Eine Außenbeziehung erschüttert jede Paar-Beziehung. Sie kann aber auch eine Chance sein

Aus der Praxis
Ein Paar kommt in die Beratung mit der Frage, ob sie nach einer dreimonatigen „Affäre“ des Mannes ihre 16 Jahre dauernde Ehe beenden sollten oder ob es für sie noch eine Chance gäbe. Maria ist seit der Geburt der zwei Kinder nun seit zehn Jahren Hausfrau, Robert ist Abteilungsleiter in einer größeren Firma. Maria widmete sich mit großer Hingabe der Kinderbetreuung. Robert stieg die Karriereleiter hoch, musste sich intensiv weiterbilden und viel arbeiten. Jeder fand „seinen Bereich“ am wichtigsten und verlor den Blick zum Partner. Mit der Zeit beschuldigte einer den anderen wegen der fehlenden Gemeinsamkeiten und des fehlenden Interesses.

Robert warf Maria vor, dass sie ihn überhaupt nicht mehr wahrnehmen würde, und Maria konterte, dass er sie mit den Kindern völlig im Stich lassen würde. In ihrer Gekränktheit redeten sie aneinander vorbei und durch das dauernde Nörgeln gingen sie schließlich auf Distanz und zogen sich zurück. Als Robert eine Frau kennenlernte, die dieses Gefühls-Loch ausfüllte, spürte Maria eine Veränderung bei Robert. Nach längerem „Nicht-wahrhaben-Wollen“ sprach sie aus, was sie ahnte, und wurde nach einigem Zögern bestätigt. „Eine Welt brach zusammen, am liebsten wollte ich sofort die Scheidung einreichen“, sagte sie unter Tränen! Maria blieb aber nicht in ihrer Kränkung, Wut, Schuldzuweisung und Hilflosigkeit stecken, sondern beschloss, mit Robert der Misere auf den Grund zu gehen und sich professionelle Hilfe zu holen.

Laut Statistik werden ein Drittel bis die Hälfte aller Männer und Frauen im Laufe ihrer Ehejahre „untreu“. Außenbeziehungen werden als tiefe Kränkung erlebt. Sie können aber zu einem Aufbruch auffordern.
Außenbeziehungen scheinen also immer normaler zu werden. Werden sie deshalb auch so empfunden? Keineswegs! Wenn „es passiert“, wird dies in der Regel als tiefe Kränkung in der Paarbeziehung erlebt und es kommt zu erheblichen Einschnitten in das bisherige Leben.

Zu hohe Erwartungen
Obwohl dieses Ereignis heute immer mehr im Bereich des Wahrscheinlichen liegt, trifft es Paare überraschend und blitzartig, und sie haben dafür meist keine geeignete Sprache oder Rituale, um die Erschütterung angemessen zu verarbeiten. Unrealistische Beglückungs- und Befriedigungserwartungen an den Partner, die Vorstellung vom romantischen Liebesideal und eine hohe moralische Bewertung machen den Umgang mit dieser Situation schwer.

Chance
Wenn eine Außenbeziehung die Zweierbeziehung so durcheinanderwirbelt, besteht auch eine große Chance für das Paar: Es ist die Aufforderung zu einem neuen Aufbruch, denn oft hat Langeweile, Frust, Sprachlosigkeit, Desinteresse und lähmendes Sicherheitsdenken die Beziehung unterhöhlt.

Robert und Maria. Robert und Maria einigten sich, eine Paarberatung aufzusuchen und auch die eigenen Anteile an der Zerrüttung ihrer Ehe anzuschauen. Durch ihre Offenheit konnten sie sich aus der „Schuldzuweisungsfalle“ lösen. Robert wurde klar, dass sich in einer neuen Beziehung wieder der Alltag mit seinen Tücken einschleichen würde und die unbeschwerte Verliebtheit nicht von Dauer ist. Manches mussten sie einander verzeihen, Missverständnisse konnten geklärt werden, aber am wichtigsten war für sie, dass sie im Zuhören die Bedürfnisse und Wünsche des anderen wahrnehmen konnten und dadurch einander wieder gelassener und liebevoller begegneten. Ein Ritual für den neuen gemeinsamen Weg beendete den Beratungsprozess.

Luise Beiter, Leiterin der Beratungsstellen

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