Christian Kopf ist Theologe und kennt sich im Bereich der Moraltheologie sehr gut aus. Als Leiter des Bildungshauses Batschuns haben wir ihn dort getroffen und nachgefragt, was er uns zu den Themen Himmel und Hölle sagen kann.

Wenn Gott uns den freien Willen gegeben hat, ist es dann nicht auch egal was wir im Leben tun, weil wir eh alle sterben?

Der Tod ist Teil des Lebens und betrifft uns alle – vor dem Tod sind wir alle gleich. Jeder Mensch muss mit seiner Vergänglichkeit umgehen lernen. Man kann es verdrängen, aber irgendwann werden wir damit konfrontiert, spätestens wenn ein nahestehender Mensch stirbt.
Der freie Wille ist auf einer ganz anderen Ebene. „Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz“, heißt es im Psalm 90. Der deutet darauf hin, dass der Mensch aufgerufen ist, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung kann ich nur übernehmen, wenn ich meinen eigenen Willen erkenne und nutze.

Gibt es in diesem Bezug ein Gut und ein Schlecht?

Natürlich. Ich kann meinen eigenen Willen nur für meine egoistischen Interessen einsetzen, oder ich kann ihn nutzen, um mich für andere einzusetzen. Letztlich hat jede Entscheidung die ich treffe, etwas mit meinem eigenen Willen zu tun. Mein eigenes Tun hat Folgen und Wirkung. Bei jeder Handlung kann ich meine Absicht und die Folgen des Tuns erkennen. Und das kann gut oder schlecht sein.

Der Wunsch wäre, dass der Mensch seinen Willen nützt um sich für das Gute einzusetzen. Für glaubende Menschen kommt noch eine besondere Komponente hinzu. Wir beten „dein Wille geschehe“ und diesen Willen Gottes gilt es, zu erkennen und umzusetzen. Das Ziel ist, diesen aus freien Stücken zu leben. Das klingt jetzt sehr theoretisch, ist aber leicht mit der Frage „Was würde Jesus tun?“ übersetzbar.
Dazu muss man natürlich in der Bibel gelesen haben, was Jesus so ausmacht, damit man ein paar Geschichten von ihm kennt. Ich bin überzeugt davon, dass man als Christ*in, eine Beziehung zum biblischen Jesus haben sollte.

Manche versuchen nach bestem Wissen und Gewissen nach dem zu leben, was sie denken, dass Gott für richtig hält. Anderen ist das hingegen total egal. Kommen trotzdem alle in den Himmel?

Das ist eine Grundthematik des Lebens. Wir wissen ja nicht genau, was nach dem Tod passiert. Aufgrund von Geschichten in der Bibel können wir aber einige Perspektiven und Bilder zum Nachdenken anbieten. Man nennt das Ganze „Eschatologie – die Lehre von den letzten Dingen“. Damit meint man Himmel, Hölle, Fegefeuer und das Leben nach dem Tod. Mit einem Blick in die Geschichte wissen wir, dass einige dieser Bilder höchst problematisch sind, und dass es manchmal Leute gegeben hat – und immer noch gibt – die meinen zu wissen, was nach dem Tod genau passiert, und das stimmt einfach nicht.

Wir hoffen natürlich auf die Möglichkeit für jeden, in den Himmel zu kommen. Der Himmel ist kein Verdienst. Er ist ein Geschenk der Liebe Gottes, der uns das Leben in Fülle verspricht.

Eigentlich bekommen wir hier auf der Erde schon einen Vorgeschmack auf den Himmel und auf die Hölle. Denn Jesus sagt ja: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch und bricht jetzt schon an“.
Glauben heißt ja, dass ich im jetzigen Leben schon mit Jesus lebe und so ein Stück Reich Gottes erfahre und mitgestalte. Die Erfüllung, dass das ganz wird, das kommt mit dem Tod. Darum ist der Tod für uns Christen wie ein Durchgang, eine Geburt in ein neues Leben und nicht das Ende.
Also wir dürfen nicht differenzieren wer in den Himmel kommt und wer nicht. Der Himmel ist ein Geschenk für alle. Geschenke muss man allerdings annehmen. Das ist ein Punkt, warum die Kirche immer gesagt hat, dass es die Hölle als Möglichkeit gibt. Das ist wieder mit dem eigenen Willen in Verbindung zu sehen. Der Mensch wird ja nicht von Gott gezwungen, dieses Geschenk anzunehmen. Er braucht das „Ja“ des Menschen. Eine bestimmte Art zu leben, lässt darauf schließen, dass der Mensch „Ja“ zur Liebe Gottes sagt und das auch im Tod tun wird.

Ein Mensch der sich ständig gegen Geschenke wehrt, der immer alles selber machen will, bei dem nur zählt, was er selbst getan hat, da wird’s schwierig. Aber die Kirche hat noch nie gesagt, dass jemand fix in der Hölle ist. Was sie fix sagt, ist, dass Maria und andere Heilige in der Gemeinschaft mit Gott leben. Die Kirche ist also bejahend zum Himmel, aber die Hölle lässt sie offen.

Ein wichtiger Punkt ist, dass der Mensch von Gott nicht gezwungen wird. Der Mensch kann auch die Isolation oder Gottesferne wählen. Viele problematische Vorstellungen hängen vermutlich damit zusammen, dass manche ein völlig falsches Gottesbild haben, gegen das sie sich wehren. Es hat ja immer wieder Zeiten in der Geschichte der Kirche gegeben, in denen man versucht hat, mit der Hölle den Menschen Angst zu machen oder sie zu erziehen. Das ist aber nicht die Art und Weise, wie Jesus mit den Menschen umging. Wobei es Stellen in der Bibel gibt, die diesbezüglich sehr hart wirken. Diese Texte haben vor allem das Ziel, uns zum Nachdenken anzuregen, ob das, was man tut wirklich richtig ist und sie wollen zu einem Neubeginn aufrufen – es ist Zeit, werde wach und lebe anders!

