Bischofsblog - Wer sich im Sommer auf eine Wanderung begibt, hat in der Regel einen Rucksack dabei. Dieser Rucksack ist nicht nur gefüllt mit Proviant und allerlei nützlichen Dingen, die man für die Wanderung bracht, sondern womöglich auch mit anderen kleinen und großen Lasten, die man im wahrsten Sinn des Wortes mit sich herumschleppt: die Sorge um das Wohlergehen der Kinder und der Familie, das Zittern um den Arbeitsplatz, finanzielle Belastungen, die Hoffnung auf eine gute Zukunft und all die vielen Wünsche und Anliegen, mit der jede und jeder durch das Leben geht.

Lebenswege

So eine Wanderung kann Anlass sein, etwas in Bewegung zu bringen: sich auf den Weg zu machen, neu aufzubrechen, einen Blickwechsel zu vollziehen, sich verwandeln zu lassen und gestärkt nach Hause zurückzukehren. Unser Leben ist eine Wanderung und Unterwegssein: manchmal mit Umwegen und Auswegen, Fluchtwegen und Abwegen. Die Wegmetapher ist für mich auch ein wichtiges Bild dafür, wie ich mein Priestersein verstehe. Als Priester bin ich gern mit Menschen auf dem Weg ihres Lebens. Manchmal gehe ich voraus, manchmal gehe ich hinterher, manchmal bin ich mitten in der Menge. Es ist für mich eine große Quelle der Freude, Menschen in den unterschiedlichsten Situationen ihres Lebens begegnen zu dürfen, mit ihnen den Glauben zu feiern, ihnen Vergebung zuzusprechen, sie zu stärken oder von ihnen zu erfahren, was sie gerade bewegt und beschäftigt. Ich glaube, es gibt nicht viele Berufe, bei denen man so viel vom Leben mitbekommt wie als Priester. Und es ist eine wunderbare Aufgabe, den Menschen in den verschiedenen Lebenslagen zu sagen: „Gott ist da. Hab Vertrauen.“ Meinen Bischofsspruch „Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertrau ihm, er wird es fügen“ aus Psalm 37 habe ich deshalb ausgewählt, weil ich in ihm eine Erfahrung zusammengefasst sehe, die ich im Laufe meines Priesterseins schon oft gemacht habe: Überall dort, wo Menschen ihre Sorgen loslassen und ihr Leben gläubig Gott in die Hände legen, wachsen Hoffnung, Vertrauen und Dankbarkeit. Ich denke zum Beispiel an eine Frau, der ich am Sterbebett ein handgefertigtes Holzkreuz in die Hand gegeben habe. Später habe ich von den Ärzten erfahren, dass sie dieses Kreuz bis zu ihrem Tod nicht losgelassen hat und mit ihm in der Hand gestorben ist. Ihr Vertrauen darauf, dass Gott ihr Leben in seinen Händen hält und ihr Tod der Übergang in ein gewandeltes Leben bei Gott ist, hat sie versöhnt und dankbar aus dieser Welt scheiden lassen.

„Ich bin der Weg…“

In den Gesprächen mit den Menschen geht es nicht selten um die existentielle Frage: Wie geht es weiter? Wird alles gut werden? Es ist keine Schande, sich einzugestehen, sich in etwas verrannt oder an einer Kreuzung einmal falsch abgebogen zu sein. Ich lebe aus dem großen Vertrauen, dass überall dort, wo die Wege der Menschen in eine Sackgasse führen, Gott uns entgegenkommt und sich selbst für uns zum Weg macht: „Ich bin der Weg“ sagt Jesus im Johannesevangelium. In der Seelsorge versuche ich, Menschen zu helfen, die Fußspuren Jesu in ihrem Leben zu entdecken und mit ihm gemeinsam unterwegs zu sein. Im Grunde führen diese Spuren Jesu in eine dreifache Richtung:

Jesus ist einmal der Weg zu mir selber, weil er mit mir dort ist, wo ich bin; weil ich angenommen bin mit meinen Ecken und Kanten und er mich verstehen hilft, wer ich vor mir selbst und vor Gott bin.
Jesus ist dann auch der Weg zu den Mitmenschen. Jesu Liebe zu den Armen und Bedürftigen, zu den Ausgegrenzten und Kranken zieht sich wie ein roter Faden durch die Evangelien. Als Gemeinschaft der Kirche sind wir verbunden mit Menschen, die uns tragen und die in bestimmten Situationen auch von uns getragen werden.
Vor allem aber ist Jesus auch der Weg zu Gott. Jesus ist ganz Gott und ganz Mensch. Er ist mit allen Wassern des Lebens gewaschen und steht gleichzeitig ganz auf der Seite Gottes, sodass er sagen kann: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ (Joh 14,9)

Auf diesem dreifachen Weg Jesu zu mir selbst, zu den Mitmenschen und zu Gott sind wir alle unterwegs. Als Priester erlebe ich mich als Begleiter und „Straßenbahner“ hin zu Freude, Hoffnung und Gottvertrauen. Papst Benedikt XVI. hat einmal geschrieben, dass ein Priester ein „Diener der Freude“ sei. Ich sehe das genauso. Deshalb wünsche ich Euch für diesen Sommer, dass Ihr Lebensfreude und Lebenslust in ihrer ganzen Fülle und Vielfalt spüren könnt.

Bischof Benno Elbs

Dieser Artikel erschien im anstösse.