Leitgedanken von Gerhard Häfele aus dem Pfarrblatt Ausgabe 8 November 2018.

Das Leben ist geprägt von erlebten Zeiten. Alles hat seine Zeit. So gibt es Zeiten des Abschieds und des Neubeginns. Auch die Krankenhausseelsorge in Bregenz steht vor einem Zeitenwechsel. Diakon Johannes Heil geht in Pension. Ebenfalls legen einige Mitglieder aus seinem freiwilligen Team ihre Aufgaben zurück. Eine lange und segensreiche Zeit, in der sie im LKH Bregenz Gutes gewirkt haben. Ich möchte ihnen allen meinen Dank zum Ausdruck bringen.

Im Krankenhaus machen viele Menschen die Erfahrung von Zeitenwechsel. Abschied nehmen von Lebensmöglichkeiten, von An- und Zugehörigen, ja Abschied vom Leben selbst. Dies kann manches aufwühlen und durcheinanderbringen. Eine Patientin schreibt es so: „Gott, bitte hilf mir jetzt in dieser schweren Zeit des Chaos und des Aufbruchs in ein neues Leben. Ich habe Angst und fühle mich überfordert. Bitte sei da für mich und schenk mir Ruhe und Gelassenheit, Vertrauen, Zuversicht und Halt. Lass mich in meiner Not bitte nicht allein.“ Bei diesen Worten kam mir spontan die Schöpfungserzählung vom Buch Genesis in den Sinn. Hier wird in sieben „kreativen“ Schritten (Tagen) erzählt, wie der Mensch lebendig wird.

Im Anfang der Erzählung scheint alles wüst und öde im Chaos zu liegen. Von Abgründen, die sich auftun, von Urtiefen und Finsternis wird gesprochen. Wenn dunkle Fluten der Krankheit hereinbrechen, kennen viele Kranke diese Abgründe, diese Ängste, die sich da auftun können. Und wäre da nicht der Geist-Gottes, wäre nicht dieses Wort – Es werde Licht! -, das in diese dunklen Fluten hineingerufen wird, die Angst könnte einem den Atem nehmen. Ein erster Schritt der Krankenhausseelsorge: diesem Licht, Raum zu verschaffen und Lichtblicke in das Dunkel zu bringen. Dort wo möglich, Klarheit und Ordnung ins Chaos zu bringen.

Ein zweiter Schritt kann sein, die Fluten der Angst und Trauer zu öffnen, das Schwere begehbar zu machen, Begegnungs- und Hoffnungsräume zu schaffen in denen man aufatmen kann. Luft holen in den Fluten von Krankheit und Leid. Am dritten Tag der Erzählung entsteht fester Boden und Pflanzen, die als Nahrung dienen. So versucht die Seelsorge den Menschen festen Boden unter den Füßen zu geben. Zu schauen, wo es Ressourcen gibt, die auch in schwierigen Situationen tragen und nähren können.

Am Tag vier der Geschichte wird die kosmische Zeit in eine rituelle Zeit gewandelt (Sonne, Mond und Sterne dienen als Zeichen für Feste und Feiern). Ein wichtiger Schritt in der Seelsorge: sie bietet den Menschen an, ihre jeweiligen Lebenssituationen mit dem Heiligen in Verbindung zu bringen. Über Zeichen, Symbole, Riten, Feste und Feiern soll der Mensch erfahren, auch wenn die Kräfte und Gesetze des Kosmos ihm den Atem rauben, dass seine Krankheit und sein Leid ihn nicht von Gott trennen können. Des Menschen Urbild Christus hat selbst erfahren, wie seine Lebenspläne von diesen Kräften durchkreuzt und gebrochen wurden. Doch in seiner Verbundenheit mit Gott erfuhr er letztlich über den Tod hinaus „kreative“ Ver-Wandlung.

Der fünfte Schritt begleitet die Prozesse der Veränderung. Gerade wenn im Meer der Krankheit das Herz wie Wasser zerfließt und in der Tiefe unseres Bewusstseins die Gefühle zu wimmeln beginnen, versucht Seelsorge den Himmel offen zu halten und die Erfahrung zu stützen, dass es im inneren spirituellen Raum auch die Weite – die „Vögel des Himmels“, die guten Mächte gibt. Kraftquellen, welche in schwerer Zeit der Seele Flügel verleihen.

Dennoch, es gibt immer wieder die Erfahrung am Boden zu liegen. Mutlosigkeit und die Versuchung sich selbst und das Menschsein auf die biologische (tierische) Ebene zu reduzieren. Seelsorge steht dafür ein, dass der Mensch nicht bloß eine Nummer, eine Diagnose oder medizinischer Fall ist. Sie hilft mit, im Alltag und bei ethischen Entscheidungen der Würde und Achtung vor dem Mensch-Sein Raum zu verschaffen. Egal was Krankheit und Leid mit uns macht: wir bleiben Abbild Gottes.

Wenn es gelingt, mit Menschen in ihrem Leid „kreativ“ zu sein, dann kann geschenkt werden, was die Frau in ihrem Gebet formuliert hat: sei da für mich und schenk mir Ruhe und Gelassenheit, Vertrauen, Zuversicht und Halt. Ein Stückweit wohl eine Erfahrung des Sabbats, des siebten Tages.

Solche Erfahrungen möchte ich auch den beiden neuen Seelsorgerinnen im LKH Bregenz, Sr. Clara Mair und Fr. Anita Kustermann wünschen. Für ihr Wirken eine „kreative“ Zeit.