Gedanken zum Ostersonntag von Pfarrer Manfred Fink.

Das Evangelium des Ostersonntags (Joh 20,1-18) erzählt im wörtlichen Sinne von zwei an-sprechenden Begegnungen: Maria aus Magdala geht am ersten Tag der Woche frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sieht, dass der Stein weggewälzt ist. Sie meint, dass Jesus aus dem Grab weggenommen wurde. Maria weint und beugt sich in die Grabkammer hinein. Und dabei geschieht die erste an-sprechende Begegnung. Zwei Engel sprechen zu ihr: „Frau, warum weinst du?“ Maria in ihrer Trauer gibt zu verstehen, dass der Herr weggenommen wurde. Und gleich darauf ereignet sich eine weitere an-sprechende Begegnung. Maria wendet den Blick vom Grab ab und meint den Gärtner zu erkennen. Dieser fragt sie: „Frau, warum weinst du? Wen suchst du?“. Und da darf sie dann weiter hören: „Maria!“ Ja, sie hört richtig. Sie wird an-gesprochen. Sie ist gemeint! Sie wird beim Namen genannt! Und da gehen ihre Augen auf. Sie erkennt den Herrn – Jesus. Sie nimmt ihren Mut zusammen und spricht ihn an: „Meister!“ Diese an-sprechende Begegnung lässt in Maria die Trauer weichen und sie fasst neuen Mut. Wie verwandelt verlässt Maria von Magdala den Ort des Todes und eilt zu den Jüngern und erzählt von ihrem Erlebnis.

Diese Ostererzählung gibt mir zu verstehen:
Vieles ist meinen Augen verborgen, wenn der klare Blick getrübt ist durch die Tränen der Trauer und den Schleier der Hoffnungslosigkeit. Um so hilfreicher ist dann ein Wort, das mich aufhorchen lässt und mich herausruft aus einer so undurchsichtigen Situation. Ich werde angesprochen, ich darf meinen Namen hören. Meine Augen nehmen ein Gegenüber in den Blick, dessen Stimme mir vertraut ist und das mich kennt. Das lässt aufhorchen, aufblicken, weiter blicken. Da kommt gemeinsam Erlebtes in den Sinn und schafft Zutrauen, ja es weckt Hoffnung und Zuversicht. Scheinbar zu Ende Gegangenes und Erstarrtes wird wieder lebendig. Darin geschieht Wandlung von der augenblicklichen Dunkelheit in ein strahlendes Licht. Und das lässt mich dann auch die nächsten Schritte wagen.

Diese Zeit der Pandemie bedeutete und bedeutet immer noch für viele Menschen Unsicherheit und Bedrohung. Manches von dem, was das Leben in privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen so lebenswert und schön macht, ist seit Monaten gefährdet oder gar zu Ende gekommen. Es fällt schwer, so vieles nicht tun zu können und zum Leben Distanz halten zu müssen. Aber gerade da durfte ich immer wieder erleben, dass in allem Abstand halten und im Beachten der Regeln es immer wieder erleichternd war, angesprochen zu werden von Menschen, mit denen ich Abschnitte des Lebens teilte und unterwegs bin. In solchen Zeiten, in denen ein Händeschütteln, ein Umarmen oder in den Arm nehmen, ein Halten und Stützen nicht möglich sind, tut es gut, vertraute Stimmen zu hören und darin Nähe, Geborgenheit und auch Halt zu erfahren. Im Blick auf Maria aus Magdala wird mir bewusst, dass sie den Auferstandenen auch nicht halten und sich nicht an ihm festmachen kann, wenn er zu ihr sagt: „Halte mich nicht fest!“ Maria genügt es, sich an-sprechen zu lassen, ihren Namen zu hören und dadurch eine neue und hoffnungsvolle Sicht zu erlangen. Wir dürfen weinen wie Maria. Wir dürfen nach Halt und Gewissheit suchen wie sie. Wir dürfen uns auch beim Namen an-gesprochen wissen von Menschen, die unser Leben bereichern und schließlich vom auferstandenen Jesus an-gesprochen wissen.

Ich lade Sie ein zu lauschen, damit Sie Ihren Namen hören, den Jesus immer wieder ausspricht. Mögen Sie Ostern als eine Zeit erleben, die das Erstarrte und Tote in Ihnen und in dieser Welt mit Leben erfüllt – auch wenn dieses noch zerbrechlich und gefährdet ist. Aber schließlich nimmt Gott in der großen Wandlung unser Leben hinein in sein göttliches Leben.

Ich wünsche Ihnen an-sprechende Begegnungen, die Sie Ostern hören und erleben lassen. Lassen Sie sich wandeln, Hoffnung und Freude mögen Sie erfüllen am Fest des Lebens und darüber hinaus!

Gesegnete Festtage und Gott behüte Sie!

Mag. Manfred Fink
Moderator im Seelsorgeraum Katholische Kirche in Bregenz