Sonntagsdemonstrationen, Volksbegehren, offene Briefe: Warum politische Beteiligung mehr ist, als alle fünf Jahre einen Zettel in eine Urne zu werfen und wieso das für eine lebendige Demokratie so wichtig ist, wurde beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch im Kolpinghaus Dornbirn diskutiert.

„Sobald nach den Fremden getreten wird, bröckelt eine Demokratie.“ Dieser Gedanke seiner einstigen Geschichtslehrerin habe sich ihm eingebrannt, erklärt Klaus Begle. Er ist ein Grund, weshalb der Psychiater und Psychotherapeut die Vorarlberger „Sonntagsdemonstrationen“ mitinitiiert hat - die wiederum der Grund dafür sind, dass sich der Gesellschaftspolitische Stammtisch des EthikCenters der Katholischen Kirche Vorarlberg Montagabend eine ganz ähnliche Frage stellt: „Stirbt die Demokratie?“

Großes Interesse

Wenn man seinen Blick durchs Publikum schweifen lässt - ins Kolpinghaus in Dornbirn sind so viele gekommen, dass manche mit den Fensterbänken oder einem Stehplatz an der Wand Vorlieb nehmen müssen -, könnte man sie schon vor Beginn des Abends beantworten: Nein - unsere Demokratie ist quicklebendig! Allerdings muss angemerkt werden, dass die Jugendlichen in diesem Raum fehlten. Ein Gesicht unter 40 Jahren war kaum im Saal anzutreffen, wie Moderator Thomas Matt auch anmerkte.

Fallstricke

Dass es vielleicht nicht ganz so einfach ist, macht Hauptreferent Peter Filzmaier klar. Der Politikwissenschaftler zeigt nicht nur, wo die Fallstricke in allzu lässigen Definitionen von Begriffen wie Politik, Demokratie und politischer Kultur lauern, sondern auch, wie man mit ähnlich simplen Fragestellungen ganze Initiativen zerlegen kann. „Was ist das (messbare) Ziel, was sind die Zielgruppen und was sind die richtigen Kommunikationskanäle?“ will er etwa mit Blick auf vergangene Volksbegehren wissen. Bei der Rauchfrei-Kampagne sei die Sache eindeutig - beim Frauenvolksbegehren leider nicht. Und auch die Sonntagsdemonstrationen müssen sich als „Lehrlingsbeispiel“ diese Fragen gefallen lassen - zusammen mit dem Hinweis, dass beispielsweise in Wien nicht viel vom Vorarlberger Furor zu spüren ist.

Kritischer Blick

Filzmaier tut das nicht, weil er die Demonstrierenden demoralisieren will - im Gegenteil: Er, dem man hier mit so viel Respekt begegnet, zeigt sich tief beeindruckt von der Entschlossenheit der Vorarlberger/innen. Allerdings weiß er, der unzählige politische Initiativen unter die wissenschaftliche Lupe genommen hat, eben auch um (Miss-)Erfolgsfaktoren und will die Engagierten vor vermeidbaren Fehlern bewahren.

Jugend und Demokratie

Pflichtschulinspektorin Judith Sauerwein betonte, dass in der Schule viel Wert  auf das Unterrichtsprinzip "Politische Bildung" gelegt wird. Auch die gelebte Demokratie an der Schule, bei der sich Schüler/innen als Klassen- und Schulsprecher/innen einbringen können, ist für sie immens wichtig. Auf eine Frage aus dem Publikum, wie die Schule mit den neuen Medien umgehe und wie Medienkompetenz ausschauen könne antwortete Sauerwein, dass es zugegebenermaßen sehr schwierig sei, Medienkompetenz zu vermitteln. Wenn sich Jugendliche vermehrt in den sozialen Medien politisch informieren (oft ohne die Quellen zu prüfen) und klassischer Journalismus selten gelesen oder gehört wird, dann kann auch die politische Bildung brökeln.

Viele Ideen

Am Podium stellen sich neben Filzmaier und Begle auch  Armin Amann, Obmann des Vereins „mehr-demokratie! vorarlberg“, den Wortbeiträgen des Publikums. Während sich  Christian Hörl als einstiger Politiker für einen besseren Mix aus verschiedenen Demokratiemodellen stark macht, wünscht sich der Dornbirner Mittelschullehrer Johannes Spies entsprechend spezialisierte Fachkräfte für die politische Bildung an Schulen. Darüber, dass demokratiepolitische Privilegien wie Wahlen und das Recht auf Demonstration unbedingt genutzt werden wollen, herrscht Einigkeit.