Vertrauen in einen Motor, die Überwindung aller denkbaren Vorbehalte ließen uns starten. Sieben Verrückte, die in die dem Ziel entgegengesetzte Richtung losfuhren, zwangsläufig dem Grundsatz, der Weg sei das Ziel, verpflichtet, um am Ende in Zell am See, dem Pilgerziel, anzukommen. Dort winken weder spirituelle Belohnungen noch eine Ehrenurkunde. Am Ende winkt lediglich die Sehnsucht, sich erneut auf den Weg zu machen.

Eine unkonventionelle Pilgerreise, geprägt von Sehnsüchten, mit Begegnungen, die ungewöhnlich klingen.

Teil 2 (von 3)

Weiter, weiter.

Rosengarten2Die Nacht auf dem Karrenpass. Am Tor zu den Dolomiten. Bereits ab fünf Uhr waren wir alle wach. Die Sehnsucht nach der vor uns liegenden Strecke quer durch die Bergwelt hatte keinen von uns wirklich schlafen lassen. Ein tiefes Verlangen, dachte ich mir an diesem Morgen, prägt uns alle. Das Gefühlsbetonte sog mich also ein, trotz allen Verwehrens. Aber selten fühlt man sich so ruhig und getragen, als in der Freiheit, die Maschine mit Gepäck zu beladen und weiterzufahren, dabei keinen Meter allein zu sein. Unsere gemeinsame Sehnsucht vereint unseren Geist, unser Dasein, unseren Weg, das steht außer Frage. Jede schöpferische Kraft, erkannte ich beim Weiterfahren, mag wohl dieser Sehnsucht entspringen.

Keine Zweckfreundschaft.

Pöff auf dem FalzaregoReich beschenkt wurden wir an diesem zweiten Tag. Durch unseren frühzeitigen Aufbruch, hinein in das Panorama der Dolomiten, erlebten wir den Sonnenaufgang in den Bergen. Und schon war ich wieder begeistert. Diesmal jedoch konnte ich diese Begeisterung nicht der dünnen Luft zuschreiben. Passo di Pordoi mit rund 2.200 und Passo di Falzarego mit rund 2.100 Höhenmetern waren zu wenig hoch, um des diesem Umstand zuzuschreiben. Nein, es war Begeisterung pur, das musste eingestanden werden. Wo sonst konnte man das, was wir "die Schöpfung" nennen, so intensiv erleben, dachte ich mir, während wir die Serpentinen hochschwangen. Schöpfung findest du nur fernab der Städte. Als kleine Gruppe waren wir im vollkommenen Jetzt angekommen.

Fehlzündungen.

Wolfgang auf dem FalzaregoDie bereits in Schaan gewechselte Zündkerze von Wolfgang brauchte zwei weitere Anläufe. Jeweils auf den Passhöhen. In Cortina d'Ampezzo wechselte er die Zündspule. Solche Pausen waren Teil unserer Fahrt, wenn für den Betroffenen auch unangenehm. Aber: Hier waren Menschen unterwegs, die mit Geduld und vor allem mit großer Gelassenheit darauf achteten, den entworfenen Weg gemeinsam zu bewältigen. Keine Zweckfreundschaft, keine Nutzenfreundschaft, von der man sich etwas erwartet.

Der Weg ist das Ziel, das Zentrale.

ZündspulenwechselÜbersetzt man Konfuzius wortgetreu nach seiner Aussage "Zhi yu Dao", so heißt es: "Ich habe meinen Willen auf das Dao (den Weg) gerichtet". "Wenn wir also", notierte ich in Cortina d'Ampezzo, "unseren Willen auf den Weg legen, dann sind wir ein großes Stück vorangekommen. Summiere ich die Erfahrungen, Gedanken und Gefühle, ja Hochgefühle, die wir nun bereits teilen, dann erreicht der gemeinsame Weg, der Weg der Communio, der Gemeinschaft, eine ungeahnte Tiefe und Verbundenheit, die anhält". So mag es wohl mit jeder das Leben prägenden Erfahrung sein: Intensive Erlebnisse, entsprungen unseren Sehnsüchten, schaffen diese Gemeinschaft.

Einsamkeit.

GroßglocknerMittags erreichten wir Lienz. Dicke Wolkenbänke schoben sich rasant dem Großglockner zu. Das Ende der zweiten Tagesetappe vor Augen, beschlossen wir, die Maschinen "laufen zu lassen". Dem zuverlässigen letzen Mann der Gruppe deutete ich, er solle vorfahren, solle so rasch wie möglich über den Berg kommen, vielleicht, um dem Unwetter zu entgehen. Ich selbst, wusste ich, würde ewig brauchen. Kälte, starker Wind und die 2.575 zu bewältigende Passhöhe zwangen meine Vespa in die Knie. Die Wolken verbauten jede Sicht, bei Eisregen bewegte ich mich langsam Serpentine um Serpentine hoch. In der Stille der unwirtlichen Landschaft bemerkte ich, wie mein Herzschlag ruhiger und ruhiger, der Schwung in den Kurven dabei gleitender und regelmäßiger wurde. Selten habe ich mich glücklicher gefühlt, als inmitten dieser enormen Wolkenbänke.

Vertrauen, gewonnenes.

Gewitter vor Zell am SeeDer Zenit nicht nur die Passhöhe. Durch die dichten Wolken, die wie dichter Nebel die Straße in Watte packten, erkannte ich wenige Meter vor mir zwei meiner Freunde, die auf der Passhöhe - wahrscheinlich ewig - auf mich gewartet hatten. Keiner bleibt zurück. Der eine schaut auf den anderen. Nein, wurde ich mir in diesem Moment gewahr, das hier waren keine Zweckfreundschaften, auf keinen Nutzen gerichtet. Der Zenit, ganz oben: meine Maschine, zu Beginn der Reise mit allen denkbaren Zweifeln belegt, hatte gehalten. So, wie mein Freund am Abend vor der Abreise gesagt hatte. Am Fuße des Großglockners dann stand ein anderer. Mit Motorschaden. Er bat mich, hinter ihm zu bleiben. Ganz langsam fuhr er Zell am See zu, wollte auch diese letzte Etappe schaffen. In seinem Motor klingelte es, als hätte er einen Schlüsselbund darin verloren. Bei einem heftigen Gewitter rund sechs Kilometer vor Zell am See schließlich gaben wir "w.o." und stellten unsere Vespas für eine halbe Stunde unter ein Flugdach, tranken Tee und anderes...

Vespa-World-Days.

Reparatur des MotorsDie "Maschine mit dem Schlüsselbund im Motorblock" hielt. Bis zur Werkstatt. Nach fast 600 Kilometern waren angekommen. Unsere Pilgerreise, die ungewöhnlichste, die man sich vorstellen kann, fand ihr Ende. Und ähnlich anderen Wallfahrtsorten riss uns die Stimmung aus der Einsamkeit. Hier waren mehr als zweieinhalbtausend Vespas versammelt. Die Vespa-World-Days. Und wie oft auf den Wegen des Pilgerns verabschiedete ich mich traurig vom Bewältigten. Jeder begann, wieder seines Weges zu gehen: im Getümmel der Tausenden Vespa-Fans aus ganz Europa. "Der Weg ist das Ziel" hatte seinen Artikel verloren: Weg ist das Ziel. Fern. Auf die nächste gemeinsame Sehnsucht verlegt.

 

In Zell am See