„Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn!“ So haben die Menschen Jesus beim Einzug in Jerusalem zugejubelt. Doch dann kippt die Stimmung. Als Jesus verhaftet wird und Pontius Pilatus die Menge fragt, was er mit Jesus machen soll, ist die lautstarke Antwort: „Ans Kreuz mit ihm!“

Was ist da passiert? Waren es vielleicht nicht dieselben Leute, die gejubelt und die Jesu Tod gefordert haben? Waren es vielleicht ganz unterschiedliche Gruppierungen?

Wenn ich mir das Geschehen in unserer Welt in den letzten Jahren so ansehe, dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass es dieselben Menschen waren. Die große Hoffnung auf das Königtum Jesu hat die Menschen beim Einzug in Jerusalem jubeln lassen. Doch sie wurden enttäuscht. Jesus hat nicht die Herrschaft an sich gerissen, hat nicht die Tyrannei der Römer beendet und damit dem Volk Israel ein besseres Leben ermöglicht, nein, er wurde verhaftet.

Auch in unserer Zeit führt Enttäuschung dazu, dass die Ansichten der Menschen kippen und radikal ins Gegenteil umschwenken. Wie viel Hilfsbereitschaft, wie viel Zusammenhalt haben wir am Anfang der Pandemie in unserer Gesellschaft erlebt. Und wie gewalttätig war später so manche Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen. Auch das waren teilweise dieselben Menschen, die aus Enttäuschung und Ohnmacht ihre Ansichten ins Gegenteil verkehrt haben. Die Schuldige, Sündenböcke für die unerträgliche Situation eines Lebens in der Pandemie gesucht haben.

Jetzt erleben wir wieder viel Hilfsbereitschaft und Solidarität mit den Menschen, die aus der Ukraine fliehen müssen. Was wird daraus werden, was werden wir da in ein, zwei Jahren erleben? Hoffentlich werden diese Haltungen diesmal andauern, hoffentlich werden Einigkeit und Nächstenliebe die Oberhand behalten, hoffentlich wird diesmal keine „Ans-Kreuz-mit-ihm-Stimmung“ daraus!

Elisabeth Schubert