Über das Auf und Ab einer Fernbeziehung

Lisa und Robert leben seit eineinhalb Jahren in einer Fernbeziehung. Als Liebespaar.

Dazu Lisa: „Ich erlebe unsere Fernbeziehung als spannend, abwechslungsreich, belebend. Es gibt auch Momente wo sie belastend und hinderlich ist. Wenn beide es ernst meinen, sind für mich zwei Voraussetzungen wichtig: Vertrauen und Treue.“

Robert: „Das sehe ich auch so. Ich bin glücklich dass ich über den digitalen Weg Lisa gefunden und dass wir beide unsere Liebe entdeckt haben. Mir ist wichtig dass wir die Verbindlichkeit in unserer Beziehung spüren und dass wir uns das in Worten und auch körperlich immer wieder bestätigen.

Beide kennen den „Lichtblick am Ende der Woche“, genießen bewusst die Zeit miteinander als „Sternstunden“, sie gestalten diese wertvolle Zeit zu zweit.

Sie kennen aber auch den Druck, möglichst viel hineinzupacken in die kurze Zeit des Beisammenseins, den „Zeitstress“. Und sie kennen die Angst, dass die Beziehung zu kurz kommt durch die Trennungszeiten und den Alltag dazwischen.

Warum führen so viele Paare Fernbeziehungen?

In Deutschland lebt laut Studien etwa jedes achte Paar eine Fernbeziehung, mit steigender Tendenz. In Österreich dürfte es ähnlich sein. Die Liebe auf Distanz ist also gar nicht so selten. Warum eigentlich? Vor Jahren noch waren es vor allem Studenten, die sich auf Fernbeziehungen einließen, aber da es heutzutage nötig ist, mobil und flexibel zu sein, gibt es in allen Altersklassen immer mehr Fernbeziehungen. Hinzu kommt, dass unabhängig vom Alter Online-Dating immer selbstverständlicher wird, wodurch sich der Such-Radius automatisch erweitert.

 

Wikipedia definiert so:

Fernbeziehungspaare sind Paare, die ihre Beziehungen über räumliche Distanzen hinweg führen. Unabhängig von Gründen oder Ursachen für die typischerweise getrennten Haushalte besteht zwischen allen Fernbeziehungspaaren die Gemeinsamkeit, dass der Beziehungsverlauf durch einen ständigen Wechsel von Trennungszeit und gemeinsamer Zeit bestimmt wird. Von zentraler Bedeutung ist das Selbstverständnis des Paares: Fernbeziehungspaare sehen sich nicht als „Affären“ oder „Liebschaften“ neben evtl. anderen bestehenden Beziehungen, dies kann aber in manchen „Fällen“ sein

 

Wie oft sollte man sich in einer Fernbeziehung sehen?

An zwei Tagen die Woche, am Wochenende, ist allgemeingültig wenn beide berufstätig oder in der Woche anderweitig eingebunden sind. Wenn man bedenkt wie oft manche sesshafte Paare Zeit miteinander verbringen, schneiden Fernbeziehungen gar nicht so schlecht ab. Ich wage sogar zu behaupten, dass manche Fernbeziehungspaare ihre Beziehung intensiver leben als solche die jeden Tag und jede Nacht zusammen verbringen. Was ihnen aber fehlt, ist die Alltagsroutine, die viel Zusammenhalt schafft.  Deshalb braucht es viel Austausch um das auszugleichen. Dazu Robert: „Außer unserem ´Guten Morgen´ Gruß und ´Gute Nacht´ telefonieren wir täglich, oft bis zu einer Stunde,  miteinander. So nehmen wir Teil an dem, was den anderen an diesem Tag beschäftigt t, ihm/ihr Freude oder Sorgen bereitet hat. Das ist mir sehr wichtig“..

 

Welche Probleme können durch Fernbeziehungen entstehen?