Wenn Menschen nach bestem Wissen und Gewissen handeln, dann braucht man sich nicht zu sorgen. Nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln hat zwei Voraussetzungen: einmal, dass man sich immer wieder neues Wissen aneignet und zum anderen, dass man das Gewissen ein Leben lang weiterbildet. Das bedeutet, dass man in der Erkenntnis wächst. Die Grundvoraussetzung dafür ist die Selbsterkenntnis. Man muss sich ja selbst auf die Schliche kommen. Manche tun nach bestem Wissen und Gewissen das, was ihnen einen Vorteil bringt. Der Blick auf Jesus und die biblische Botschaft sagt aber, dass nur das gut ist, was ein Zeichen der Liebe zu mir selber, zu den anderen, zu Gott und zur gesamten Schöpfung ist.
Wenn ich das wirklich ernsthaft leben möchte, dann merke ich, dass das nicht so einfach ist. Es ist immer wieder eine Herausforderung, gleichzeitig auch immer wieder eine Chance.
Leben heißt also, sich ständig weiterzuentwickeln. Manche, die das nicht tun, die sind im Grunde schon tot. Leben bedeutet, zu erkennen was richtig und was falsch ist, und zu erleben, dass es manchmal weh tut, wenn ich mich falsch verhalten habe. In diesem Zusammenhang hat es früher den Begriff des Fegefeuers gegeben. Im Sinne der Läuterung, also der Reinigung. So wie ich vorhin gesagt habe, der Himmel beginnt jetzt schon, verhält es sich auch mit dem Fegefeuer.

Wenn man merkt, dass man was Falsches getan hat, und einem das leid tut, dann hat man die Chance, sich zu entschuldigen. In diesem Punkt brauchen wir den anderen, damit er uns vergibt. Fegefeuer ist die Idee, dass der Mensch im Tod der Liebe Gottes begegnet und er*sie schmerzhaft bemerkt, wie viele Chancen er*sie vertan hat und das tut weh. Das ist ein Reinigungsprozess. Das ist die Voraussetzung, um ganz „Ja“ zu Gott und seiner Liebe zu sagen.

Wenn man allerdings bockig behauptet, dass man keine Fehler macht, hat man bereits im Leben nicht die Chance auf Vergebung, und auch vor Gott wird es schwierig.

Was passiert, wenn man die Chance nicht annimmt?

Das wäre dann die Hölle. Man isoliert sich selber, man nimmt sich selbst heraus. Wie das genau ausschaut, das wissen wir nicht. Aber man kann sich das so vorstellen, dass wenn man hier auf der Erde etwas Böses dem anderen antut und das nicht bereut, dann ist man irgendwann alleine.

Wichtig ist: Gott mag uns alle, trotz dem, was wir alles angestellt haben. Wenn wir um Verzeihung bitten, bekommen wir die auch. Auch das können wir schon auf der Erde erfahren, wenn wir von jemandem bedingungslos geliebt werden, dann ist das ein himmlisches Gefühl. Das ist Vergebung. Im Tod steht der Mensch nach unserer Vorstellung genau vor dieser Erfahrung.

Was passiert mit Leuten, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen?

Herr des Lebens ist Gott. Der Mensch kann also nicht über das Leben verfügen.
Selbstmord ist die falsche Bezeichnung für das, was es ist. Ein Suizid passiert nicht in völliger Freiheit, da sich der betroffene Mensch aus vielfältigen Motiven unter Druck erlebt. Seit 1983 ist Selbstmord auch rechtlich gesehen kein Mord. Es ist eine Selbsttötung aus einer heftigen Krise heraus und für die Betroffenen oft der scheinbar einzige Ausweg, den sie in der Situation sehen. Wir Christen sollten solchen Menschen – und ihren Angehörigen - beistehen und dürfen sie nicht verurteilen.

Warum lässt Gott Leid zu? Warum gehen manche Menschen sehr schnell aus dem Leben?

Die Warum-Frage hilft da nicht weiter, weil es keine Antwort darauf gibt. Zumindest nicht aus christlicher Sicht.
Gott spielt mit uns nicht wie mit Marionetten – hier greift er ein, dort nicht. Das wäre fatal. Das wäre die Projektion einer menschlichen Vorstellung auf Gott. Wir Christen haben einen empathischen Gott, der mit uns mitleidet – siehe auch Jesu Weg. Aber, hier auf der Erde haben wir nicht das Paradies und da gehören Krankheit und Leid dazu. Manches Leid, das passiert, ist menschenverschuldet. Wir können nicht Gott die Schuld für Kriege, Verbrechen und Umweltkatastrophen, die z.B. dem Klimawandel zuzuordnen sind, in die Schuhe schieben.
Wir können nur darauf vertrauen, dass Gott es schlussendlich gut mit uns meint. Die Liebe ist größer als der Tod. Menschen in schwierigen Situationen sollen wir beistehen und erleben lassen, dass der/die andere nicht allein ist, dass ich mitleide und mithoffe.
Solche Aussagen wie: „Gott bestraft“ oder „Gott rächt sich“ sind gotteslästernd, unchristlich und unbiblisch.

Dieser Artikel erschien im anstösse.