Der Sommer hat Einzug gehalten, die Temperaturen steigen und das Leben erfährt eine lang ersehnte Leichtigkeit.

Auch ich freue mich darauf, mehr Zeit im Freien zu verbringen und ganz besonders freue ich mich auf das Schwimmen. Ob im Bodensee, beim nahen Weiher oder im Freibad: Ich liebe es die Kraft der Wellen zu spüren oder mich treiben zu lassen: eintauchen! So wie wir in Wasser eintauchen können, können wir aber auch in Klänge eintauchen und uns in diesen hingeben. Wie mit dem Wasser können wir eins werden mit den Klängen, die wie Wellen dahin fließen, sich aufbäumen, uns berauschen, anschwellen und leise verebben. Man kann das Eintauchen in Klänge als aktiven Prozess gestalten oder als ein pures „sich hingeben“ und „loslassen“. Unter Klängen verstehe ich in erster Linie die Musik und für mich ist es meistens das aktive Eintauchen in diese.

Als Dirigent, Chorleiter und Musikpädagoge ist die Musik mein berufliches Betätigungsfeld und meine große Liebe. Musik ist Klang und berührt uns Menschen in vielfältiger Art und Weise. Es ist vor allem der Klang des menschlichen Gesangs, der uns unmittelbar und direkt anrührt. Singen ist für mich ein zutiefst menschliches und ursprüngliches Bedürfnis. Dem Singen wird seit jeher große Kraft zugemessen und es kann uns Menschen schon im frühesten Stadium der Entwicklung positiv beeinflussen. Es muss sicher nicht mehr bewiesen werden, wie der mütterliche Gesang das Neugeborene beruhigt und ihm das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gibt. Immer wenn der Mensch auf der Suche nach dem Göttlichen war oder in kultischen Handlungen dem Göttlichen seinen Dank oder seine Bitte zum Ausdruck bringen wollte, hat er gesungen.

 Das Singen in der Gemeinschaft, in Chören und Vereinen bringt zusätzlich einen starken sozialen Aspekt mit sich. Menschen finden zusammen mit dem Wunsch, gemeinsam zu singen und zu musizieren. Es wird geprobt und das Ziel ist eine gelungene Aufführung. Diese Energie des gegenseitigen Austauschs darf ich in meiner Arbeit als Chorleiter immer wieder spüren und sie beglückt mich immer wieder aufs Neue. Durch die pandemiebedingten Einschränkungen mussten die Chorleiter:innen und die Sänger:innen in den Chören in den letzten beiden Jahren große Herausforderungen bewältigen und diese Zeit ist nicht spurlos an der Chorszene vorbeigegangen. Es herrscht nun wieder Aufbruchstimmung und man schaut optimistisch in die Zukunft.

 Wann haben Sie das letzte Mal gesungen? Ich singe für mein Leben gern. Probieren sie es doch einfach auch einmal wieder aus. Vielleicht ganz ungezwungen früh morgens unter der Dusche, in der Familie zu einem Geburtstag, mit ihren Kindern im Spiel und zum Zeitvertreib oder im Rahmen des Gottesdienstes in einem schönen Kirchenraum. Am besten aber Sie probieren einmal das vorher beschriebene Singen in der Gemeinschaft aus. Schnuppern sie doch einmal in einen Chor hinein. Wir haben in Vorarlberg ein vielfältiges Angebot an Chören mit jeweils spezifischen Profilen, die sich sicher über interessierte Sängerinnen und Sänger freuen. In diesem Zusammenhang können auch die heuer wieder stattfindenden „Tage der Kirchenmusik“ in Batschuns eine Möglichkeit sein, das Singen in einem Chor auszuprobieren. Ergänzt durch individuelle Stimmbildungsangebote und interessante Seminare.

Ebenso wichtig wie der Klang ist für mich die Stille. Ohne Stille verliert der Klang seine Wirkung und seinen Einfluss. Jeder von uns kennt das Bedürfnis nach innerer und äußerer Ruhe. Unser Alltag überflutet uns mit akkustischen Reizen gegen die wir uns oft nicht wehren können. Dazu gehören die unterschiedlichsten Geräusche, meist Lärm, aber auch Musik in all ihren Formen und Stilen ist ständig verfügbar und strömt meist unreflektiert auf uns ein. Musik wird durch ihre ständige Verfügbarkeit durch die Medien zur völligen Nebensache degradiert und meist unreflektiert konsumiert. Darum muss immer wieder ein „Abschalten“ stattfinden. Wir müssen der Stille wieder ihren Platz in unserem Leben schaffen. Wir können diese Ruhe in der Natur oder aber in spezifischen Räumen suchen. Ich genieße immer wieder die Möglichkeit, Stille und Ruhe in leeren Kirchenräumen außerhalb des Gottesdienstes zu finden, um dann dort in die Stille einzutauchen.

 In meinem Verständnis als Musiker kann nur aus der Stille heraus Klang entstehen. Nur so kann die Musik ihren künstlerischen Wert behalten oder wieder erlangen. Vor dem Beginn einer Musik braucht es den Moment der Konzentration, dafür braucht es Ruhe und Stille. Am Ende entfaltet die verklungene Musik im Innehalten, in der aufmerksamen Stille, im Nachklang ihre Wirkung. Die Worte Eintauchen, Klang und Stille sind eng mit meinem Tun und Wirken verbunden. Sie beschäftingen mich privat und beruflich immer wieder und regen mich zum Nachdenken an. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in unbeschwerte Sommertage eintauchen, Stille genießen und Klang erleben können.

 Mag. Benjamin Lack, Domkapellmeister an St. Nikolaus, Feldkirch