser auf abgelegenen Wegen der Pest aus dem Weg gehen wollte. Er habe sein ganzes Leben diese Insignien in Kirchen, auf Fahnen, auf Gemälden, in Fenstern und auf privaten Häusern gesehen. Auf die Frage, ob ihm ein päpstliches Privileg zur Führung dieser Insignien bekannt sei, antwortete Zelphi, dass er ein solches nicht kenne, aber die neuerliche Ausstellung eines solchen Privilegs befürworte, gerade um den katholischen Glauben zu stärken, da man ja von Akatholiken umgeben sei. Schließlich seien alle schriftlichen Unterlagen und Archive durch Kriege, Feuer und Überfälle der Akatholiken zerstört worden und deshalb kein Nachweis möglich. Als Beispiele aus jüngerer Zeit führte Zelphi ein Schriftstück aus dem Jahr 1656 aus St. Gallenkirch auf, wo die Insignien im Pfarrsiegel zu sehen seien, außerdem eine Chronik von Pfarrer Johann Konrad Heinbock aus dem Jahr 1668, in der die Insignien ebenfalls beschrieben seien.

Die weiteren Befragten

Der zweite Befragte, Ulrich Jarda, war seit 1664 Pfarrer in Schruns und wurde ebenfalls befragt: er konnte wenig neues zu den Wiener Artikeln beisteuern. Als dritter wurde Christian Patlog (Battlogg) befragt. Er war 59 Jahre alt und stammte aus Vandans, verheiratet und Landwirt. Er wiederholte im wesentlichen die Punkte seiner Vorredner. Als letzter der Runde war der 61jährige Christian Haffan aus Schruns befragt. Er war seit vielen Jahren Mesner an der Pfarrkirche in Schruns und von untadeligem Ruf. Er ergänzte, dass bereits sein Vater, der ebenfalls Mesner an der Pfarrkirche Schruns gewesen war, nichts anderes berichtet hatte, als Baltahasar Zelphi bereits erklärt hatte.

Auf der Höhe der Zeit: die Emser Chronik

Nun fügt noch der Verfasser des Befragungsprotokolls einige Punkte an. Erstens sei in der Pfarrkirche in Vandans eine alte Fahne zu sehen gewesen sein, die mit den päpstlichen Insignien: den gekreuzten Schlüsseln und der Dreifachkrone versehen war. Zweitens zitierte er ein Buch, nämlich "liber, sive cronica, in folio edita a qzuodam Joanne Georgio Schelck, tunc temporis aula praefecto Illustrissimorum D. D. Comitu de Alt Embs Anno 1616 in Embs Villa, et Residentia dictoram Dominorum Comitum typis impressa." Es handelt sich dabei um die berühmte "Emser Chronik", die von Johann Georg Schleh aus Rottweil zusammengestellt worden war und etwa 100 Wappen und kartographische Holzschnitte enthält.

Weiters führt er noch ältere Trinkgefässe aus Silber, teilweise vergoldet an, die mit den päpstlichen Insignien verziert sind, und eine Inschrift, die folgendermaßen lautet: "das Wappen der Hoff Junger aus Montafun anno 1613." Außerdem bringt er eine Pergamenturkunde von 1643 als Zeugnis bei, in der Graf Ferdinand von Castellet als Präfekt des Hofstaates der Erzherzöge Ferdinand von Österreich und Tirol, Ferdinand, Karl, Sigismund und Franz das Privileg erteilen, die genannten Insignien im Wappen zu führen.

Der Generalvikar fasst zusammen:

"Soviel konnte ich alleso aus allem zusammensammeln." Das Gerücht besagt, dass das Montafoner Wappen seit der Zeit des Konzils von Konstanz verwendet werde. So wurden mit päpstlichem Privilegium und Erlaubnis von Papst Johannes XXII. oder Martin V. die gekreuzten Schlüssel mit der dreifachen Krone nicht nur in der Öffentlichkeit auf Kirchen, Altären, Fahnen, Fenstern, Bildern und Privathäusern sondern auch auf privaten Siegeln verwendet. Schriftliche Überlieferungen seien aufgrund des Verlustes der Archive und Unterlagen keine vorhanden. Damit schließt die Erhebung.

Mit päpstlichem Privileg versehen

In der Literatur wird berichtet, dass der erste urkundliche Nachweis des Wappens 1412/13, also vor der Eröffnung des Konstanzer Konzils, aufscheint. Außerdem sollen sich die gekreuzten Schlüssel von den Hofjüngern von St. Peter, also den Leibeigenen des Klosters St. Peter, ableiten. Jedenfalls wurde das Privileg der päpstlichen Insignien aufgrund der umfangreichen Erhebungen von Past Innozenz XII. im Jahr 1700 mündlich und von dessen Nachfolger, Klemens XI. am 7. Juli 1702 schriftlich bestätigt. 

Papststurz (Richental-Chronik)Hic jaceo in nomine diaboli

Papst Johannes jedenfalls ist 1414 nicht über das Zeinisjoch, sondern durch das Klostertal Richtung Konstanz gezogen. Sein Wagen sei in der Nähe von Klösterle umgestürzt, worauf er ausrief: "Hic jaceo in nomine diaboli!" ("da liege ich in des Teufels Namen!").

Bestand: AT-ADF 1.1. GA 2.3.1.