Leitgedanken von Michael Fliri aus dem Pfarrblatt Ausgabe 3 April 2019.

Vor 100 Jahren wurde die Gemeinde Rieden-Vorkloster in die Stadt Bregenz eingemeindet. Die Siedlungsgeschichte dieser Gegend beginnt jedoch deutlich früher: Die Gründung des Klosters Mehrerau im Jahr 1097 und die Existenz eines Hofes der Grafen von Bregenz geben erste Hinweise darauf. Eine erste urkundliche Nennung erfolgte im Jahr 1249, als Papst Innozenz IV. eine Besitzänderung bestätigte und dabei „Rieden“ zwischen „Lutrache und Bregenze Stade“ genannt wurde. Neben der Bezeichnung „Hofrieden“ kam durch den wachsenden Einfluss des Klosters Mehrerau auch der Name Vorkloster dazu. Eine eigene Kirche wurde aber wegen der geringen Besiedelung und der Nähe zum Kloster lange Zeit nicht errichtet.

Pfarre Mehrerau
Erst als Kaiser Joseph II. staatlicherseits in die über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen der Pfarren eingriff, wurde die Region Hofrieden 1782 in die Pfarren Lochau, Eichenberg, Fluh, Mehrerau und Hirschthal eingeteilt. Diese Einteilung hatte nicht allzu lange Bestand, die Pfarre Mehrerau wurde bereits 1808 wieder aufgelöst und der Bregenzer Stadtpfarrer mit der „Pastorierung der Einwohner von Vorkloster oder Mörerau“ beauftragt. Da inzwischen das Kloster aufgehoben worden war und die barocke Kirche keinen Zweck mehr als Pfarrkirche erfüllte, wurde sie von der bayerischen Regierung abgerissen.

Rasantes Wachstum im 19. Jahrhundert
Bis ins 19. Jahrhundert war die Gegend sehr wenig besiedelt. Als der industrielle Aufschwung auch die Stadt Bregenz erfasste, entstanden auf Vorkloster Boden schon früh mehrere Industriebetriebe. Endgültig änderte sich das bescheidene Dorfbild durch den Bau der Eisenbahn. Ausgehend vom Quellenviertel bis zum See wurden nun zahlreiche Industriebetriebe errichtet (z.B. Benger, Trüdinger und Maggi, Elektra Bregenz, Schöller u.a.), die nicht nur Fabrikgebäude, sondern auch Wohnraum für die Arbeiterschaft benötigten. Ein starker Zuzug war die Folge. Als Vorkloster 1894 sein erstes gemeinsames Schulhaus bekam, zählte die Gemeinde bereits über 3.000 Einwohner. Der Wunsch nach einer eigenen Seelsorge war die natürliche Folge.

Die seelsorgliche Versorgung erfolgte zunächst noch durch die Bregenzer Stadtpfarre, den Religionsunterricht erledigten die Bregenzer Kapläne. Seit 1854 war das Kloster Mehrerau wieder besiedelt. Im neuen Schulhaus konnte 1895 eine erste Kapelle eingerichtet werden. Diese war die Keimzelle für eine eigene Seelsorgestelle, hier fanden Schülergottesdienste und Andachten statt. In den Jahren 1895 bis 1912 wuchs die Klassenanzahl der Schule von vier auf elf an. Deshalb entstand ein neues Schulhaus, das nun eine geräumigere Kapelle erhielt. Zunächst wollte man wiederum eine Klosterpfarre errichten, jedoch zerschlugen sich diese Pläne. Nun zeigten sich die Schwierigkeiten des Projektes: An der Frage des Standortes entzündete sich ein langer Streit innerhalb der Gemeinde. Dem 1910 zum Pfarrvikar von Vorkloster ernannten Jakob Butzerin gelang es nicht, die Situation zu beschwichtigen. So konnte bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges die Errichtung einer neuen Kirche trotz zahlreicher Initiativen nicht verwirklicht werden. 1912 erhielt das neue Pfarrvikariat mit Johannes Schöch zusätzlich einen Kaplan. Die Finanzierung dieser Priesterstellen wurde durch die Verlegung von Benefizien der Stadtpfarre (Hl. Kreuz-Benefizium und Boch’sches Familienbenefizium) nach Vorkloster gesichert.

Die Eingemeindung nach Bregenz und der Amtsantritt von Johannes Schöch als neuer Pfarrvikar ermöglichten nach Kriegsende schließlich den langersehnten Kirchenbau. Die zunächst als „Landeskrieger-Gedächtniskirche“ von Clemens Holzmeister geplante Kirche konnte aufgrund des Einsatzes von Pfarrvikar Schöch trotz der wirtschaftlichen Probleme der Nachkriegszeit verwirklicht werden. Am 15. August 1931 wurde die – inzwischen zur Mariahilf-Kirche umbenannte – neue Kirche geweiht.
Nachdem der Ortsteil Vorkloster auch in den nächsten Jahrzehnten ein rasantes Bevölkerungswachstum aufwies, blieb es nicht bei dieser Kirche. Bereits 1949 entstand eine Notkirche in St. Gebhard, wo 1956 eine neue Pfarrkirche gebaut wurde. Schließlich wurde ab 1962 in St. Kolumban Gottesdienst gehalten, wo bis 1966 die Pfarrkirche vollendet werden konnte.

Der Ausbau der seelsorglichen Versorgung der ehemaligen Gemeinde Rieden-Vorkloster ging also Hand in Hand mit dem rasanten Wachstum der Vorstadt durch den Bau der Eisenbahn, die Industrialisierung und den dadurch verursachten Zuzug. Die Pfarren sind hier also nicht als isolierte Dorfpfarren zu verstehen, sondern im Licht der Geschichte als Ausdehnung der seelsorglichen Betreuung über den wachsenden städtischen Raum. So zeigt dieses Erinnerungsdatum „100 Jahre Eingemeindung“ auf, wie rasch sich Siedlungsräume und damit auch die Anforderungen an seelsorgliche Strukturen verändern.