Aus der Praxis: Martin bemüht sich, ein anderer Partner für seine Frau zu sein, als er es bei seinem Vater erlebt hat. Er fühlt, dass das seine Frau auch von ihm erwartet, das traditionelle Rollenbild zu verlassen und ein partnerschaftlicher, „moderner“ Mann zu sein. Er möchte ein „netter Kerl“ sein und nicht ein dominantes Familienoberhaupt. „Ich bemühe mich, einfühlsam und sensibel zu sein, aber irgendwie ist diese ,Anpassung‘ noch nicht gelungen“, sagt er selbst. Er sieht, dass im Freundeskreis Beziehungen allein an der Beziehungsgestaltung scheitern, und hat Angst, dass das auch ihm und seiner Frau passiert. Verunsichert fragt er: „Woran mag das liegen?“

 


Eine partnerschaftliche Beziehung gab es in früheren Generationen nicht. Daher fehlen brauchbare Muster. Nur die Anpassung an Erwartungen von außen ist zu wenig: Männer wollen „ganze Kerle“ sein. Auch Frauen haben mehr Achtung vor einem Mann, der sagt, was er will, und dann tut, was er kann.

Martin liebt seine Frau und er fühlt, dass auch sie ähnlich für ihn empfindet. Trotzdem gibt es im Alltag Situationen, die sie ganz unterschiedlich sehen. Etwa beim Einkaufen: Er hakt die Einkaufsliste ab, während seine Frau das gemeinsame Einkaufserlebnis mit ihm genießen und sich Zeit lassen will.

Unterschiedliche Sichtweise. Seine Frau beklagt sich, dass für ihn sein Beruf wichtiger sei als die Familie. Er gehe davon aus, dass sie ihm „den Rücken freihält“, auch wenn das nicht so vereinbart ist. Martin muss sich eingestehen, dass Beruf und Leistung tatsächlich wichtig für sein Selbstwertgefühl sind und er davon ausgeht, dass seine Frau für die Fürsorge in der Familie zuständig ist. Wenn es um Sex geht, will seine Frau zuerst Nähe und Zärtlichkeit, und dann erst Sex, bei ihm ist das eher umgekehrt und sie sagt auch schon einmal, dass sie ihn für „sexsüchtig“ hält. „Und ich habe gemeint, dass ich ihr mit Sex meine Gefühle zeigen kann“, erzählt Martin in der Beratung.

So wie Martin geht es vielen Männern. Frauen verfügen über vielfältigere Ausdrucksmittel in Gestik, Mimik sowie Stimme und sprechen leichter ihre Gefühle aus. Männer tun sich schwer, ihre Gefühle in Worten auszudrücken. Männer tun lieber etwas.
Ein wesentlicher – und oft trennender – Unterschied wird in Gesprächen deutlich: Männer machen eher Aussagen, als dass sie Fragen stellen. Sie geben lieber einen Rat als um einen Rat zu bitten. Die meisten Frauen können besser zuhören und nachfragen. Durch diese Unterschiede entsteht oft das Gefühl: Du verstehst mich einfach nicht!

Mutterbindung. Die unterschiedliche Beziehungsgestaltung hängt natürlich stark mit den traditionellen Rollenbildern zusammen, die von vielen Frauen heute als abwertend empfunden werden. Dazu kommen Erfahrungen in den Herkunftsfamilien. Für den Mann ist die erste Bezugsperson, die Mutter, ein gegengeschlechtliches Wesen, für die Frau ein gleichgeschlechtliches. Starke Mutterbindungen machen es Männern oft schwer, eine freie und glückende Beziehung aufzubauen.

Mehr Zufriedenheit. Je mehr es gelingt, offen und ehrlich zu sein und Verschiedenheiten anzuerkennen, desto zufriedener werden Martin und seine Frau ihre Beziehung erleben. Dann wird Verschiedenheit nicht zum trennenden Konkurrenz- und Machtkampf, sondern zu einem belebenden Element: Jede(r) bringt seine Stärken ein, beide lernen voneinander.

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Albert Feldkircher
Ehe- und Familienzentrum Feldkirch
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