Kürzlich kam ein Paar – Anja und Klaus - in die Beratungsstelle. Auf meine Frage, was sie zu mir führt, antworteten sie: „Wir möchten uns auf Weihnachten vorbereiten.“
Ich dachte zuerst ich hätte nicht richtig gehört. „Sie möchten sich auf Weihnachten vorbereiten?“
„Ja“, sagte sie. „Letzte Weihnachten sind voll in die Hose gegangen und uns ging es noch wochenlang danach nicht gut. Dieses Jahr wollen wir´s besser machen.“
„Besser für wen?“ ist meine erste Frage.
„In erster Linie besser für uns beide“ antwortet nun der Mann. „Weil wir´s eh nicht allen recht machen können.
Eine weise Einsicht.
Im Laufe des Gesprächs wird klar, dass Anja und Klaus in eine klassische Stress-Falle geraten sind: Überforderung. Sie wollten es allen recht machen. Ein besonders schönes Fest. Geschenke sollen keine Wünsche offen lassen. Das Haus musste in Hochglanz erstrahlen, wenn die Eltern, Schwiegereltern und Verwandten kamen. Da kam es besonders ungelegen, dass Anja Anfang Dezember noch für drei Tage ins Spital musste. Die Zeit für die Vorbereitungen wurde knapp. Und mit Klaus konnte sie nicht wirklich rechnen. Für ihn war der Dezember in der Arbeit ohnehin der anstrengendste Monat. Abstriche machen? Nein, das wollten sie nicht! Das ließ ihr Stolz nicht zu, denn schließlich wollte Anja zeigen dass sie eine perfekte Hausfrau und Gastgeberin ist und Klaus war ja auch stolz darauf.
Einkaufen in überfüllten Einkaufszentren, von weihnachtlicher Musik aus allen Ecken überschwemmt. Parkplatzsuche. Lebensmittel und Getränke schleppen. Wo blieb da die viel zitierte Besinnlichkeit?
Ach, und die Weihnachtskekse! Voriges Jahr backte Anja zwölferlei Sorten. Sie kennt ja die unterschiedlichen Vorlieben in der Familie.
Geschenke für alle, wo soll sie bloß anfangen. Mit Klaus musste sie da nicht rechnen, der war in kein Kaufhaus zu bringen. Sein Geschenk für Anja besorgte er meist am Heiligen Abend, sozusagen „last minute“. Mit Frische-Garantie.
Tja, die Gedanken laufen Amok.
Nun sind Anja und Klaus ja hier, um es anders, sprich: besser zu machen. Und dazu entwerfen sie einen strategischen Plan, der etwa so aussieht:
Das Motto soll lauten: WENIGER IST MEHR. Weniger Aufwand, mehr Aufmerksamkeit auf das Wesentliche von Weihnachten: Zu-wendung, Zusammensein, Freude schenken, die Mensch-werdung Jesu Christi und das was uns zu Menschen macht feiern.
- Von zu hohen Erwartungen lösen. Es muss nicht alles perfekt sein. Es muss nicht das Fest der Feste sein, nicht das perfekte Essen, nicht die reine Harmonie
- Geschenke: Anja und Klaus wollen es heuer mit „ Wichteln“ ausprobieren. Wie das geht? Unter den Erwachsenen werden „Lose“ gezogen. Auf jedem Zettel steht einer der Namen. Für denjenigen, den ich ziehe, bin ich Wichtel und überlege mir ein Geschenk für ihn/sie. Ausgenommen der eigene Partner. Das reduziert die Anzahl der Geschenke, Aufwand und Kosten beim Besorgen, Zeit beim Auspacken.
- Auf den Hausputz verzichten: Anja begnügt sich mit dem Standard, sie bekommt von Klaus bestätigt: „Du hältst ja ohnehin alles sauber und ordentlich.“
- Kekse: Anja wird sich auf die Hälfte, also 6 Sorten statt 12, beschränken und beim Kekse backen die Kinder mit einspannen.
- Unterstützung holen: bisher hing viel an Anja, ab jetzt will sie sich Unterstützung bei Klaus holen (ein gemeinsamer Großeinkauf von Lebensmitteln und Getränken vor Weihnachten, Kekse backen) und soweit möglich bei den Kindern einfordern.
- Frühzeitige Besorgungen. Sowohl Geschenke als auch nicht verderbliche Lebensmittel und Getränke werden schon Ende November oder Anfang Dezember besorgt. Klaus kontrolliert frühzeitig ob die geplanten Beleuchtungen funktionieren und hält alles bereit.
- Keine Übernachtungen: sie werden mit Onkel Hans reden und ihn zum…
- …gemeinsamen Festessen am Weihnachtstag einladen und ihm mitteilen, dass sie den Heiligen Abend im kleinen Kreis ihrer vierköpfigen Familie verbringen möchten.
- Zeitpuffer: sowohl Anja als auch Klaus wollen darauf achten, dass sie Zeitinseln für sich selbst (Hobbies)und für Zweisamkeit schaffen und Zeitpuffer für Unvorhergesehenes vorsehen.
- Den Weihnachtsgottesdienst wollen sie mit ihren beiden Kindern um 17 Uhr besuchen, damit haben sie keine Unterbrechungen am Heiligen Abend. Klaus liest zuhause das Weihnachtsevangelium.
- Nicht an allen Familientraditionen festhalten: Traditionen sind wichtig, gerade an solchen Tagen wie Weihnachten. Sie dürfen aber auch hinterfragt und gegebenenfalls geändert werden wenn dies zum Wohl aller geschieht.
Kaum ein Feiertag ist mit soviel Emotionen, Erlebnissen aus der Kindheit und entsprechend unterschiedlichen Erwartungen verbunden wie Weihnachten.
Umso wichtiger ist es, dass wir miteinander reden, Wünsche und Befürchtungen aussprechen und uns demensprechend äußerlich und innerlich gut vorbereiten. Dann werden Sie am Heiligen Abend wirklich „Oh, du Fröhliche“ singen können. Das wünsche ich Ihnen jedenfalls.
Albert A. Feldkircher
Ehe- und Familienzentrum
Beratungsstellen Feldkirch, Dornbirn, Bregenz
Tel. 05522 74139