Pastoralamtsleiter Dr. Walter Schmolly verbindet mit den konkreten Neuerungen der Kirche in Bregenz eine Reihe von Hoffnungen.

Anfangen eine Kunst


Vor wenigen Tagen haben wir den Fuß ans Ufer eines neuen Jahres gesetzt. Das Gefühl dieses jährlich wiederkehrenden Anfangens steckt noch frisch in uns. Und damit auch das Wissen, dass Anfangen eine Kunst ist. Das heißt ein Üben, Können und Planen, aber auch  ein unverfügbarer kreativer Prozess, den man gewähren lassen muss. Nicht nur das gute Ende ist eine Kunst, auch das gute Anfangen. Die „ars moriendi“ hat die „ars incipiendi“ als ihre Schwester.
In einer längeren Vorbereitungs- und Planungsphase hat die Katholische Kirche in Bregenz sich in diese Kunst des Anfangens eingeübt. Und Schritt für Schritt treten nun Anfänge ans Licht: ein Haus der Kirche in der Rathausstraße, eine stadtweit abgestimmte Gottesdienstordnung, die Teamarbeit der Priester und der hauptamtlichen MitarbeiterInnen, die engere Zusammenarbeit der Pfarren, Klöster, Caritas- und aller anderen kirchlichen Einrichtungen in dem einen großen Netzwerk „Katholische Kirche in Bregenz“. Natürlich auch neue Initiativen in der Jugendarbeit und in anderen Bereichen. Und nicht zu vergessen die Neugestaltung des Pfarrblattes, dem Sie gerade Ihre Aufmerksamkeit schenken.
Nicht als ob alles anders werden müsste. Das nicht. Aber das Leben in einer Stadt wie Bregenz hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu sehr verändert, als dass alles gleich bleiben dürfte. Gott ist Gegenwart. Es zählt das Heute. Und dieses Heute eröffnet der Kirche in Bregenz die Chance für einen Schritt nach vorne, der nun in mehreren kleineren und größeren Anfängen eingeholt wird.

ein Empfangen

Vom Anfang aller Anfänge, dem Schöpfungsmorgen, heißt es in unserer Heiligen Schrift: „Im Anfang schuf Gott“. So wurde im Tohuwabohu Schritt für Schritt geordnete Lebendigkeit. Dieser erste Satz der Bibel meint nicht weniger, als dass jeder wirkliche Anfang in der Geschichte eine Schöpfung ist, ein Wunder, ein Geschenk. Anfänge werden nicht so sehr gemacht, Anfänge werden empfangen. Wie viel muss sich doch fügen, dass in den Knäueln der Veränderung ein Anfang werden kann. Wie viele unverfügbare Freiheitsmomente müssen sich bereitwillig verbinden, dass die vielen Gestaltungsimpulse zu einer gemeinsamen und wahrnehmbaren Gestalt zusammenfinden.
Anfangen ist schöpferisches Empfangen. Das gilt für jeden Anfang und ganz besonders für Anfänge im Bereich des Religiösen. Mit Blick auf kirchliche Bemühungen in den Städten sagte Papst Franziskus das kürzlich so: „Wir müssen die Stadt von einer kontemplativen Sicht her, das heißt mit einem Blick des Glaubens erkennen, der jenen Gott entdeckt, der in ihren Häusern, auf ihren Straßen und auf ihren Plätzen wohnt. … Gott lebt unter den Bürgern und fördert die Solidarität, die Brü-derlichkeit und das Verlangen nach dem Guten, nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Diese Gegen¬wart muss nicht hergestellt, sondern entdeckt, enthüllt werden.“ (EG 71) Das Anfangen ist ein Entdecken, Enthüllen und Empfangen.
Deshalb wohnt dem Anfangen auch immer die Dankbarkeit inne. Allen, die sich in die schöpferische Bewegung des Anfangens in der Kirche in Bregenz hineinnehmen haben lassen, die ihre Zeit, ihre Energie, ihre Ideen und Talente, auch ihren Widerspruch eingebracht haben, sei ein großes und herzliches Danke gesagt.

eine Sache des Vertrauens

Im Anfangen liegt Vertrauen. Wer einen Anfang wagt, setzt damit ein Zeichen des Vertrauens, pflanzt ein Bäumchen der Hoffnung.
Für das kirchliche Anfangen in unserer Zeit tiefgreifender Veränderung ist es zuallererst das Vertrauen, dass Jesus Christus und seine Botschaft auch heute noch eine Kraft, eine „dynamis“ ist, die Menschen berührt und verwandelt und Gutes in die Welt bringt.
Darüber hinaus verbindet sich mit den konkreten Neuerungen der Kirche in Bregenz eine Reihe von Hoffnungen: die Zuversicht, dass durch das Haus der Kirche in der Rathausstraße am Rande des neu gestalteten Kornmarktplatzes die Kirche offener und gastfreundlicher in der Stadt zugegen ist; das Vertrauen, dass das vernetzte Arbeiten zunehmend zu sich ergänzenden Schwerpunktsetzungen in den Pfarren führt, sodass das kirchliche Leben vielfältiger und bunter und damit anschlussfähiger wird für die unterschiedlichen Erwartungen der Menschen; die Hoffnung, dass es gelingen wird für viele Menschen einen attraktiven Rahmen für ihr Engagement zu schaffen usw.

„Sehr her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?“, lässt Gott seinen Propheten verkünden (Jes 31,19). Möge uns der wache Blick für die Anfänge bleiben und auch der Mut, uns von ihnen immer wieder dorthin mitnehmen zu lassen, wo das Leben schöpferisch pulsiert!

Walter Schmolly
Leiter des Pastoralamtes der Katholischen Kirche Vorarlberg