Es ist interessant zu beobachten, dass in regelmäßigen Abständen wissenschaftliche Studien veröffentlicht werden, die den Zusammenhang zwischen Glaube und Gesundheit ins Blickfeld der Aufmerksamkeit rücken. In diesen Untersuchungen wird etwa der Frage nachgegangen, wie sich Gebet und Meditation auf die psychische Gesundheit auswirken, ob gläubige Menschen länger leben, seltener unter Depressionen leider oder einfach glücklicher sind. Macht Glaube also gesund? Und ist er förderlich für die eigene Psychohygiene?

Bischofsblog

Glaube und Spiritualität – das möchte ich zunächst einmal betonen – sind mehr als ein bloßer Gesundheitsfaktor. Zugleich ist aber zu unterstreichen, dass Gesundheit und Krankheit zentrale Themen des christlichen Glaubens und auch der kirchlichen Praxis sind. Das sieht man etwa daran, dass nicht wenige Spitäler in kirchlicher Trägerschaft sind. Sie werden geleitet von Ordensgemeinschaften und kirchlichen Organisationen, die sich der Sorge um die Kranken in besonderer Weise verschrieben haben. Zudem ist die Krankenhausseelsorge eine nicht mehr wegzudenkende Einrichtung. Ihnen allen und nicht zuletzt auch der Krankenpastoral in den Pfarren ist zu verdanken, dass der Einsatz für Kranke bis heute ein unverwechselbares Charakteristikum der christlichen Kirchen darstellt.

Jesus heilt – Gott rettet: biblische Spuren

Motiviert ist der christliche Einsatz für Kranke und Notleidenden durch die Texte der Bibel. Denn eine Erfahrung des Menschen, über die in der Bibel nachgedacht wird, lautet: Gott heilt. Er befreit aus Unterdrückung, Schuld und Sklaverei genauso wie vor seelischen und körperlichen Gebrechen. Eine Gipfelaussage dazu finden wir im Buch Exodus, wo Gott sich selbst vorstellt als: „Ich bin der Herr, der dich heilt“ – oder in der neuen Übersetzung: „Ich bin der Herr, dein Arzt.“ (Ex 15,26)

Dass eine der Wesenseigenschaften Gottes die Sorge um Heil und Gesundheit der Menschen ist, wird in besonderer Weise auch im Wirken Jesu deutlich. Heilungsgeschichten ziehen sich wie ein roter Faden durch die Berichte der Evangelien. Wo er auftritt, werden Menschen wieder gesund und von ihren Sünden befreit. Blinde können wieder sehen und Lahme wieder gehen. Besessene werden von ihren, wie es die Bibel nennt, „Dämonen“ befreit und Menschen, die unter Ausgrenzung leiden, wieder in die Gemeinschaft aufgenommen. Deshalb wurde in der frühen Kirche Jesus mit dem Beinamen „Arzt“ versehen.

Fünf Verben der Nähe

Papst Franziskus hat einmal davon gesprochen, dass das Handeln Jesu besonders durch fünf Wörter ausgezeichnet ist: sehen, rufen, sprechen, berühren, heilen. Zunächst einmal sieht Jesus die Not der Menschen. Er geht nicht teilnahmslos an ihnen vorbei, sondern blickt sie an und nimmt sie wahr. Dann ruft er sie zu sich und spricht mit ihnen. Oft hat er die Menschen auch gefragt: „Was willst du, dass ich dir tue?“ Mit Fragen wie diesen berührt Jesus die Menschen in ihrem Innersten, spricht sie an auf ihre Sehnsüchte und Wünsche und macht so Beziehung und Begegnung möglich. Und durch diesen heilsamen Kontakt von Mensch zu Mensch, bei dem man sich verstanden und wertgeschätzt weiß und die Nähe Gottes spürt, heilt Jesus schließlich. Oft genügt ein kurzer Kontakt, eine zärtliche Berührung, ein Mut machendes Wort, um gesund zu werden und neu anfangen zu können. Der Glaube in der Spur Jesu hat auch eine therapeutische, d.h. Körper, Geist und Seele heil machende Dimension.

In besonderer Weise sichtbar wird die heilende Kraft des Glaubens in der Krankensalbung, die ein im wörtlichen Sinn heilsames Sakrament ist. Ich hatte an Krankenbetten schon viele berührende Erlebnisse: dass Menschen auf einmal loslassen und versöhnt sterben können; aber auch, dass Menschen neue Kraft und Hoffnung gefunden haben, ihren Weg weiterzugehen.

„Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet“

Mit dem Theologen und Psychologen Christoph Jacobs kann man darum sagen: Glaube macht nicht nur gesund, sondern heil. Er schenkt eine Lebensperspektive auch dort, wo Menschen chronisch krank sind oder das Leben in eine Krise gerät, wo Entwicklungen oder Ereignisse nicht rückgängig gemacht werden können und es um den Umgang mit einer neuen (oft erschwerten) Lebenssituation geht. Denn aus christlicher Sicht zeigt Gott seine Nähe keineswegs nur in den Glücksmomenten des Lebens, sondern auch im Scheitern, in psychischer wie körperlicher Krankheit, in Schuld, ja sogar im Tod. In solchen Situationen kann der Glaube zu einer großen Quelle der Hoffnung und der Zuversicht werden.  
„Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.“ Mit diesen Worten entlässt Jesus in der Bibel Menschen, nachdem er sie geheilt hatte, in ihr neues Leben (z.B. Lk 17,19). Ich könnte von den Schicksalen vieler Menschen erzählen, denen der Glaube in Krankheit und bei der Aufarbeitung von Schicksalsschlägen wirklich geholfen hat. Ihnen ist es gelungen, nicht mehr mit ihrem Schicksal zu hadern. Vielmehr haben sie, auch wenn ihre Situation noch so ausweglos war, Sinn erkannt und gespürt, dass sie in jeder Situation ihres Lebens von Gott getragen sind. Diese Erfahrung machen zu können, ist ein großes Geschenk, das ich uns allen wünsche.

Bischof Benno Elbs

Dieser Artikel erschien im anstösse.