Impulse zur Gestaltung von "Exerzitien im Alltag" und anderer Exerzitienformen anhand der Broschüre "Die Sonne geht über allen auf".

Agnes Juen

Was Menschen in den biblischen Erzählungen erfahren haben, kann anregen, den Spuren des Lebens mit all seinen Licht- und Schattenseiten nachzugehen. Dieser Praxisteil ist eine Einladung, sich mit fünf Impulsen zum Buch Jona auf einen spirituellen Weg zu machen. Der Bibeltext mit dem hier abgedruckten Kommentar sowie den Fragen und Ritualen können als Exerzitien im Alltag dienen.

Die Worte des Jona-Buches als inhaltliche Impulse für einen Exerzitienprozess

Die Jona-Geschichte, in der Gott allen Menschen seine bedingungslose Barmherzigkeit schenkt, ist der Ausgangspunkt dieses Exerzitienwegs. Jonas ergreifende Lebensgeschichte mit einer Fülle an Bildern und Symbolen führt uns zur Frage der Toleranz und Akzeptanz gegenüber Andersgläubigen, die es in Israel zu allen Zeiten gab, besonders aufgrund der Erfahrung des Babylonischen Exils. Interessanterweise ist Jona sowohl im Judentum als auch im Islam und im Christentum eine Symbolgestalt für den Weg durch den Tod zu neuem Leben.

Hinter dem ironischen Ton im Jonabuch wird eine spirituelle Orientierung gegeben: Gott sorgt sich um jeden Menschen dieser Erde. Sein Erbarmen gilt selbst den Feinden Israels, symbolisiert in den Niniviten. Der Gott der Liebe übersteigt menschliche Barrieren und Vorstellungen.

Exerzitien im Alltag

Exerzitien im Alltag sind eine Möglichkeit, das eigene Leben zu ordnen, im Alltag bewusster zu leben und innerlich frei zu werden. Wer sich auf einen längeren Übungsweg einlässt, kann den leisen Stimmen auf die Spur kommen und Gott im Alltag Raum geben. Gottes Geistkraft ist bei dieser unmittelbaren Kommunikation zwischen Gott und dem Menschen leitende Impulsgeberin. Die Worte der Bibel sind hilfreich als inhaltliche Impulse und frei wählbar.

Wirkungsvoll sind:

  • Unterbrechungen im Alltag
  • Einübung der Langsamkeit
  • Bewusstes Dasein
  • Wiederholungen fördern Tiefgang
  • Bewusste Wahl von Meditationszeit, Dauer und Gestaltung.

Gestaltungsmöglichkeit für Meditation, für kontemplatives Dasein oder für Betrachtungen von Texten:

a) Die Meditationszeiten dienen als Quelle – während des Tages helfen „Tiefbohrungen“ mittels kurzer Unterbrechungen, den Alltag bewusster zu erleben.

b) Rahmenbedingungen für die Gebets- bzw. Meditationszeit:

  • Die persönliche Form finden: Sitzend, gehend,…
  • Zeitrahmen abstecken und den eigenen Tagesrhythmus beachten
  • Ruhigen Ort mit angenehmer Atmosphäre wählen
  • Körper- und Atemübungen erleichtern das ganzheitliche Dasein

c) Der Ablauf:

  • Einstimmung mit einem selbstgewählten Gebet, mit Lied oder Musik
  • Stille zu Beginn – auch am Ende zum Ausklang
  • Bibeltext mit Kommentar durchlesen
  • Nachspüren, wo ich hängen bleibe oder den roten Faden für mich finden und wirken lassen
  • Dasein und sich beschenken lassen von Gottes Gegenwart
  • Am Ende der Meditationszeit nachspüren; bewusster Abschluss
  • Den für mich wichtigen Impuls mit in den Tag nehmen

Die Dynamik des Exerzitienweges

Die Texte der Jona-Erzählung folgen der inneren Dynamik eines Erfahrungs- bzw. Exerzitienweges:

  • Der erste Impuls lädt uns ein, uns vertrauensvoll Gott und Andersgläubigen gegenüber zu öffnen und Gottes Strahlen der Liebe zu spüren. Ziel: Innerlich frei werden.
  • Im zweiten Impuls besinnen wir uns auf unsere christlich-jüdischen Wurzeln und überwinden Barrieren oder Fluchtversuche. Ziel: Mit der Freiheit umgehen. Frei wozu?
  • Der dritte Impuls lädt uns ein, uns auf die Sorgen und Nöte anderer einzulassen und Gott größer zu denken. Ziel: Wie konkretisiert sich meine Freiheit im Alltag?
  • Der vierte Impuls gibt uns Rettungsanker mit auf den Weg. Gott will das Heil für alle seine Geschöpfe. Ziel: Gottes Willen erspüren.
  • Der fünfte Impuls eröffnet neue Perspektiven durch achtsames Unterwegssein mit Andersgläubigen im Blick auf Heilsames. Ziel: Was bringt eine größere geistige Frucht?

Biblische Impulse:

Jona 1, 1-2
Jona 1, 4-10
Jona 1,11-16; 2, 1-3
Jona 2,5-11; 3, 1-10
Jona 4, 1-11

Rituale:

Herzritual: „Liebe ist eine produktive Aktivität, für jemanden zu sorgen, auf ihn einzugehen, ihn zu bestätigen, sich an ihm zu erfreuen“. Erich Fromm
Mit Achtsamkeit spüren: Innerlich zum Herzen gehen oder die Hände auf den Herzraum legen. Innehalten und nachspüren, wie es sich anfühlt. Loslassen, was bedrückt. Heilwerden lassen, was verletzt hat. Liebe zulassen, um das Herz für neue Begegnungen zu öffnen.

Achtsamkeit:  „Wenn Zorn aufsteigt, kann sich die Geh-Meditation als sehr hilfreich erweisen. Versuch es mit diesem Vers, den du beim Gehen rezitierst: Einatmend weiß ich, dass Zorn in mir ist. Ausatmend weiß ich, dass
dieses Gefühl unangenehm ist. Und dann nach einer Weile: Einatmend fühle ich mich ruhig. Ausatmend bin ich jetzt stark genug, mich diesem Zorn zu stellen.
Solange du nicht ruhig genug bist, dem Zorn unmittelbar zu begegnen, erfreue dich einfach deines Atmens, deines Gehens und der Schönheit draußen im Freien. Nach einer Weile wird der Zorn sich legen, und du wirst dich stark genug fühlen, ihm direkt ins Auge zu sehen; du wirst versuchen herauszufinden, was ihm zugrunde liegt, und mit der Arbeit beginnen ihn zu transformieren.“
Thich Nhat Hanh (aus: ders., Geh-Meditation, Arkana-Verlag 2008)

Broschüre Die Sonne geht über allen aufDie meisten Texte stammen aus der Broschüre: "Der Himmel geht über allen auf" - Spirituelle Impulse für pfarrliche Gruppen und alle Interessierten.
Zu beziehen bei der Medienstelle der Diözese Feldkirch, Bahnhofstraße 13, 6800 Feldkirch.
T +43 5522 3485-208, medienstelle@kath-kirche-vorarlberg.at

Der Artikel (pdf-Dokument) "Ein Exerzitienweg mit dem Buch Jona" aus der Zeitschrift "Bibel heute" des Deutschen Bibelwerks Stuttgart können Sie HIER downloaden.

Information und Kontakt:

Dr. Agnes Juen
Leiterin "Spirituelle Wege"
Kath. Kirche Vorarlberg
T +43 5522 3485-140, agnes.juen@kath-kirche-vorarlberg.at