Zartbitter ist der Schokoladenschmelz und der Nachgeschmack, den er hinterlässt. Kindersklaverei und Menschenhandel stehen in der Schokoladenindustrie bis heute an der Tagesordnung. Das EthikCenter der Katholischen Kirche Vorarlberg griff dieses ebenfalls „österliche“ Thema auf und lud zur Diskussion.

Feldkirch (pdf) Ja schau, wie süß der doch schmunzelt, und erst die Öhrchen – ein Bild von einem Schoko-Osterhasen. Dem gefriert aber schon ziemlich bald das Schmunzeln um sein Schokonäschen, wenn er sich einmal so ganz genau überlegt, welchen Zutaten er seinen zuckersüßen Teint verdankt. Den Kakaobohnen, die u. a. an der Elfenbeinküste von Kindersklaven aus Mali geerntet worden sind. Für 230 Euro – der Preis für ein Menschenleben – auf die Plantagen verkauft, garantieren sie dort als billige Arbeitskräfte, dass der Kilopreis für Kakaobohnen an den Börsen eine möglichst große Gewinnspanne zulässt.
Miki Mistrati, ein dänischer Journalist, reiste nach Afrika, besuchte die Plantagen an der Elfenbeinküste und traf überall auf Kinder, die in ärmlichen Hütten hausten und deren Arbeitstag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang bemessen ist. Es waren Kinder im Alter von zehn bis 14 Jahren, die Miki Mistrati und seine Helfer mit versteckter Kamera begleiteten. Und das, obwohl man ihnen doch nur wenige Tage zuvor versichert hatte, dass es so etwas wie Kinderarbeit an der Elfenbeinküste nicht gäbe. Schließlich habe man ja ein Gesetz, das genau das verbiete. Wenn man also Busse mit Kindern darin sähe, dann seien das wohl Urlauber.
Urlauber, die zur Arbeit auf die Kakaoplantagen reisen?

 

Mit dem Ticket in der Hand

Überzeugt war Miki Mistrati von dieser Argumentation auf jeden Fall nicht. Er sprach mit Dorfältesten, die Zeugen davon wurden, wie Kinder von  Menschenhändlern „angeworben“ wurden. Kinder, die nie wieder in ihr Dorf zurückkehrten. Miki Mistrati sprach auch mit den Fahrern an der Grenze zur Elfenbeinküste, die pro Jahr bis zu 160 Kinder aus den Bussen retten, in die sie die Menschenhändler gesetzt hatten - mit dem bezahlten Ticket in Richtung Sklaverei in der Hand.

Bittere Schokolade

Der Schokohase, der in einigen Tagen wieder in keinem Osternest fehlen darf, schmunzelt etwas weniger fröhlich, hat man zuvor Miki Mistratis Reportage „Schmutzige Schokolade“ gesehen.
Grund genug, dass Michael Willam vom EthikCenter der Katholischen Kirche Vorarlberg gemeinsam mit der youngCaritas, Südwind, den Weltläden, Amnesty International und dem ÖGB im Bregenzer Theater Kosmos an der Schokoladenglasur zu kratzen begann. Schülerdiskussion und Themenabend, 200 Jugendliche vormittags und rund 350 interessierte Vorarlbergerinnen und Vorarlberger abends. Ein vollbesetztes Haus und ein Publikum – jugendlich wie gereift -, das die Diskussion nicht scheute.
Gerade das Gespräch mit Miki Mistrati zeigte, dass von Politik- und Gesellschaftsverdrossenheit unter den Jugendlichen jede Spur fehlte. Was kann ich gegen Kinderarbeit und Menschenhandel tun? Hilft es den Kindern, wenn wir in Europa nur noch Fair Trade-Produkte unterstützen? Warum schreitet niemand ein? Warum zeigt das niemand an? Was geschieht jetzt? Fragen, die in ihrer Simplizität Betroffenheit und den Willen zu Veränderung spürbar werden ließen.
Es geht um die Sensibilisierung, darum, dass das Wissen um die dunkle Seite der Schokolade nicht bestritten werden kann. Darum, dass sich diesem Wissen auch das Handeln anschließt, bündelte Mistrati die Anfragen aus dem Schülerplenum, die den Willen und das Engagement der Jugendlichen überdeutlich dokumentierten.  

 

Der Gewinn ist kurzsichtig

Ähnlich war auch der Abend gestimmt. Das Wort wechselte von den Schülern zur  „Elterngeneration“. Am Podium der österreichische Chocolatier Josef Zotter, Miki Mistrati, Gerhard Riess von der Gewerkschaft Pro-GE und Katharina Lins für Amnesty International. Bei der Sensibilisierung des Konsumenten ist zu beginnen, so der Tenor der Diskussionspartner. BewusstseinBittere Schokoladesbildung, Wahrnehmung und Aufklärung reihten sich die Stichworte aneinander. Gefolgt von der Befürchtung, dass die Scholoadenindustrie nur als ein Szenario spiegelt, was auch andernorts Usus ist. Es wäre aber gänzlich falsch, betonte Josef Zotter, die Verantwortung gänzlich auf den Konsumenten abschieben zu wollen. „Nein, wir Produzenten, wir Unternehmer tragen die Verantwortung für unsere Produkte und dazu gehört auch, dass wir beispielsweise Kakaobohnen, die unter ausbeuterischen Bedingungen geerntet wurden, nicht verarbeiten. Nur an der Gewinnoptimierung zu arbeiten, ist ein kurzsichtiges Unternehmen.“ Zotters Schokoladen sind ein gelungenes Beispiel, ein Musterbeispiel quasi. Für den Konsumenten sorgt Zotter für größtmögliche Transparenz, kauft Produkte nur aus kontrolliertem Anbau und setzt so im Detail um, was im großen Stil noch auf die Praxis wartet. 
Eine Station weiter, bei jenen Menschen, die u. a. in der Schokoladenproduktion beschäftigt sind und bei den Konsumenten, ist Gerhard Riess um Aufklärung bemüht. Die Frage nach dem „Woher“ der Zutaten genauso wie fair gehandeltes Kantinenessen und Bewusstseinsbildung im Bereich der Lebensmittelindustrie, sind die Baustellen, an denen auch in Zukunft gearbeitet werden wird.
„Die Kinderarbeit ist hart. Warum aber seid ihr so beschäftigt damit, die Kinderarbeit abzuschaffen? Schafft doch die Armut ab“, zitierte schließlich Katharina Lins von Amnesty International aus einem Gespräch, das mit „Kindersklaven“ geführt wurde. Die Armut ist die Basis, die Menschenhandel und Kindersklaverei Tür und Tor öffnet. Die Armut abzuschaffen mag vielleicht ein frommer Wunsch sein, einen Versuch, zumindest die Arbeit daran, die bereits Veränderung bewirkt, ist dieser Wunsch aber allemal wert. 

 

Fortsetzung im Mai

Das Fazit des engagierten Publikums bündelte sich in einer zentralen Frage: „Was sind wir eigentlich alles bereit zu akzeptieren, nur damit am Ende der Preis stimmt?“
Menschenhandel und Kindersklaverei sind nicht allein die Probleme eines anderen Kontinents, es sind Probleme, die an den Börsen zum bestmöglichen Preis gehandelt werden. Leid zum Schnäppchenpreis. 
Dass das Thema der Lebensmittelindustrie ein heikles ist, dafür liefert das vollbesetzte Theater Kosmos ein eindrückliches Bild. Es ist ein Thema, das betrifft und mit dem jeder tagtäglich konfrontiert ist. Beim jedem Einkauf.
Der Kosmos Diskurs hierzu soll erst ein Anfang sein. Ein Werkstattgespräch im Mai setzt das Thema fort.
Und dem fröhlich grinsenden Schokohasen ist längst schon das Lachen im Halse stecken geblieben.