Als Koordinatorin der ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und Begleiter in der Region Götzis sorgt Irmtraud Heinzle dafür, dass jeder, der in einem Trauerfall Unterstützung braucht, genau die bekommt, die demjenigen am meisten hilft. Das kann das berühmte offene Ohr sein, eine Wanderung mit anderen Trauerenden – oder ein Besuch im Café.

Frau Heinzle, Sie arbeiten als Koordinatorin der ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und -begleiter. Was ist Ihre Aufgabe, wenn Sie in Ihrer Funktion mit einem Todesfall konfrontiert werden?

Irmtraud HeinzleFür mich ist das Allerwichtigste: Es gibt kein Rezept. Jede Trauer hat ihren eigenen riesigen Schmerz – es gibt keine Trauer, die größer ist als die desjenigen, der mir gegenüber sitzt – egal, ob deren Tochter gestorben ist oder der 82-jährige Papa. Und ganz wichtig ist auch, dass man den Menschen vermittelt, dass man sie ernst nimmt und niemand kommt und sagt: „Mei, tu ned so, der isch 82ge gsi, er hats's Leaba gleabt, sei dankbar, er war gesund“ – das nützt mir in dem Moment der Trauer nichts.

Sondern?

Die Trauer ist ein unwahrscheinliches Wechselbad der Gefühle. Es kommt und geht. Aber: Der Schmerz kommt irgendwann weniger stark und er bleibt weniger lang.

Was empfinden Sie in dieser Arbeit als besonders zentral – ist es diese Einzelfallbetrachtung?

Ja, auf jeden Fall. Weil jede Trauer ist anders und jede Trauerbegleitung ist anders. Auch der Unterschied Männer/ Frauen ist extrem. Ich habe schon das Gefühl, dass Frauen viel mehr darüber reden möchten und können und es jedem erzählen und es ein Stück weit auch so verarbeiten. Und die Männer… also, ich kenne welche, da trau‘ mich zu sagen: Die haben nicht viel reden müssen. Die arbeiten, bauen das Haus um, machen Sport… Ich denke, es hat alles seine Berechtigung. Wo’s kritisch wird, ist, wenn die Leute nicht mehr herauskommen. Wenn sie wirklich die Sonne nicht mehr sehen, wenn sie die Vögel nicht mehr hören – da müssen wir uns dann fragen: Braucht es jetzt eher eine psychologische Betreuung?

Wie gehen Sie damit um?

Für mich als Koordinatorin ist es wichtig, dass ich Kontakt mit den Trauernden habe: Ich brauche ein Bild. Beim Erstkontakt nehme ich die Ehrenamtlichen zwar oft gleich schon mit und verabschiede mich nach einer halben Stunde wieder. Aber später rufe ich dann an und frage: „Wie geht’s, wie ist die Begleitung mit den Ehrenamtlichen?“ Es kann ja auch sein, dass die Chemie einfach nicht stimmt. Und genauso bin ich in Kontakt mit den Ehrenamtlichen.

Ist die Nachfrage für so eine Begleitung da oder müssen Sie, wenn Sie von einem Trauerfall wissen, auf die Menschen zugehen?

Nein, das tun wir nicht. Einige Pfarren schicken den Angehörigen nach einer Beerdigung Informationsmaterial über die verschiedenen Angebote vom Hospiz Vorarlberg wie zum Beispiel unsere Trauercafés. Ich mache es ähnlich und sage den Menschen: „Wenn Sie etwas brauchen –eine Einzelbegleitung, ein Besuch im Trauercafé, Teilnahme an der Trauergruppe – melden Sie sich.“ Wir arbeiten nach dem Prinzip: Alles kann, nichts muss. Von einer jungen Frau bekam ich einmal das Feedback, dass das für sie das Beste war an der Trauerbegleitung durch uns: Dass sie nie „musste“, sondern alles „durfte“ – auch lachen.

Haben Sie den Eindruck, dass sich der Umgang mit den Themen Sterben, Tod und Trauer im Laufe Ihrer Berufslaufbahn verändert hat?

Ja, es hat sich sicher verändert. Es ist kein Tabuthema mehr, man redet darüber. Und das ist absolut wichtig – schließlich gehört es zum Leben dazu! Ich erschrecke immer, wenn ich mit Menschen zu tun habe, die das alles weit von sich weisen. Aber wenn ich mir vorstelle, wo die Hospizarbeit stand, als ich angefangen habe, mich zu engagieren… da gab es weder eine Trauergruppe, noch eine Trauerbegleitung in dem Sinn… da hat sich Gott sei Dank schon wirklich viel getan.

Gibt es trotzdem etwas, dass Sie sich wünschen würden – für die Zukunft Ihrer eigenen Arbeit, aber auch für die Gesellschaft im Umgang mit diesen Themen?

Ich würde mir schon wünschen, dass die Menschen doch noch offener mit dem Thema umgehen, und sich auch mehr mit dem Thema auseinandersetzen. Ich sage es oft zu meinen Kindern: Es ist nicht alles selbstverständlich. Man denkt so oft: „Mei, wenn mir das passieren würde!“ Aber genau das ist der Punkt – wir sind nicht gefeit davor!

Interview: Charlotte Schrimpff