Leitgedanken von Martin Fenkart aus dem Pfarrblatt Ausgabe 2 März 2017.

Auf einer Zugfahrt habe ich vor kurzem dem Gespräch zweier Reisepassagiere gelauscht. Eine betagte Dame beklagte sich bei ihrer Gesprächspartnerin darüber, dass sie in ihrem hohen Alter die „Realität des ernüchternden Lebens“ schon lange eingeholt habe. Sie meinte, nur in den Träumen des Frühlings werde im Herbst Marmelade eingekocht. Wie steht es denn bei Ihnen an der Schwelle des Frühlings um die Träume, Visionen und Zukunftswünsche für Menschen in Bregenz und die Entwicklung der Kirche in Ihrer Stadt? Nur wer die Sehnsucht in sich verspürt, dass Dinge sich zum Guten entwickeln, wird zu den Gestalterinnen und Gestaltern einer besseren Zukunft gehören.

Im ganzen Land finden diesen März wieder Pfarrgemeinderatswahlen statt. Dafür werden seit Wochen neue ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht, um das Morgen von Kirche zu gestalten – so auch in Bregenz. Die vielen Ehrenamtlichen werden in den kommenden Jahren – durch Ihre Wahl – das facettenreiche Leben der Pfarren für Jung und Alt mitgestalten. In intensiven Überlegungen der letzten Jahre ist deutlich geworden, auf welche Ziele wir den Kompass in der Zukunft ausrichten wollen. Ich erinnere nur an ein paar Haltungen aus dem Prozess „Die Wege der Pfarrgemeinden“: Pfarren als vitale Orte der gelebten Gastfreundschaft entwickeln, kraftvolle Orte der freudigen und stärkenden Liturgie gestalten, caritatives Engagement für Menschen am Rand und Menschen in der Not, den Menschen eine persönliche Begegnung mit Christus ermöglichen, eine Kirche gestalten, die die Botschaft des Evangeliums freudig und selbstbewusst anbietet und den Kontakt mit den Menschen dort sucht, wo sie sich heute gerne bewegen…

Haltungen sind dazu da um Halt zu geben, um Sicherheit und Orientierung zu verbreiten. Sie sorgen dafür, dass wir etwas gut oder schlecht machen. Die Herausforderung liegt darin, uns als Kirche nicht selber zu genügen. Die eingangs angesprochene Marmelade wird es vermutlich nur dann geben, wenn wir als Christinnen und Christen stets bemüht sind, mit Menschen, die wir bisher noch nicht kannten, die uns womöglich stark hinterfragen oder mitunter sogar befremden, in Kontakt zu kommen und – so Gott will – Freundschaft zu schließen, um voneinander zu lernen. Die Kirche der Zukunft wächst dort, wo Menschen bereit sind, sich auf neue Bekanntschaften und Beziehungen einzulassen, wo freudig miteinander gebetet und gelacht wird, wo Arme und Schwache einen festen Platz in der Mitte der Gemeinde haben, wo Freiheit sich ausbreitet und ehrliches Zuhören kultiviert wird. 

Die Kirche der Zukunft braucht auch Menschen, die den Mut haben, ihre persönliche Glaubenserfahrung in Worte zu kleiden und sich nicht mit der Mainstreamfloskel zufrieden zu geben: „Es ist ja nicht so wichtig, was man glaubt, Hauptsache man glaubt halt was.“ Spätestens in Zeiten, in denen viele Menschen besorgt sind, dass andere Religionen das Christentum in unserem Land ablösen könnten, wäre es doch höchst an der Zeit, anstatt Ängste zu schüren, selber auskunftsfreudig zu werden über das, was wir glauben, was uns freut, was unsere Hoffnung belebt als Christinnen und Christen im Jahr 2017. 

In einer Ansprache an asiatische Studenten meinte Papst Franziskus einmal, dass die Zukunft der Kirche davon abhängt, ob es uns als Kirche gelingt, intelligente Fragen zu stellen. Stellen Sie sich vor, Sie kommen in fünf Jahren – also im Frühling 2022 – an Ihrer Kirche in Bregenz vorbei und geraten aus dem Staunen nicht mehr heraus. Offensichtlich ist ein Wunder passiert und das, was Sie sich schon lange gewünscht hatten, hat sich zumindest in weiten Zügen erfüllt. Sie finden eine Kirchengemeinschaft vor, die sich so verhält, als hätten Sie Ihre Träume studiert und umgesetzt. Woran erkennen Sie das? Was erleben Sie jetzt? Wen treffen Sie dann? Was ist anders? Was ist neu? Vielleicht wollen Sie diesen Traum sogar zu Papier bringen und ihn den künftigen Pfarrgemeinderat wissen lassen. Und jetzt die Gretchenfrage: Könnten Sie sich vorstellen, dass dieser Traum etwas mit Ihnen zu tun hat und mit den Talenten und Fähigkeiten, die Sie selber besitzen? Wenn sich die Nachbarsbäuerin gelegentlich im Herbst darüber beklagt hat, dass es halt einfach zu kalt in der Stube sei, dann meinte ihr pragmatischer Mann: „Jo denn hou halt a Schitt i da Ofa, anstatt dass d’all jömarascht.“ 

Ihnen allen, die Sie dafür sorgen, dass wir auch im kommenden Herbst wieder Marmelade einkochen können, weil Sie noch an Ihre Träume und Wünsche glauben und darauf vertrauen, dass Gott das Seine dazu beiträgt, danke ich von Herzen.

Martin Fenkart