P. Martin Werlen OSB teilt seine Gedanken zum Fronleichnam mit.

St. Gerold: Fronleichnam 2021

Liebe Schwestern und Brüder. Heute möchte ich euch mal ganz gehörig überraschen. Übrigens: Das gehört zu unserer Gottesbeziehung. Wer Gott sucht und Gott begegnet, wird immer wieder überrascht.

Die meisten Getauften in unseren Breitengraden, die das Wort «Fronleichnam» hören, denken an eine Prozession – durch die Straßen und Gassen einer Stadt oder eines Dorfes. Hier in St. Gerold gibt es das schon lange nicht mehr. Die älteren Semester können sich aber wohl noch daran erinnern. Fronleichnam feiern ohne Prozession: Das gibt es doch nicht! Heute wollen wir wieder einmal eine Prozession machen. Eine richtig große und feierliche Prozession. Ich bin dankbar, dass auch der Musikverein St. Gerold dabei ist. Zur Prozession werden wir mit allen Glocken läuten. Wahrscheinlich bekommen jetzt einige schon kalte Füße: Aber jetzt nicht wieder das fromme Getue einführen! Andere beginnen zu strahlen: Sie trauern der Zeit schon lange nach, in der man auch hier in St. Gerold an Fronleichnam eine Prozession machte. Wie auch immer: Heute machen wir eine Fronleichnamsprozession, auch wenn ich das mit P. Christoph, dem Pfarrer, nicht abgesprochen habe. Ich werde ihm nachher davon erzählen. Er wird bestimmt nichts dagegen haben.

Warum wir eine Prozession machen? Weil bei einer Prozession vieles zum Ausdruck kommt, das wesentlich zu unserem Glauben gehört:

1. Nach draußen gehen

«Geht hinaus in alle Welt!» Diesen Auftrag hat Jesus uns gegeben und gibt er uns jeden Tag – «Geht hinaus!» – bis an die Ränder der Welt, die Ränder der Gesellschaft, die Ränder der Kirche. Papst Franziskus sagt dazu mit markanten Worten und Bildern: «Ich bin davon überzeugt, dass in der aktuellen Zeit die fundamentale Entscheidung der Kirche darin besteht, … auf die Straße zu gehen, um die Leute zu suchen. … Dabei können Unfälle passieren, aber eine verunglückte Kirche ist mir tausendmal lieber als eine, die von der verdorbenen Luft in ihrem Zimmer krank wird … Wohnzimmer-Christen bringen die Kirche nicht weiter!» Also: Nach draußen gehen. Zeigen, dass der Glaube uns befreit und aufatmen lässt.

Eine Kirche, die die befreiende Botschaft Jesu verkünden will, aber selbst nicht nach draußen geht – das wäre ein Widerspruch in sich.

2. Fortschritte machen

Eine Kirche, die stehen bleibt, ist nicht die Kirche Jesu Christi. Die Versuchung stehenzubleiben, ist groß. Das wissen wir alle. Aber ein Glaube, der nicht immer wächst, ist kein Glaube.

Darum ist es wichtig, dass wir eine Prozession machen. Das lateinische Wort «Prozession» kommt von procedere – und das heißt wörtlich übersetzt «vorwärtsgehen, fortschreiten».

Fortschritte machen – das zeigt, dass wir als Volk Gottes auf dem Weg durch die Zeit sind, dass wir uns erneuern und verändern wollen.

Eine Kirche, die Prozessionen macht, aber sonst auf der Stelle stehen bleibt und keinen Fortschritt macht – das wäre ein Widerspruch in sich.

3. Christus hochhalten

Wenn wir die Hostie in die Monstranz einsetzen und die Monstranz hochhalten, dann machen wir deutlich: Jesus ist uns heilig. Ja mehr noch: Er ist das «Allerheiligste». Ohne ihn wollen wir nicht leben. Ohne sein tröstendes, ermutigendes und provozierendes Wort.

Wir wollen Christus hochhalten, ihn in den Mittelpunkt stellen – und nicht etwa uns selbst. Das ist hier vorne im Bild von Ferdinand Gehr unübersehbar dargestellt.

Eine Kirche, die das Allerheiligste durch die Straßen trägt, aber sonst immer mit sich selbst beschäftigt ist – das wäre ein Widerspruch in sich.

Warum wir heute eine Prozession machen: Weil die Kirche berufen ist, nach draußen zu gehen, Fortschritte zu machen und Christus hochzuhalten.

Damit die Prozession im Anschluss an diesen Gottesdienst auch klappt, hier noch einige praktische Anweisungen:

  1. Zur Prozession läuten alle Glocken.
  2. Der Weg, den wir wählen, ist der Weg zurück in unseren Alltag. Selbstverständlich ist auch die Musikgesellschaft dabei: Alle Mitglieder dürfen in ihrem Alltag die Melodie Gottes, der mit uns auf dem Weg ist, erklingen lassen.
  3. Die Monstranz sind wir selbst, die wir Jesus Christus in dieser Feier in seinem Wort und im Sakrament der Eucharistie empfangen haben. So bekommt die Gegenwart Christi in uns Getauften Hand und Fuß. Auch das ist im Bild von Ferdinand Gehr treffend dargestellt. Christus hat keine Hände und Füße. Er will mit unseren Händen und Füssen wirken.
  4. Wenn uns heute jemand fragt, warum die Glocken um 10.45 Uhr geläutet haben, erzählen wir ihnen, dass wir als Kirche berufen sind, hinaus zu gehen, Fortschritte zu machen und Christus hochzuhalten.

Fronleichnam ohne Prozession wäre nicht Fronleichnam. Wagen wir es doch heute, unseren Weggang von diesem Gottesdienst als Prozession zu gestalten: nach draußen gehen, mit der ganzen Kirche Wege zu den Menschen heute suchen, besonders zu den Menschen, die unter die Räuber unserer Zeit geraten und Christus zu den Menschen tragen, denen wir begegnen.

Wenn diese Prozession in unseren Alltag gelingt, dann ist wirklich Fronleichnam!

P. Martin Werlen OSB

Hier finden Sie Fotos zur Fronleichnamsprozession der Stadtpfarren Bludenz 2021