Bericht vom Studientag mit Univ. Prof. Willibald Sandler aus Innsbruck.

Walter Greußing

„Ihr Gegenüber im Bus oder im Zug eröffnet Ihnen: ,Gestern hat Gott zu mir gesprochen.’ – Was denken Sie sich dann?“

Ein Ungläubiger vielleicht: „Der oder die hört Stimmen? Ein klarer Fall für den Psychiater!“  Demgegenüber pointierte Univ. Prof. Willibald Sandler die Antwort eines Christen: „Das ist ganz normal. Seltsam wäre nur, wenn er oder sie gesagt hätte: Gestern hat Gott nicht zu mir gesprochen.“ 

Prof. Dr. Willibald SandlerWillibald Sandler
ist Universitätsprofessor für Dogmatik
an der Universität Innsbruck .

„Gottes Stimme hören“ war das Thema des Dogmatikprofessors der Universität Innsbruck beim Studientag der Charismatischen Erneuerung Vorarlberg und der christlichen Buchhandlung Arche in Zusammenarbeit mit dem KBW Vorarlberg am 19. Oktober im Marianum in Bregenz. „Gott geht eine personale Beziehung mit jedem Menschen ein“, betonte der Referent. Wenn die Beziehung bzw. die Kommunikation aber nicht klappt, liegt es an uns. Denn Gottes Wesen ist Liebe, er hat uns aus Liebe erschaffen und liebt uns. Außerdem ist die ganze Schöpfung maßgeschneidert dafür, dass wir mit Gott kommunizieren können, dass wir seine Gegenwart erfahren. Zu beachten gilt es, dass „Gottes Stimme hören“ eine Metapher, eine bildliche Redewendung, ist. Gott kann uns auf tausend Arten „ansprechen“, uns begegnen, sich erfahrbar machen. Nötigenfalls sogar durch ein Wunder.

Zuerst sich lieben lassen
Woran liegt es dann, dass Gottes Stimme so selten oder so unklar zu vernehmen ist? Professor Sandler verwies auf Freunde oder Liebende, die sich austauschen, sich füreinander öffnen, einander zuhören. Doch: „Gott wird eine Bedrohung, wenn er nicht mehr die überfließende Liebe ist.“ Dann kann ich kein Ja zu Gott sprechen, seiner Liebe nicht antworten. Dann hilft nur noch eine nicht machbare Erfahrung der Gnade, durch die die Erlösung konkret erfahrbar wird. Jesus tritt für uns ein, dieses Ja zu sprechen, und der Heilige Geist öffnet uns den Zugang zum Vater. Unser Beitrag dazu: Ich gebe Gott die Möglichkeit mich so zu lieben, dass ich es erfahre.

Gott eine Chance geben
Es braucht also ein Grundvertrauen, dass Gott es mit mir gut meint, dass er mich bedingungslos bejaht. Dann können wir eine Lebensgrundhaltung des Hörens entwickeln und wie Salomon bitten: „Schenke mir ein hörendes Herz.“ Dabei geht es nicht darum, von Gott Informationen zu bekommen, sondern um die Vertiefung der Beziehung zu ihm. Beziehungen wollen gepflegt sein und deshalb wird es erforderlich sein, für Gott eine Zeit und einen Raum „frei zu schaufeln“, in der wir für Gott erreichbar und ansprechbar sind. Nur für Gott. Und wir verzichten darauf, Gott festzulegen, zu welchem Thema oder welcher Frage er etwas sagen darf. Und auch darauf, dass er jetzt und sofort antworten muss. Zu prüfen ist ferner, ob wir Gottes Stimme deshalb nicht hören, weil er nichts Neues zu sagen hat. Weil er bereits gesprochen hat, wir aber nicht hören wollten. Nicht nur im Alten Testament bedeutet das viel zu oft: Wir wollten nicht gehorchen. Hören und das Gehörte befolgen, wenn es denn ein Auftrag war, gehören aber untrennbar zusammen. Ohne Gehorsam werden wir geistlich nicht wachsen.

Hingabe und Achtsamkeit
Gerade als Begründer und Leiter des Innsbrucker Gebetshauses „Die Weide“ empfiehlt Prof. Willibald Sandler ein Gebet in der Art: „Gott, ich übergebe dir mein ganzes Leben. Ich bitte dich, mich zu führen. Und wenn du mir etwas ganz deutlich zu verstehen gibst, was ich tun oder lassen soll, dann werde ich es tun.“ Außerdem legte der Professor nahe, stets wachsam  auf Impulse des Heiligen Geistes zu achten. Schließlich wird unser Gehör auch geschult, wenn wir uns darin einüben, Gott in allen Dingen zu finden.

Ansteckender Vortrag
Für seine anregenden Ausführungen, veranschaulicht mit persönlichen Erfahrungen aus der „Weide“, dankten die 71 Teilnehmer/innen dem Referenten mit einem Applaus, der hörbar mehr war als ein Akt der Höflichkeit. „Ein Vortragender, der selber so brennt, wirkt einfach ansteckend und weckt die Freude am Hören auf Gott und an einer entsprechend achtsamen Lebenshaltung“, stellte eine begeisterte Teilnehmerin fest.

(aus KirchenBlatt Nr. 45 vom 7. November 2013)