Rebecca und Paul kommen im Fünf-Minuten-Abstand zur ersten Beratungsstunde. Er vom Büro, sie von zuhause. Beide Anfang Vierzig, ein attraktives Paar. „Wir sollten eigentlich zufrieden und glücklich sein. Es geht uns finanziell gut, wir haben ein schönes Haus im Grünen, zwei gesunde Kinder, einen Hund. Aber irgendwie ist „der Wurm drin“ bei uns. Deshalb sind wir da!“ So beginnt Rebecca und Paul ergänzt, sichtlich gereizt: „Ich verstehe nicht, was mit uns passiert ist. Je mehr ich mich anstrenge, uns ein gutes Leben zu ermöglichen, umso unzufriedener ist meine Frau. Da stimmt doch was nicht!“

Allerdings. Im Laufe der Beratungen ergibt sich folgendes Bild: Rebeccas Eltern haben sich getrennt, als sie 12 Jahre alt war. Sie hat sich damals geschworen: wenn ich einmal heirate, werde ich alles daran setzen, dass diese Beziehung hält.             Paul´s Eltern führten eine harmonische Ehe. Nicht zuletzt deshalb weil seine Mutter sich der starken Persönlichkeit ihres Mannes anpasste. So stellte sich Paul vor, dass auch seine Ehe mal sein sollte. Als sich die beiden kennenlernten, war es „Liebe auf den ersten Blick“, wie sie sagen. Sie heirateten bereits nach einem halben Jahr und wurden als Traumpaar gefeiert. Paul war Geschäftsführer eines mittleren Unternehmens und verdiente gut. So gut, dass Rebecca zuhause bleiben  und sich dem Haus und Garten und bald auch der Kinderziehung widmen konnte. Paul´s Überzeugung war: je mehr ich mich anstrenge, je mehr ich arbeite und für meine Familie sorge, desto besser wird es uns gehen. Rebecca´s Überzeugung war: je mehr ich mich anstrenge, Paul den Rücken frei und alles „perfekt in Schuss“ zu halten, je bessere Mutter ich für unsere Kinder bin, desto glücklicher werden wir sein.

Die beste Voraussetzung dafür, was wir heute ein „Beziehungs-Burnout“ nennen. Es beginnt mit einer (zu) hohen Erwartungshaltung, an sich selbst und an den Partner. Und dem Denkfehler, dass Liebe etwas mit Leistung zu tun habe. Rebecca engagiert sich über alle Maßen, um eine gute Hausfrau und Mutter zu sein. Paul übertrifft sich selbst in „aufopfernder“ Arbeit für seine Lieben. Und zusammen als Paar wollen sie dem Rest der Welt beweisen, dass sie´s schaffen, eine vorbildliche Ehe zu führen. Die Auswirkungen stellen sich schleichend ein: es fehlt an Zeit für das Paar, am Gespräch, an gemeinsamen Unternehmungen. In ihrer freien Zeit sind beide ausgepowert von der Arbeit, jeder will seine Ruhe haben. Das sexuelle Begehren wird weniger, die Zärtlichkeiten beschränken sich auf den flüchtigen Gute-Nacht-Kuss. Eigene Bedürfnisse werden vernachlässigt, Konflikte werden verdrängt, Probleme ignoriert oder einfach nicht angesprochen. Rückzug, Frustration, Gefühlsleere, inneres Abschalten und nur noch funktionieren, emotionale Erschöpfung.

Burnout im Beruf ist inzwischen vielen bekannt. Aber in der Beziehung?  Auch hier gilt  das gleiche Prinzip: um ausbrennen zu können, muss ich vorher brennen. Hohe Erwartungen, großes Engagement. Sich und dem Partner beweisen wollen, der Beste/die Beste zu sein. Und schließlich Enttäuschung, Resignation, Erschöpfung. Die ersten Anzeichen von Burnout werden meistens verdrängt, ja es wird oft versucht, mit noch mehr Engagement entgegenzusteuern. Burnout ist wie ein Parasit, der sich von Lebensenergie nährt. Unzufriedenheit und negative Gefühle werden oft auf den Partner projiziert, die eigene Lebensfreude und Freude an der Partnerschaft schwindet.

Wie können wir vorbeugen?

  • Das Paargespräch pflegen. Dazu gehört auch, die jeweiligen Erwartungen aus- und aktuelle Probleme anzusprechen. Nützen Sie das Dialog-Gespräch mit der Eieruhr: jeder hat 10 Minuten Zeit zu reden, der andere hört nur zu. Einmal pro Woche „synchronisiert“ Ihre Beziehung.
  • Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Prioritäten und setzen Sie Grenzen
  • Achten Sie auf einen Ausgleich von Geben und Nehmen. Wer auf Dauer das Gefühl hat mehr der Gebende zu sein in der Beziehung, wird frustriert und kann an der Liebe des Partners zweifeln
  • Setzen Sie immer wieder „Farbpunkte“ im Alltag. Gegen die Routine und die Gewohnheiten.
  • Achten Sie darauf was Ihr Partner Gutes tut und anerkennen Sie ihn/sie dafür. Nichts ist selbstverständlich.
  • Bitten Sie Ihren Partner um Unterstützung und lassen Sie sich helfen, wenn Ihr Partner Ihnen Unterstützung anbietet, anstatt nebeneinander her zu funktionieren.
  • Vertrauen Sie auf die Kraft der Berührung, der Zärtlichkeit. Lassen Sie die Sexualität nicht einschlafen.
  • Pflegen Sie die Kontakte mit gemeinsamen Freunden.

Rebecca und Paul haben inzwischen für ein verlängertes Paar-Wellness-Wochenende ihre Kinder an Oma und Opa übergeben. Sie kommen sichtlich entspannter zur nächsten Beratungsstunde. .Außerdem haben sie mit den Dialog-Gesprächen – wie in der Beratung geübt -  begonnen und dabei erkannt, dass sie einiges in ihrer Beziehung verändern wollen. Ich habe den Eindruck, dass sie gerade noch rechtzeitig das Ruder herumgerissen haben und ihr Schiff neu auf Kurs bringen.

Paarberater, Albert A. Feldkircher, im April 2015
Kontakt: Beratungsstelle des Ehe- und Familienzentrums; Beratung in Feldkirch, Dornbirn und Bregenz
Anmeldung und Anfragen: telefonisch 05522 / 74139 oder per E-Mail an beratungsstellen-efz@kath-kirche-vorarlberg.at