Ist es wirklich notwendig, schon im zarten Volksschulalter mit der Sexualaufklärung zu beginnen? Wäre es nicht ausreichend mit den Jugendlichen ab 14 Jahren? Was ist, wenn der Sexualunterricht mein noch sehr kindliches Kind verdirbt? All diese Fragen sind mehr als berechtigt und laden uns ein etwas tiefer in diese Thematik einzutauchen.

Sexualität prägt unser individuelles und gesellschaftliches Leben von Geburt an. Wir kommen als sexuelle Wesen auf die Welt. Als Baby suchen wir Kontakt, Wärme, Zärtlichkeit. Als Jugendliche probieren wir aus, wie sich Umarmungen, Küsse und Berührungen anfühlen und erleben von Erwachsenen manche Verhaltensunsicherheit und Einschränkungen, manchmal leider auch Übergriffe.

Das Sprechen über Sexualität, Erotik und Körperlichkeit fällt vielen Eltern und PädagogInnen auch heute noch schwer. Die in den letzten Jahrzehnten Enttabuisierung kindlicher Sexualität droht durch negative Zugänge zur Sexualität wie zum Beispiel über den leichten Zugang von Medien in Form von Pornos, verloren zu gehen. 95 % aller Haushalte verfügen über einen Internetzugang.

Kaum jemand bestreitet heute mehr die Bedeutung von Sexualität für die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung von Kindern. Wie jedoch Mädchen und Jungen sie lernen sollen und was sie zeigen dürfen, wird immer noch gesellschaftlich kontrovers diskutiert.

Sexualität ist nicht nur Geschlechtsverkehr, hat nicht nur mit Genitalität zu tun, sondern umfasst körperliche, biologische, psycho-soziale und emotionale Aspekte. Sexualität zeigt sich in allen Lebensphasen; sie ist eine Lebensenergie, die sich im Körper entwickelt und ein Leben lang - von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter - wirksam ist. Die sexuelle Entwicklung des Menschen durchläuft in jedem Alter  gewisse Phasen. Es gibt vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten von Sexualität: Zärtlichkeit, Sinnlichkeit, Lust, Geborgenheit, Leidenschaft, Erotik, aber auch das Bedürfnis nach Fürsorge und Liebe. Dieser breiten Sicht auf Sexualität steht die einseitig genitalfixierte Sichtweise mancher Medien und unserer Sexualindustrie gegenüber. So verwundert nicht, dass viele Menschen glauben, dass nur Handlungen, die mit Genitalität zu tun haben, zur Sexualität gehörten. Auch Kindern bleibt dieser Alltagsgebrauch von „Sex" nicht verborgen, der sich häufig in Äußerungen oder Rollenspielen zum Geschlechtsverkehr zeigt.

Mit Eintritt in die Volksschule beginnen viele Kinder, ihre eigene sexuelle Identität durch Abgrenzung von den anderen zu unterstreichen. Auch wenn es im Kindergarten noch bestens geklappt hat – in der Volksschule finden viele Buben die Mädchen „wäh“ und umgekehrt. Im Einzelkontakt  jedoch gibt es beim Spielen meist kein Problem. In der Gruppe muss der Unterschied aber meist lautstark durch Abwertung der jeweils anderen gezeigt werden. Im Laufe der Volksschulzeit verändert sich der Körper sehr stark. Manche Mädchen bekommen bereits in der vierten Klasse die erste Regelblutung.  

Mit ca. 9 Jahren beginnt die Sexualität sich durch die ersten sexuellen Phantasien im Kopf der Kinder bemerkbar zu machen. Mit den Eltern wird darüber kaum gesprochen, das wäre zu intim und peinlich. Das Interesse an der erwachsenen Sexualität erwacht in diesem Alter. Witze, Bilder, Zeitschriften, Broschüren, Handy-Clips, Internetseiten, die etwas zum Thema Sexualität zeigen oder schreiben werden gerne und neugierig  gelesen. Wie bei jedem neuen Entwicklungsschritt bedeutet das Interesse, dass auf allen Ebenen Informationen eingeholt werden. Zum ersten Mal aber werden nicht in erster Linie die Eltern befragt, sondern Medien und der Freundeskreis als Informationsquellen benutzt. Immer mehr Kinder im Volkschulalter haben Handy, z.T. auch schon mit der Möglichkeit des Internetzugangs. Kinder sind von Natur aus Neugierig und so suchen sie in den Medien nach Möglichkeiten ihre Neugier zu befriedigen.  Die Kindheit und die sexuelle Aufklärung sind mit der vor 20 oder 30 Jahren gar nicht mehr vergleichbar. Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, da ändern sich die Dinge rasant.

Die Kinder brauchen Begleitung und Orientierung, gerade in dieser Zeit in der ganz große innere und äußere Veränderungen stattfinden. Genau aus diesem Grund ist es umso wichtiger ihre Fragen ernst zu nehmen und so kindgerecht wie möglich zu beantworten. 

Die sexualpädagogischen Workshops dienen zur Information der Kinder im Alter von 8 bis 10 Jahren in Bezug auf ihre körperlichen und gefühlsmäßigen Veränderungen in der Vorpubertät.

Mögliche Inhalte eines Workshops können sein: spielerisches Erfassen der Thematik, Woher kommen die Babys? Was macht mich zum Mädchen? Was macht mich zum Jungen? Pubertät, Biologie. Der Standard in den sexualpädagogischen Workshops ist, dass die Fachpersonen die Kinder dort abholen wo sie sich in ihrer Entwicklung gerade befinden und geben da Antworten wo auch Fragen sind.

Sexualität hat eine große Bedeutung für das seelische Gleichgewicht schon von Kindern. Sie kann das Selbstwertgefühl stärken, Lebensfreude geben, Freude am Körper vermitteln, aber auch Scham und Selbstzweifel nähren sowie Sprache der Trostlosigkeit oder Gewalt sein..

Hinzu kommen weitere Ausdrucksformen von Sexualität, die dem „anderen Gesicht" der Sexualität zugeordnet werden. Gemeint ist sexualisierte Gewalt in Form von sexuellen Übergriffen, Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch.

Wichtig ist, die Kinder in ihrer Selbstwahrnehmung zu stärken und bestätigen. Wenn ein Kind es nicht als angenehm empfindet von einer bestimmt Person angegriffen zu werden dann ist es gut so. Es ist wichtig, dass das Kind  lernt dies deutlich zu sagen und zu zeigen. Die Handlungen werden in den sexualpädagogischen Workshops spielerischer Form aufgezeigt und eingeübt.

Entscheidend ist, die Kinder nicht alleine zu lassen. Optimal wäre, wenn die Pädagoginnen/Pädagogen mit den Sexualpädagogen/Sexualpädagoginnen und den Eltern zusammenarbeiten.
Mag. Gudrun Posch-Berger
Bereichsleitung: Jugend& Liebe