Leitgedanken von Renate M. Bauer aus dem Pfarrblatt Ausgabe 4 Mai 2017.

„Sie verkündet das Evangelium, hält Wortgottesdienst, organisiert, repräsentiert, gibt spirituelle Impulse... Eine Frau wie es halt normal ist für uns Menschen. Für die Institution Kirche noch nicht. Es braucht halt Zeit...“ So oder ähnlich stand es in einer Tageszeitung. Gemeint ist Schwester Clara Mair, die mich kürzlich fragte, einen Artikel über MütterBilder zu schreiben. Tief hat mich diese Einladung erschreckt und gleichzeitig fasziniert. Mutter. Bild. Schwierig. Schmerzhaft. Zunächst. 

Ich bin eine der Frauen, die ihre Kraft aus dem Bild bezieht, wie es Gottfried Benn beschreibt: „Mutter, ich trage Dich wie eine Wunde auf meiner Stirn“. Dafür liebe ich sie. Meine Mutter. 

Mütterlichkeit wurde mir ein Bild für Gott. Klar, wir sind es gewohnt, Gott immer als Vater anzusprechen und verbinden damit oft Strenge. Der liebende Gott aber schmeckt mir nach unbegrenzter Güte, nach Nährendem und Geborgenheit. In einer patriarchalischen Gesellschaft ist es logischerweise problematisch Gott mit „Mama!“ anzureden. In einer Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind, macht es eine Menge Sinn, Gott mit „Mama!“ anzusprechen, denn es sind die Mütter, die unmittelbarer als die Väter das neue Leben nähren und in die Welt bringen.

Ich las das Buch eines Mannes, der versuchte, jugendlichen Strafgefangenen Jesus zu erklären. „Gott liebt dich wie ein Vater“ machte für viele keinen Sinn, da ihr Vater immer abwesend war. „Gott liebt dich wie eine Mutter“ kam an, denn es waren bei vielen die Mütter, die sich abrackerten, um ihren Söhnen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.

Ja, es sind doch meist die Frauen, die den Weg von Ufer zu Ufer begleiten. Fährfrauen nenne ich sie und überall in der Geschichte begegnen wir ihnen. Die Hände, die den Neugeborenen die Augen öffnen, den Reigen der Feste anführen, die Drangsale von Krankheiten und Elend entwirren, in den Körpern die Liebe erwecken. Sie haben ein offenes Ohr für jede Lebenssituation und neigen sich über die Sterbenden. 

Jeder Lebende hat am Anfang des Weges in der Nacht einer Frau gewohnt. Manchen ist dieser erste Aufenthalt zum Grab geworden. Manche von uns wurden leidenschaftlich geliebt. War das Gegenteil der Fall, dann sind Mütter nur die Türflügel gewesen, die wir aufgestoßen haben, um in die Welt zu gelangen. So finden eine Freundin und ich unerschöpfliche Worte im liebevollen Gespräch über Mütterlichkeit und MutterBild. 

Jeder von uns ist Kind des Mannes und der Frau, die es gezeugt haben und gleichzeitig Kind der Schöpfung und darum können wir nie völlig verlassen sein. „Ich bin da“ (ego eimi ho on) heißt es im Buch Exodus 3,14 und darum begleitet mich das Bild des mütterlichen Gottes, der mich liebevoll auffordert, in seinem Dasein und Licht meine Talente und Fähigkeiten erblühen zu lassen. So wie wir in der Bibel das Bild von der neuen Stadt Jerusalem finden. Diese Stadt ist erfüllt von der Herrlichkeit Gottes. Das Licht in der Mitte. Seine Hingabe überstrahlt alles. 

Gottes Mütterlichkeit nährt, tröstet, wärmt, begleitet und liebt mich, gibt mir Urvertrauen, beschützt, ist einfach da. Wie eine Mutter es auch tun möchte, aber aus den unterschiedlichsten Gründen oftmals nicht leben kann.

„Mutter ist längst nicht mehr die Beste und will es auch gar nicht sein. Einen universalen Muttertyp kennt die Literatur ohnehin von Anfang an nicht. Die Palette reicht vom marienhaften Mutterbild bis zur kindermordenden Medea. Beziehungstragödien zwischen Mutter und Kind und neurotische Verstrickungen haben nicht erst seit Elfriede Jelinek Tradition. „Ja, dieses Mutterbild ist möglicherweise noch stärker ins Wanken geraten als das vom Vater“ schreibt die Autorin Ilse Gottschall. 

Obwohl der Muttertag nicht aus religiösen Gründen eingeführt wurde, hat er doch zutiefst religiöse Wurzeln. Im Bild der Mütterlichkeit leuchtet mir der liebende Gott auf. Wie Jesus es auch in seinen vielen Auftritten bei den Menschen lebt. Und so prägte sich mir ein kraftvolles MutterBild ein, das Gott mütterlich meint. 

Renate M. Bauer