Der letzte Teil der SommerLese wendet sich dem in den vergangenen Wochen Gelesenen zu. Immer wieder ist es das eine Buch, Füllhorn an Eindrücken und Erlebnissen des großen österreichischen Schriftstellers Peter Handke.

Zunächst, auch im Sommer: Ich lese Tageszeitungen, sehr ausführlich, für "Die Zeit" nehme ich mir viel Zeit, dann auch Dokumente für neue Buchvorhaben. So ist der Sommer: das Lesen hat eine andere Qualität. Dabei verzichte ich auf große Romane, auf Bücher, die oftmals lange warten müssen, weil "man Zeit haben will". Nein, wenn ich an fremde Orte fahre, stecke ich meine Nase nicht in dicke Bücher. Am Strand, in Cafés, abends im Hotelbett, da mag ich die kurzen Impulse. Inspirierendes und Feines, nicht Leichtes.

Lesen der Details unserer Welt

Dadurch gehe ich in Lesekonfrontation. Dazu eignet sich dieses eine Buch, das mich seit vielen Jahren begleitet. Immer und immer wieder. Mein Immer-und-immer-wieder-Buch.

Die Summe der anderen Bücher begleitet es. Zugleich filtert es Nachrichtenzeilen, das Oberflächliche, Schnelle. Es ist mein wohltuendstes Buch, geprägt allein durch seine Haltung.

Die zweite Seite gibt eine zentrale Notiz wieder: "Wo möchten Sie leben? - In der Erzählung. - Wann möchten Sie leben? - Zur Zeit der Erzählung. - Wozu möchten Sie leben? - Für die Erzählung." Verfasst im Herbst 1982. An anderer Stelle: "In der Erzählung leben? Endlich wieder Niemand sein."

"Am Felsfenster morgens", von Peter Handke

Am Felsfenster morgensAlso, das Immer-und-immer-wieder-Buch: Der Salzburger Residenz Verlag hat Peter Handkes 1982 bis 1987 verfasste Aufzeichnungen unter dem Titel "Am Felsfenster morgens" veröffentlicht. Handke schreibt, es handle sich um "Notizen, Wahrnehmungen, Bedenklichkeiten, Fragen". Seine bruchstückhaften Beobachtungen erlauben bei entsprechender Lese-Entschleunigung eine neue Betrachtung dieser Welt. Zeile für Zeile gehe ich auf Zusammenhangssuche.

Im Lesen folge ich dabei dem Suchenden selbst. Seine Notizen sind das Eine. Seine Bücher das vorläufig Fertige. Handke überlässt keine Fragmente, vielmehr aus dem Detail geborene Erzählungen. Immer wieder ist es das Große, das mich an Handke fasziniert, erreicht durch sein stets sensibles Erfassen unserer Zustände, unserer Vorschnell-Urteile. Er bricht die Welt in kleine Stücke. Dort erst sind sie zu finden, die Rückschlüsse auf das Ganze. Immer wieder: Beobachtungen. Voller Poesie.