Geboren in Oberhausen, aufgewachsen mitten im Ruhrgebiet - trotzdem ist die 35-jährige Sozialpädagogin Sarah Vecera schon ein Leben lang mit der Frage konfrontiert, wo sie denn „eigentlich“ herkommt, mit ihrer dunklen Hautfarbe. Mittlerweile nervt sie der gedankenlose Alltagsrassismus auch gegenüber ihren Kindern.

Bitte stelle dich kurz vor. Wie würdest du dich selbst beschreiben?

Hallo, mein Name ist Sarah Vecera. Ich arbeite bei der Vereinten Evangelischen Mission als Bildungsreferentin für Rassismus und bin auch als Religionspädagogin tätig. Auf Instagram blogge ich über mein Leben und damit einher auch über Rassismus. Außerdem bin ich verheiratet und habe zwei Kinder. Geboren bin ich im Ruhrgebiet, wo ich bis heute wohne. Mein Vater kommt ursprünglich aus Pakistan. Daher sehe ich nicht aus wie die Durchschnittsdeutsche und werde oft gefragt, woher ich eigentlich komme. Das nervt, ich bin Deutsche, da gibt es nichts zu hinterfragen.

Blasse Haut, braunes, leicht gewelltes Haar, teilweise sogar blaue Augen – so sieht unser Jesus aus, wenn man ihn googelt. Wenn man allerdings von seiner Herkunft ausgeht, hat er so wahrscheinlich nicht ausgesehen (ist diese Annahme auch irgendwie rassistisch?). Wie und warum wurde Jesus weiß?

Das liegt an unserem weißen Blick auf die Kirche. Generell gilt das für sehr viele Bereiche unseres Lebens. Googelt man zum Beispiel „schöne Frau“, bekommt man fast ausschließlich weiße Frauen zu sehen. Wir haben eine eurozentrische Brille auf, die wir nicht so schnell ablegen können. In vielen bebilderten Bibeln wird Jesus auch nicht als Jude dargestellt. Seine Jünger hingegen sind durchwegs männlich und tragen eine Kippa – was es zur Zeit Jesu noch gar nicht gab. Es stimmt also noch mehr nicht, als nur die Hautfarbe.
Von klein auf werden wir alle rassistisch erzogen, ohne dass wir es merken. Das liegt daran, dass sich dieses Verhalten vor 500 Jahren etablierte und wir es als normal ansehen. Die Kirche sieht das Problem nicht. Bei uns in Deutschland sind fast alle namhaften Persönlichkeiten weiß. Jemand der anders aussieht, hat keine Bezugspersonen.

Thema Bezugspersonen: Soweit ich weiß, arbeitest du an einer rassismuskritischen Kinderbibel. Wie wird diese aussehen?

Die Bibel soll allgemein sehr inklusiv werden. Das heißt, dass man dort auch zum Beispiel Menschen mit einer Behinderung, kleine und große, dicke und dünne Menschen und alle möglichen Hautfarben sieht. Adam und Eva werden also nicht mit Modelmaßen abgebildet. 20 verschiedene Geschichten aus dem neuen und dem alten Testament. Dabei versuchen wir auch den jüdischen Ursprung mit einzubeziehen und die Kleidung der Menschen im Buch dementsprechend darzustellen.

Vor welchen Problemen steht die „Weiße Kirche“, die sie noch gar nicht sieht bzw. verdrängt?

Das Problem ist, dass die weiße Kirche nicht weiß, oder wahrhaben will, dass sie rassistisch ist. Mit Rassismus wird meistens auch Rechtsradikalismus gemeint, und so will ja keine*r sein. Es ist aber nunmal so, dass die Angestellten der Kirche noch kein Abbild der Gesellschaft sind.

Was muss sich in den christlichen Kirchen ändern? Was können wir alle dazu beitragen?

Wir müssen eine Diskussionskultur entwickeln. Viele setzen sich zwar gegen Rassismus ein, sind aber trotzdem selbst rassistisch. Dieses System ist über 500 Jahre alt, wir merken gar nicht mehr, wenn wir rassistisch handeln. Oft höre ich auf meine Kritik hin die Antwort: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“
Wir als Kirche haben die Chance, eine gute Gesprächskultur in dieser Hinsicht aufzubauen. Ich glaube an uns Christ*innen, darum mache ich auch meine Arbeit. In den Paulusbriefen steht, dass die unterschiedlichsten Kulturen zusammenkommen sollen. Wir als Kirche können Vorreiter*in sein.
Dazu gehört aber zum Beispiel auch, einige alte Kirchenlieder zu hinterfragen, in denen etwas nicht politisch korrekt ausgedrückt wird. Oder Leute anderer Kulturen oder People of Colour in die Gemeinde einzubinden. Sich auch mit ihren Themen auseinanderzusetzen. Wenn man niemanden in dieser Hinsicht kennt, dann kann man ja mal ein paar Leuten auf Instagram folgen, um ihre Perspektive wahrzunehmen.
Wir müssen uns einfach auf die Veränderung einlassen, Bildungsangebote schaffen, Dynamiken und Emotionen verstehen sowie Lösungsansätze und Worte füreinander finden.

„Ihr habt es gut gemeint und habt mich fremd gemacht.“
Mir gefällt dieser Satz sehr gut, denn er zeigt einen Teil des Problems. Jemand der es gut meint, wird sein Handeln kaum hinterfragen, obwohl es manchmal angebracht wäre.
Wie kann die „Weiße Kirche“ gut gemeintes in richtig Gutes umwandeln?

Die häufigste, gutgemeinte Frage ist wahrscheinlich: „Wo kommst du her?“ Damit wird mir schon impliziert, dass ich mit meinem Aussehen gar nicht aus Deutschland kommen kann. Dazu muss ich allerdings sagen, dass man in dieser Hinsicht schon vorsichtiger geworden ist und mir diese Frage nicht mehr so oft gestellt wird. Wie schon gesagt: Wir brauchen mehr People of Colour in der Kirche. Menschen, die uns auf Fehler aufmerksam machen und mit denen wir an einer Lösung für das Problem arbeiten können.

Auf Instagram findest du Sarah und ihren spannenden Content unter moyo.me

Dieser Artikel erschien im anstösse.