Leitgedanken von Wolfram Öller aus dem Pfarrblatt Ausgabe 5 Juni 2019.

Unverzichtbar
Unlängst hatte ich ein Gespräch mit einem Kollegen über ehrenamtliches Engagement. Ihm war es ein Rätsel, warum Menschen Zeit und Energie in Tätigkeiten investieren, für die sie nicht oder nur gering bezahlt werden. Schließlich konnte ich ihn vom unschätzbaren Wert und der Unverzichtbarkeit von Vereinen wie z. B. der Feuerwehr oder der Rettung überzeugen. Er verstand jedoch nicht, warum diese Institutionen mit Hilfe freiwilliger Arbeit aufrecht erhalten werden sollen. Seiner Meinung nach sollte der Staat dafür finanziell aufkommen. Ich habe den Eindruck, dass diese Art egozentrischer Denkweise immer mehr zunimmt und diese Einstellung dem politischen Zeitgeist entspricht. Wer so denkt, nimmt seine christliche Verantwortung für die Gesellschaft und seine Mitmenschen nicht wahr.

Engagement mit Leidenschaft
Das Wort „Verein“ kommt von „sich vereinen“, „eins werden“ und etwas „zusammenbringen“. Ein Verein bezeichnet eine freiwillige und auf Dauer angelegte Vereinigung von Menschen zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks. So gesehen kann man die Kirche durchaus auch als eine Art Verein bezeichnen. In einem Verein mitzuwirken bedeutet, Verantwortung für eine Aufgabe zu übernehmen, die nicht zu den familiären oder beruflichen Pflichten zählt. Hier trennen sich die zwei Begriffe „Beruf“ und „Berufung“. Das Erleben einer Berufung beruht auf der Entdeckung einer persönlichen Leidenschaft, die einen Menschen bewegt. Was ein Mensch tut, ohne dafür Lohn und Anerkennung zu erwarten, tut er aus wahrer Leidenschaft.

Talente einsetzten
In der Bibel finden sich zahlreiche Erzählungen von Menschen, die ihrer Berufung folgten, ihre Begabungen erkannt und entfaltet haben. Als Christinnen und Christen sind wir dazu aufgefordert, unsere Talente nicht zu vergraben, sondern einzusetzen (Mt 25, 14-30). Egal, ob es eine kostenfreie Mathe-Nachhilfe für ein Nachbarskind, die Einkaufshilfe für den hochbetagten Nachbarn, das Ehrenamt im Sportverein, der freiwilligen Feuerwehr, der Kirchengemeinde oder das Beten für einen Menschen in einer schwierigen Lage ist – jeder nach seinem Talent.

Balsam für die Seele
Kirche leistet Seelsorge. Musik tut dies auch. Sie ist viel mehr als nur ein schöner Zeitvertreib. Musik kann Balsam für die Seele sein und die geistige und soziale Entwicklung von Kindern nachweislich fördern. Musik aktiviert das Gehirn, produziert Glückshormone, wirkt sich positiv auf Herzschlag, Blutdruck, Atemfrequenz und Muskelspannung aus. Klänge wirken vor allem auf Nebenniere und Hypophyse, beeinflussen somit den Hormonhaushalt. Auch das für Gefühle zuständige limbische System im Gehirn wird durch Musik angeregt. Genau deshalb kann sie Emotionen hervorrufen und verstärken und bei den Zuhörenden Gänsehaut auslösen. An Demenz erkrankten Personen zaubern Melodien aus ihrer Jugend ein Lächeln ins Gesicht.

Mehr als die Summe seiner Teile
In der Eucharistie sind alle Christen weltweit und über die Jahrhunderte hinweg eine Gemeinschaft. In Vereinen kommt zum Ausdruck, dass das Ganze weit mehr sein kann als die Summe seiner Teile. Auf ein Orchester trifft dies ganz besonders zu, indem einzelne Stimmen oft erst im Zusammenspiel ihre Bedeutung und ihre Intensität entfalten.

Musik verbindet
Faszinierend ist auch der Gedanke, dass das Gesamtkunstwerk eines Musikstückes vor Jahrzehnten mit der Komposition begann und beim Konzert nur dann gelingt, wenn jeder einzelne Musiker seinen Part verantwortungsbewusst übernimmt. Wir Musiker sind in einer Gemeinschaft aufgehoben, die über soziale Differenzen, ja sogar sprachliche Diversität hinweg besteht.

Engagement in Vereinen und in der Kirche ist Ausdruck von Leidenschaft und Nächstenliebe. Wir musizieren leidenschaftlich – zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen.