Seit Oktober hat das Institut für Religionspädagogische Bildung Feldkirch eine neue Leiterin: Dr. Ursula Rapp. Das KirchenBlatt sprach mit ihr über ihre Aufgaben und den Religionsunterricht.

Das Gespräch führte Dietmar Steinmair

Zum Bild: Georg Vith, Der Engel der Verkündigung. Aus: Renate Fink, Doris Gilgenreiner, Maria Lang, Renate Messner-Kaltenbrunner: Vertrauen. Auf dem Weg des Glaubens. Mit Illustrationen von Georg Vith. Hohenems: Bucher Verlag 2012, S. 30f.


Welche Aufgaben haben Sie als Leiterin des IRPB Feldkirch?
Rapp UrsulaDer Aufgabenbereich ist vielfältig. Das Institut für Religionspädagogische Bildung primär entwickelt ein Fort- und Weiterbildungsangebot für Religionspädagoginnen und -pädagogen, das diesen im konkreten Unterricht hilft und sie auch als Menschen und Theologinnen und Theologen weiterbringt. Wir hatten einmalig einen Ausbildungslehrgang laufen. Wann und in welcher Form so etwas wieder angeboten wird, ist noch offen. Die persönliche, die theologische und die didaktische Fortbildung sind voneinander nicht trennbar. Dieses lebenslange Lernen als ganze Person ist auch etwas, das in der vom Ministerium formulierten „Lehrer/innenbildung NEU“ gefordert wird. Damit bin ich bei einem zweiten Aufgabenfeld, der Umsetzung neuer Regelungen, Strukturentwicklung, Studienpläne etc., die auf Bundes- oder Hochschulebene beschlossen werden und dann auf unsere Situation im Land hin übersetzt und durchgeführt werden müssen.
Nebst den Aufgaben der alltäglichen Administration liegt mir persönlich viel an der bestehenden hohen Motivation und Freude im Team am Institut sowie am fruchtbaren Zusammenarbeiten mit den Inspektoren, dem Schulamt und natürlich den Religionspädagoginnen und -pädagogen.

Welchen Stellenwert hat der Religionsunterricht aus Ihrer Sicht im Fächerkanon der Schulen?
Der Religionsunterricht vermittelt Wissen über die eigene und auch über andere religiöse Ausdrucksformen, Traditionen, Lebensweisen, über das Gewordensein bestehender Kulturen und Denkweisen.
Im Religionsunterricht werden menschliche Erfahrungen und der Umgang damit zur Sprache gebracht, die in anderen Fächern keinen Platz haben. Dazu gehören genau jene wissenschaftlich und gesellschaftlich gern als irrelevant bezeichneten Bereiche des Nicht-Beweisbaren, die aber ungemeine Kraft in unserem Leben besitzen. Der Religionsunterricht kann lehren, diese Kraft als Lebensressource zu nützen, zu beleben, kann Ängsten und Hoffnungen Reflexions- und Ausdrucksmöglichkeiten zeigen.
Auch das gehört zu einer gesamtmenschlichen Bildung, die eine Schule heute zu leisten hat, wesentlich dazu.

Würde der Gesellschaft ohne einen staatlich finanzierten Religionsunterricht etwas fehlen?
Ja. Religiöse und ethische Bildung sind in unserer multireligiösen und multikulturellen Gesellschaft von höchster Relevanz: Religiöse Bedürfnisse, Erfahrungen und Traditionen zu verstehen, die Rolle von Religionsgemeinschaften in der Geschichte, in etlichen Kriegen der Vergangenheit und der Gegenwart zu kennen, ist für ein tolerantes, aufgeklärtes und kritisches Denken unumgänglich. Ein solches Denken und entsprechendes Handeln brauchen wir dringend um zu lernen, mit Fremdem umzugehen, um die Vielfalt in jeder Religion und Gesellschaft zu akzeptieren, andere nicht festzunageln auf ein Bild, das wir von ihnen haben, letztlich auch in der Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Meinungsmachern. Der Geschichts- oder Ethikunterricht kann das allein nicht leisten, weil er die existenzielle Kraft der Religion ausblendet und aufgrund seines Fachverständnisses ausblenden muss.
Ebenso hat der Religionsunterricht seine Relevanz in der Auseinandersetzung mit eigenen religiösen Erfahrungen und  Sinnfragen. Zumindest ein wenig damit umgehen zu können, ihnen Worte oder Bilder geben zu können und diese Erfahrungen zu reflektieren, hilft ebenso im Dialog mit Menschen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften. Für religiöse Erfahrungen, den Umgang mit existenziellen Ereignissen wie Geburt, Krisen, Liebe und Tod braucht es eine eigene Sprachfähigkeit, die Kinder nur mehr in der Schule lernen können.
Das zu gewährleisten ist ein wesentlicher Beitrag des Staates zum Erhalt einer dialogbereiten und friedensfähigen Gesellschaft und deshalb eine zentrale staatliche Aufgabe.

Wie sehen Sie die Debatte um die Einführung eines verpflichtenden Unterrichtsfaches „Ethik“?
Es kommt auf das Modell an. Wie gesagt ist der Staat in einer gesellschaftlichen Verantwortung, die ethische Urteilskraft, Dialogfähigkeit und religiöse, kulturelle Toleranz als Bildungsziele zu verfolgen und auch zu überprüfen. Ethik ist für mich keine Frage. Aber sie ersetzt nicht den Religionsunterricht und darf nicht behaupten, neutral zu sein. Das wäre eine Lüge.

Welche Spiritualität ist für Sie persönlich als Theologin leitend? Was davon möchten Sie den Religionslehrer/innen mitgeben?
Da bin ich ganz biblisch. Für mich ist die Botschaft von einer sorgenden, heilenden Gottheit, die sich im Alltag und in Beziehungen zeigt und in Jesus von Nazareth die letzte Konsequenz ihres Daseins für uns gezogen hat, Geschenk und Lebensquell. Daraus ergibt sich ein unumstößlich positives Menschenbild und eine unbedingt am guten Leben für alle orientierte Praxis. Das gemeinsam zu leben und zu suchen, eben auch in der Schule, das wär‘s.


Zur Sache: Religionsunterricht

In Vorarlberg unterrichten derzeit knapp 600 Lehrer/innen das Schulfach Religion, 100 davon im höheren und mittleren Schulbereich, der Großteil im Pflichtschulbereich. Von den ca. 43.000 katholischen Schüler/innen nehmen derzeit 93% am Religionsunterricht teil.
Das Institut für Religionspädagogische Bildung ist zuständig für die Fort- und Weiterbildung der Religionslehrer/innen. Die Ausbildung zur Religionslehrer/in selbst kann an der KPH Edith Stein (Stams/Tirol) oder an der PH Vorarlberg (Feldkirch) absolviert werden.

www.kph-es.at