Sonja und Markus kommen zu mir in die Beratungsstelle. Es ist eine Woche vor dem ersten Adventsonntag. „Wir kommen gerade aus einem Kaufhaus, da lief schon Weihnachtsmusik“ berichtete Sonja und sagte: „Ich glaub ich kann´s zu Weihnachten gar nicht mehr hören!“

Sonja und Markus kommen zu mir in die Beratungsstelle.  Es ist eine Woche vor dem ersten Adventsonntag. „Wir kommen gerade aus einem Kaufhaus, da lief schon Weihnachtsmusik“ berichtete Sonja und sagte: „Ich glaub ich kann´s zu Weihnachten gar nicht mehr hören!“

Sie kommen natürlich nicht wegen der Lieder. Es geht bei ihnen um die Vorbereitung auf Weihnachten, konkret auf den Heiligen Abend. Es soll heuer nämlich ein „perfektes Fest“ werden, weil beiderlei Eltern und Geschwister bei ihnen eingeladen sind. Sie möchten dazu einen neutralen Berater beiziehen, also mich.

„Allein die Vorstellung von Weihnachten könnte einem Adrenalin in die Adern schießen lassen“, meint Markus. „Der Stress beginnt jetzt schon. Wissen sie, meine Frau ist eine Perfektionistin. Bei ihr muss von der Frisur bis zum Essen alles perfekt sein. Und die Geschenke…“ Markus stöhnt und Sonja verdreht die Augen.

Oh du fröhliche…..denke ich mir im Stillen. Dann lasse ich die beiden zuerst auf separaten Flipchartbögen ihre Erwartungen an Weihnachten aufschreiben: Wie sollte es verlaufen, dass ich nachträglich sagen könnte: es war ein schönes Weihnachten? Die beiden stellen einander dann ihre Aufzeichnungen vor. Nun der zweite Schritt: Was bin ICH bereit beizutragen? (denken Sie an die praktischen, aber auch emotionalen Aspekte). Für diese Übung brauchen die beiden schon deutlich mehr Zeit. In einem dritten Schritt geht es um´s  Abspecken der Erwartungen und der Aufwendungen und schließlich einigen sich Sonja und Markus darauf, was von dem Übriggebliebenen jeder übernimmt und für das Gelingen beiträgt.

Da hätten die beiden zumindest einen Grundstein für Harmonie gelegt. Ich gehe immer gerne der Wortbedeutung nach: Harmonie, altgriechisch soviel wie „Ebenmaß“, indogermanisch im Sinne von „Vereinigung von Entgegengesetztem zu einem Ganzen“.  Philosophisch: ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Personen und Dingen. Mit alldem haben wir es wohl zu tun, wenn wir an Weihnachten denken, das Ereignis des Jahres mit den größten (unterschiedlichen) Erwartungshaltungen.

Deshalb ein paar Gedanken und Tipps, worauf Sie achten können:

  • Vorstellungen früh genug  ansprechen: gehen Sie davon aus, dass die Vorstellungen und Erwartungen unterschiedlich sind: Weihnachtsbaum und/oder Krippe, Beleuchtung, Essen, Geschenke, Kirchgang usw.
  • Wer übernimmt was?  Paare/Familien bewähren sich als gutes Team, wenn  die Rahmenbedingungen klar sind und die Aufteilung der Aufgaben den Fähigkeiten und Möglichkeiten des Einzelnen gerecht werden. Gegebenenfalls kann man sich auch Unterstützung von Aussen dazuholen.
  • Geschenke:  wir haben in unserer Familie seit ein paar Jahren das „Wichteln“ eingeführt. Wie geht das? Unter den Erwachsenen werden „Lose“ gezogen, auf denen jeweils ein Name steht. Für denjenigen, den ich ziehe, bin ich Wichtel und überlege mir ein passendes Geschenk für ihn/sie. Ausgenommen sind der eigene Partner und die Kinder. So reduziert sich die Anzahl der Geschenke, Aufwand und Kosten beim Besorgen, Zeit beim Auspacken.
  • Frühzeitige Besorgungen statt „last-minute-Aktionen“ ersparen Stress. Sowohl Geschenke als auch nicht verderbliche Lebensmittel und Getränke können schon Wochen vorher besorgt werden. Markus kontrolliert früh genug, ob die Weihnachtsbeleuchtung noch intakt ist.
  • Zeitpuffer: Sonja und Markus wollen darauf achten, dass sie Zeitinseln für sich selbst (eigene Hobbies) und für Zweisamkeit schaffen, auch und gerade in der Vorweihnachtszeit, und Zeitpuffer für Unvorhergesehenes einbauen.
  • Keine heile Welt vorgaukeln: wer bei wem und wie soll gefeiert werden? Für Patchworkfamilien eine besondere Herausforderung. Häufig ist es entspannter, wenn die Kinder den Heiligen Abend bei dem Elternteil feiern, bei dem sie sonst auch überwiegend leben. Am ersten oder zweiten Weihnachtstag können sie dann beim Ex-Partner nachfeiern. Nur den Kindern zuliebe  sollten sich die Eltern an Heiligabend nicht zusammensetzen und eine heile Welt vorgaukeln, das weckt nur falsche Hoffnungen.
  • Nicht ungefragt Freunde einladen:  für die einen gehört Weihnachten ausschließlich der Familie. Andere sind da offener und würden auch gerne Freunde –oder schutzsuchende Flüchtlinge – mit am Tisch sitzen haben. In jedem Falle ist das frühzeitig gemeinsam zu klären, eine Überrumpelung könnte Missstimmung geben.
  • Heikle Themen aussparen:  wer im Vorfeld schon weiß, welche Themen Zündstoff beinhalten, sollte sie entweder vorher ansprechen oder aber  beim weihnachtlichen Beisammensein aussparen.
  • Möglichst keine Übernachtungen:  sagen Sie Ihrem Onkel Martin, dass Sie den Heiligabend im kleinen Kreis ihrer Familie feiern möchten und ihn dafür zum gemeinsamen Festessen am Weihnachtstag einladen.
  • Weihnachtsgottesdienst:  Sonja und Markus haben sich geeinigt, den Kindergottesdienst  um 17 Uhr mit ihren beiden Kindern zu besuchen. Das soll für sie eine Einstimmung auf das Wesentliche, den tieferen Sinn  von Weihnachten sein. Markus wird dann am Heiligabend im Kreis der Familie das Weihnachtsevangelium vorlesen.
  • Friedensgruß:  in unserer Familie ist es seit Generationen Brauch, sich vor der Bescherung in der Stube vor dem Ofen zu versammeln, Weihnachtslieder zu singen und sich gegenseitig den Friedensgruß zu geben. Spätestens dann ist der Sin von Weihnachten für mich spürbar.

Kaum ein Feiertag ist mit soviel Emotionen, Erlebnissen aus der Kindheit und entsprechenden Erwartungen verbunden wie Weihnachten.

Umso wichtiger ist es, das wir miteinander reden, Wünsche und Befürchtungen aussprechen und uns dementsprechend äußerlich und innerlich gut vorbereiten. Dann kann wirkliche Harmonie wie im „Gleichklang unterschiedlicher Instrumente“  entstehen und bleibt kein frommer Wunsch.

 

Albert A. Feldkircher

November 2016