Laut einer Umfrage dauert die durchschnittliche Fernbeziehung zwei Jahre. Der Zeitraum der Sehnsucht, des Wartens und der Abschiede ist also absehbar. Nach den zwei Jahren ziehen die Liebenden dann zusammen oder trennen sich eben. Die Liebe kann an der Distanz zerbrechen: "Einige Paare können durch den mangelnden gemeinsamen Alltag keine richtige Nähe aufbauen“, so die Studie. So entstehe kein Wir-Gefühl. Hinzu komme, dass Männer und Frauen unterschiedliche Ansprüche und Strategien haben: "Laut Statistik sind 30 Prozent der Frauen bereit, eine Fernbeziehung zu führen, aber nur 12 Prozent der Männer. Das liegt womöglich daran, dass viele Frauen schon über Gespräche eher ein Gefühl von Verbundenheit spüren. Männer brauchen mehr gemeinsame Unternehmungen." .

Es ist auch zu bedenken, dass beide Partner während der Woche in jeweils verschiedenem Umfeld leben, in unterschiedlichen Tätigkeiten, mit unterschiedlichen Freundeskreisen. Dazu Robert: „Ich arbeite während der Woche im Home-Office-Modus und spüre dadurch die Einsamkeit mehr als Lisa, die eine Arbeit auswärts,  Kinder zuhause und ein soziales Umfeld hat.“

 

Wie gehe ich mit Sehnsucht in der Fernbeziehung um?

Sie kann schmerzlich sein,  ist aber auch der Beweis, dass da überhaupt Liebe und der Wunsch nach Nähe ist.  Fernbeziehungspaare überbrücken Zeiten der Sehnsucht in oft langen Telefonaten und Video-Calls, in Briefen und Mails. Die modernen Kommunikationsmittel sind willkommen. Auch Ablenkung kann hilfreich sein, durch ein Hobby, sportliche Betätigung, ein spannendes Buch lesen oder Hörbuch hören. Die Sehnsucht wird – und soll – dadurch nicht weggehen, aber sie wird erträglicher. Manche Paare pflegen Rituale, sei es durch eine Gute-Nacht-Geschichte oder ein Maskottchen, ein Kuscheltier,  das man dem anderen geschenkt hat.

 

Tipps für eine gute Fernbeziehung

  • Gemeinsame Perspektiven schaffen. Pläne schmieden, gemeinsam über Träume reden und über die Zukunft. Das zeigt das ernsthafte Interesse an der Beziehung und schafft  Zuversicht.
  • Das Gespräch. Wir wissen ja dass eine gute Kommunikation das Um und Auf einer lebendigen Liebesbeziehung ist. Aus verschiedenen Rückmeldungen von Paaren meine ich herauszuhören, dass Fernbeziehungspaare dieses Potenzial mehr nützen als manch andere. Außer  Telefon und den modernen Medien könnte auch mal ein Brief oder ein Päckchen mit einem Überraschungsgeschenk eine gute Idee sein.
  • Feste Rituale geben Sicherheit. Das kann außer dem Guten-Morgen oder Gute-Nacht zum Beispiel ein gemeinsames Frühstück oder Candlelight-Dinner per Video-Chat sein. Oder wie Robert mir erzählte: „Wir spielen regelmäßig Backgammon online. Man muss nur kreativ sein.
  • Geduldig sein und verbindlich bleiben.  Wichtig ist, dass beide Partner das Verständnis mitbringen, dass es etwas Geduld und Toleranz braucht, bis sie sich in dieser neuen Beziehungsform eingerichtet haben und beide gut damit zurechtkommen. Dazu gehören verbindliche Regeln, die für Vertrauen sorgen und das Gefühl geben, dass diese Beziehung verlässlich ist.  Ehrlichkeit spielt dabei ebenso eine wichtige Rolle wie Treue.
  • Gemeinsame Unternehmungen schaffen gemeinsame Erinnerungen, erzeugen Wir-Gefühl. Lisa und Robert erzählen mir über ihre vielseitigen Unternehmungen und es ist spürbar, wie gut ihnen das wohl tut. Sie lernen sich dadurch immer besser kennen und festigen ihr Zusammengehörigkeitsgefühl.

 

Lisa und Robert haben ihre eineinhalb Jahre bisher gut gemeistert. Sie lieben sich und genießen jede Möglichkeit der Zweisamkeit, nehmen dafür auch Fahrzeiten und andere Beschwerlichkeiten in Kauf. Eines ihrer wichtigsten Kapitale ist – wie sie selbst sagen – dass wir so gut miteinander reden und uns verstehen können.

 

Albert A. Feldkircher
November 2022

Ehe- und Familienzentrum
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