Christiane Koch erschloss beim Studientag zu Maria unterschiedliche Bilder, die von den Evangelien gezeichnet werden.

Walter Greußing

„Maria aus den Evangelien ganz neu zu entdecken war das große Geschenk des Tages“. Vom Studientag „Maria, Erdentochter-Himmelsfrau“ war aber nicht nur Pfr. Eugen Giselbrecht begeistert.

Wie spannend die Auslegung biblischer Texte sein kann, machte die Referentin Dr. Christiane Koch am Beispiel Marias kürzlich im Marianum in Bregenz nachvollziehbar. Dabei ist der biblische Befund in den vier Evangelien über Maria ausgesprochen spärlich, stellte die gebürtige Dornbirnerin eingangs fest. Sie ist seit 2008 Professorin für Biblische Theologie an der Katholischen Hochschule in Paderborn. Auch wenn der Blick speziell auf Maria gerichtet ist, so gilt es grundsätzlich zunächst die Eigenart der jeweiligen Evangelien und ihr Christusbild zu berücksichtigen. Denn dadurch ist geprägt, was uns die Autoren der Evangelien von Maria überliefert haben.

Verbindung in Distanz

Nur einmal tritt Maria im Markusevangelium als Person auf (Kapitel 3,20-35) und wird für Dr. Koch „als die draußen Stehende“ charakterisiert. Gerade so will Markus zeigen, dass eine Beziehung zu Jesus intensiv gelebt werden kann, selbst wenn er körperlich nicht da ist. „Die körperliche, räumliche und zeitliche Nähe spielt keine Rolle, wenn es darum geht, Jesus zu begreifen“, unterstrich die Professorin. Und wenn kein Vater erwähnt wird, ist das ein Signal dafür, dass die neue Familie Jesu eben nicht hierarchisch zu verstehen ist wie eine römische Familie, in der der Vater als Oberhaupt das absolute und alleinige Sagen hat.

Matthäus, der sein Evangelium anders als Markus für judenchristliche Gemeinden schreibt, will vor allem zeigen: Jesus hat seinen Ursprung aus Gott, im Volk Israel und da in der königlichen Linie Davids, er ist der Messias, der messianische König. Weil die Abstammung auf der Linie des Vaters läuft, deswegen ist Josef so wichtig. Und Maria ist bei Matthäus die Mutter des Königskindes. Deutlich macht er dies, in dem er bzw. wie er die Magier den neugeborenen König der Juden in Bethlehem finden und verehren lässt. Als königliche Mutter macht sich Maria auch nicht wie bei Markus (3, 31-35) auf den Weg, um ihren Sohn zu begreifen, sondern sie will als selbstbewusste Mutter ihren Sohn sprechen (Mt 12,46-50). Zusammenfassend sieht Christiane Koch Maria mit hineingenommen in die königliche Verehrung ihres Sohnes.

Unter Anleitung von Dr. Koch machten sich die TeilnehmerInnen nachmittags auf die Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den Erzählungen von Jesu Geburt nach Matthäus und Lukas. Während Matthäus –für Judenchristen - Jesus als den Messias ausweist, stellt ihn Lukas – für Heidenchristen - deutlich als prophetische Gestalt heraus. Durch die Textarbeit führte die Professorin ihre ZuhörerInnen an die Einsicht heran, dass für Lukas auch Maria eine Prophetin und zudem die Dienerin des Wortes ist. Im Besuch bei Elisabeth wird Maria zur Freudenbotin, ihr Magnifikat ist ein Lied der Befreiung wie jenes der Prophetin Mirjam im Alten Testament.

Mutter des Lebens

Im Johannesevangelium zeigt uns Jesus den Vater, dessen Herrlichkeit er offenbaren will. Maria kommt in diesem Evangelium nur am Anfang und am Ende des öffentlichen Wirkens Jesu vor, der sie nie mit „Mutter“, sondern stets mit „Frau“ anredet. Sie hat an keiner Stelle einen Namen, ist einfach die Mutter Jesu, dennoch erscheint sie nie im Kreis der Familie, sondern nur im Kreis der Jünger. „Maria wird nicht nur in der leiblichen Mutterrolle Jesu gedacht, sondern immer ist sie auch Mutter der Jünger“, so Dr. Koch. Zunächst der Jünger um Jesus, dann aber Mutter aller Glaubenden. „Als solche ist sie in besonderer Weise Mutter des Lebens“, folgert die Professorin.

Dass Maria für Johannes zudem Sitz der Weisheit ist, verdeutlichte die Referentin anhand der Querverbindungen zwischen der Rolle Marias bei der Hochzeit in Kana (Joh 2,1-12) und der weiblich personifizierten Weisheit (Sprichwörter 8,22-31). Die Weisheit hat Einblick in das Geheimnis des Lebens, das im letzten eine nie endende Freude ist, verbunden mit dem Offenbarwerden der Herrlichkeit Gottes. Und Maria weiß: Jesus kann diese Freude erfüllen, wie die Verwandlung von Wasser in Wein zeigt. Der Haltung Marias folgend ist es für Christiane Koch die Verbundenheit mit Jesus Christus, die letztlich das Leben trägt. Nicht zufällig lässt Johannes Jesus als erstes bei einer Hochzeit, einem Fest des Lebens, auftreten. Dieses Fest soll jedoch nicht erst jenseits des Todes im Himmel beginnen. „Vielmehr will das Johannesevangelium uns in eine Wirklichkeit hineinholen, die jetzt erfahrbar ist, die jetzt unser Leben trägt“, ermunterte die Theologin abschließend ihre Zuhörerinnen und Zuhörer.