Bischof Gilbert Louis (aus dem französischen Chalons-de-Champagne), war Anfang Januar auf Einladung seines Amtsbruders, Bischof Marc Stenger, Bischof von Troyes und Präsident von Pax Christi Frankreich auf Besuchsreise bei den Christen im Irak. Seine Eindrücke sind realistisch, er berichtet von Problemen und von dem, worauf unsere Glaubensgeschwister dort hoffen.

Der Bischof von Chalons-de-Champagne, Mgr. Gilbert Louis, war vom 29. Dezember bis zum 7. Jänner zum ersten Mal im Irak. Er besuchte Bagdad und den Norden des Landes. "Es ist mit wichtig erschienen, den orientalischen Christen unseren Beistand auszudrücken aber wichtiger noch war mir, sie zu besuchen, ihnen zuzuhören und sie zu bestärken, in ihrer Heimat zu bleiben" erklärte er den Grund seiner Reise. Nach seiner Rückkehr aus dem Irak berichtet er von Schwierigkeiten aber auch von der Hoffnung der irakischen Christen.

"Sie werden von den beiden großen, streitenden Gruppen der Sunniten und Schiiten, in die Zange genommen" analysiert er die Situation. "Die Sunniten waren zu Zeiten Saddam Husseins sehr im Vorteil und die abgedrängten Schiiten sind nun aber wieder an die Macht gekommen. Die Christen finden sich mitten in diesem Bürgerkrieg und werden in dieses oder jenes Lager gedrängt." 

Aber die Christen sind auch ein besonderes Ziel der terroristischen Gruppen. Eine von ihnen hat das Attentat auf die syrisch-katholische Kathedrale von Bagdad im Jahre 2010 und die 53 Toten zu verantworten. " Wir haben dort gebetet, obwohl die Kirche seit damals noch nicht wieder für die Gläubigen zugänglich. Überall sieht man die Spuren der Kugeleinschläge. Beim Ausgang erinnert ein großes Foto an die mehr als 50 Personen unter denen auch zwei Priester warten, die in diesem Massaker ihr Leben verloren. 

"Es braucht Kühnheit!"
 Vor dem Krieg gab es im Irak rund eine Million Christen. Ihre Zahl ist heute bis auf etwa 400.000 gesunken. "Es gibt eine zweifache Bewegung" beobachtete Bischof Louis, "ihre Zahl sinkt, weil viele ins Ausland gehen, und jene, die bleiben, fliehen bei jeder Attentatswelle aus Bagdad in die autonome Region von Kurdistan." Aber dennoch, gebe es selbst in Bagdad, wo "permanente Unsicherheit herrscht und an jeder Ecke das Militär zu sehen ist," unter den Christen "einen großen Glauben und großen Mut, um die christliche Präsenz - besonders in der Nächstenliebe und in der Erziehung - zu erhalten.

Bischof Louis zeigte sich von der Arbeit der Dominikanerinnen besonders beeindruckt. Die Schwestern haben ihr Krankenhaus erweitert und eine Schule für Mädchen ins Lebens gerufen. Die Schülerinnen sind zu 80% Musliminnen. "Die Dominikaner planen für Bagdad eine Universität für Humanwissenschaften: Es braucht wirklich Kühnheit! Und es ist eindrucksvoll, wie die Christen versuchen, sich nicht in die Konflikte hineinziehen zu lassen und 'Instrumente des Friedens' zu sein." 

"Ohne Arbeit, keine Zukunft!"
In Kurdistan, wo die Christen von der autonomen Verwaltung in positiver Weise aufgenommen werden, ist die französische Delegation vom Erzbischof von Kirkouk, Bischof Louis Sako, empfangen worden. Bischof Sakko ist eine wichtige Gestalt im interreligiösen Dialog. "Am Tag meiner Ankunft haben wir den schiitischen und den sunnitischen Imam besucht wie auch die maßgeblichen Chefs der verschiedenen Stämme. Bischof Sakko unterhält da einen kontinuierlichen Dialog und er ist zu einem Brückenbauer zwischen den Konfessionen geworden, einem wahrhaften Künstler der Ausgewogenheit und des Friedens." 

Bischof Sako baut in Kirkouk mit viel Freude Schulen, ein Seminar und er hat 200 neue Häuser errichtet, in denen christliche Familien wohnen. "Wie die Bischöfe vor Ort, haben auch wir die Leute ermutigt, in ihrem Land zu bleiben. Denn - würden sie weggehen - ginge die christliche Präsenz, die bereits seit den ersten Jahrhunderten hier gegeben ist, für immer verloren." 

Nichtsdestotrotz hat Bischof Sakko in aller Deutlichkeit daran erinnert, dass in der Region "die Bedrohungen durch Gewalt nach wie vor andauern" und die wirtschaftliche Situation höchst prekär bleibe. "Es gibt Dörfer im Norden von Kurdistan, wo es keine Arbeit gibt und daher auch keine Zukunft. Die Jungen sind zerrissen zwischen ihrer Pflicht zu bleiben und der Anziehungskraft der westlichen Welt. Wie lange" fragt Bischof Sakko "werden sie das noch aushalten, während sie von einer friedlichen Zukunft träumen?"   (Laurence Desjoyaux)

Der Artikel ist in La Croix vom 16.12.2012 erschienen.
Übersetzung: Walter Buder
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages.