Mit seiner Flucht aus Afghanistan musste der mittlerweile 26jährige Rahmatullah Sultany nicht nur seine Familie (Mutter, zwei Geschwister und einen Neffen) verlassen, er hat auch seine Schreinerei und seine Grundstücke mit den vielen Äpfel-, Marillen- und Mirabellenbäumen verloren.  Als er von der Möglichkeit erfuhr, Pate für einen Apfelbaum im Kirchgarten zu werden, hat er sich sofort für eine Patenschaft beworben.

Eine multikulturelle Familie aus dem Hatlerdorf  hat 2015 die Patenschaft  für den jungen Flüchtling übernommen. Multikulturell?
Die Familienmitglieder sind Vegetarier und Fleischesser, Atheisten und Christen, Nikotinabhängige und Nichtraucher - und dann - kam eben jemand dazu, der von einer patriarchalisch muslimischen Kultur geprägt war.
Gemeinsam haben sie erlebt, wie bereichernd die Debatten sind, die sich aus Respekt und Offenheit für unterschiedliche Perspektiven ergeben. Sobald sein Deutsch gut genug war, hat sich Rahmatullah Sultany eifrig an den Auseinandersetzungen beteiligt, die sich um gesellschaftspolitisches Engagement, ethisch richtiges Verhalten, Religion und Umweltschutz drehten. Die vielen Paten in diesem Hatler Clan haben ihn stark beeinflusst. Aber sie haben ihn nicht zum Vegetarier, Radfahrer und Christen zurechtgestutzt.
Baumpaten wissen, dass man zwar einen Baum schneiden kann, ihm eine Richtung vorgeben kann, aber wachsen tut der Baum immer noch selber. Den „Erziehungsschnitt“ haben ihm seine afghanischen Eltern gegeben. Sie wurden die Grundlage für den Werdegang des jungen Mannes und seine Entscheidungen, die mit der Zeit in ihm gereift sind. Jetzt zeigen sich die Früchte all dieser Patenschaften. Zum Beispiel durch seine Antworten auf die Frage: Warum wirst Du Baumpate? „Ich liebe Bäume und ich helfe gerne. Im Sommer würde ich auch gerne wieder die Blumen bei der Kirche giessen und dort helfen, wo es Hilfe braucht. So kann ich meine Dankbarkeit zeigen. Es ist auch eine Möglichkeit, dass ich Leute kennenlerne. Ich freue mich darauf, dass ich ihn ein paar Jahren billige Äpfel ernten kann.“
Bei einer Nikolausfeier im Hilfsverein „Postfach für jeden“ hat er die Geschichte vom Hl. Nikolaus erfahren. Die Hilfsbereitschaft des Heiligen hat ihm so gut gefallen, dass er  nach seiner Taufe in der Osternacht 2019 Nikolaus heißen möchte. Sollten sie ihn in der Messe treffen oder ihm einmal beim Baumschneiden oder später bei der Apfelernte begegnen, nennen Sie ihn einfach Niko.
Passendes Sprichwort aus Afghanistan, das Niko gerne zitiert: `Du musst eine Blume giessen, damit zwei Blumen auf die Welt kommen.‘ 

Was ist ein Pate?
Die Paten begleiteten die erwachsenen Taufbewerber (Katechumenen) in der Taufvorbereitung und bürgten für die Ernsthaftigkeit ihres Taufbegehrens, bei Täuflingen im Kindesalter verbürgten sie deren christliche Erziehung. Paten nehmen gegenüber dem Täufling in besonderer Weise die Verantwortung der christlichen Gemeinde wahr, die Getauften zum christlichen Glauben zu führen. Sie sollen für den Täufling beten und ihm durch Wort und Vorbild helfen, ein lebendiges Glied der Kirche Jesu Christi zu werden.

Was ist ein Baum-Pate?
Auch er übernimmt die Verantwortung für die Pflege und Erziehung (Schnitt) eines jungen Baumes in unserer Pfarrbündt. Er ist später auch für die Ernte verantwortlich, damit die Früchte nicht verderben.
Angelika Rusch