Die Bibel als Hoffnungsbuch. Zwei philosophische Gedanken (1.+2.) und ein zwei biblisches Hoffnungsbild (3.+4.)

1. Hoffnung ist von Optimismus zu unterscheiden

Der Nachhaltigkeitsforscher Fred Luks sieht Optimismus eher negativ, im Sinne von: „Eh alles wurscht, eh alles gut“. Hoffnung dagegen, so meint er, sieht realistisch, was ist. Sie mündet jedoch nicht in Pessimismus. Gerade, weil „nicht alles gut“ ist, wagen wir mutig die Veränderung. Wer hofft, nennt Probleme beim Namen, und glaubt daran, dass sie vermieden werden können, wenn wir uns ändern.

2. Das Wort „Optimist“ war einmal ein Schimpfwort.

Sandra Richter berichtet in ihrem Buch „Lob des Optimismus“ vom deutschen Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz. Wie kann es sein, dass Gott gut und allmächtig ist und es trotzdem das Leid gibt? Leibniz bringt hier die menschliche Freiheit ins Spiel: Gott hätte uns seine guten Pläne aufzwingen können und uns wie Marionetten behandeln. Aber er wollte, dass wir frei sind – sogar um den Preis, dass wir selbst uns für die Ablehnung des Guten und das Böse entschieden. Leibniz meint: Wenn wir das mitbedenken, dann ist unsere Welt, so wie sie ist, trotz und mit allem bösen die „beste aller möglichen Welten“ – auf lateinisch: „optimus mundus“. Seine Gegner fanden diesen Gedanken lächerlich und ärgerlich. Kopfschüttelnd nannten sie Leibniz einen naiven „Optimisten“: Schau dir die Welt und die Menschen doch an! So viel Leid, so viel Böses! Und du versteigst dich zur Aussage, unsere Welt sei die „beste aller möglichen Welten“?
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Das Wort ist als Schimpfwort entstanden. Und du? Bist du auch ein naiver Optimist, eine dumme Optimistin? Lächerlich, du Gutmensch! (Dieses Wort würde man heute gebrauchen).
Aber: Der Glaube an das Gute, trotz allem und mit allem, und Hoffnung, die das Schlechte nicht naiv übersieht, sondern benennt und so den Blick für die Veränderung frei macht – für diesen Glauben und diese Hoffnung gibt es nicht nur philosophische Gründe (siehe zum Beispiel Leibniz), sie entsprechen auch zutiefst dem, was die Bibel über die Schöpfung sagt.
Es geht um einen Optimismus, der nicht naiv ist, sondern kritisch in die Vergangenheit, realistisch in die Gegenwart und hoffnungsvoll in die Zukunft schaut.

3. Das Fenster der Hoffnung ist offen.

Die Hoffnung entwickelt sich: Probleme benennen, zugleich auf Veränderung hoffen. Diese These von Fred Luks stimmt auch im Falle der biblischen Propheten. Sie sind oft „Unheilspropheten“, sie klagen und drohen. Aber schlussendlich wollen sie das Vertrauen auf Gott stärken und Mut zur Veränderung entfachen.
Entscheidend ist die Bewegung vom Unheil zum Heil, vom Problem zum Neuanfang. Hoffnung entwickelt sich. Es gibt keine fix-fertige Lösungen. Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir auch mit Bibelstellen, die von Hass oder Gewalt berichten und uns irritieren, gelassener umgehen.
Ein Beispiel für ein „offenes Hoffnungsfenster“ findet sich im Buch des Propheten Daniel. Er lebt in einer Krisenzeit: Er ist fern der Heimat und wird in die Löwengrube geworfen. Mitten in der ganzen Geschichte findet sich der Hinweis, dass Daniel durch sein offenes Fenster in Richtung Jerusalem sieht und betet (Dan 6,11). Ein kleines Detail, das man fast übersieht, doch darin liegt der hoffnungsvolle Akzent verborgen.

4. Aus der Krise heraus neu anfangen.

Aus der Krise heraus neu anfangen? Das ist nichts Neues. Darum ging es schon zur Zeit der Bibel.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Prophet Haggai. Er fordert das Volk Israel auf, nach der Krise des babylonischen Exils auch den Tempel neu aufzubauen. Im übertragenen Sinn: Die Verwurzelung im Glauben an Gott braucht einen Neuanfang.
„So spricht der HERR der Heerscharen: Überlegt also, wie es euch geht! Geht ins Gebirge, schafft Holz herbei und baut den Tempel wieder auf! Das würde mir gefallen und mich ehren, spricht der HERR. Ihr habt viel erhofft, doch siehe, es wurde wenig; und wenn ihr es nach Hause brachtet, blies ich es weg. Warum wohl? - Spruch des HERRN der Heerscharen. Weil mein Haus in Trümmern liegt, während jeder von euch für sein eigenes Haus rennt.“ (Hag 1,7-9)

Tipps zum Nachlesen:

Fred Luks, Hoffnung. Über Wandel, Wissen und politische Wunder“, Metropolis Verlag Marburg 2020
Sandra Richter, Lob des Optimismus, C.H. Beck Verlag München 2009

Fabian Jochum

Dieser Artikel erschien im anstösse.