In einer gesprächsorientierten Abendveranstaltung referierte der frühere Direktor der Sozialakademie und jetzige Leiter der Kommission „Gerecht wirtschaften“ von Pax Christi Österreich, Dr. Michael Striebel, im "Hotel Krone" Langenegg zum eher breit angelegten Themenfeld: „Von Reichen und dem Nadelöhr - Leben in einer ungerechten Wirtschaftsstruktur“.

Das „sozialpsycho­logische Café“ ist eine Veranstaltungsform im Rahmen des Kulturforums Bregenzerwald. Kurt Bereuter und seine Mitstreiter/innen hatten ins Langenegger „Hotel Krone“ eingeladen und mit Dr. Michael Striebel (Psychologe, Psychotherapeut und ehemals Direktor der Sozialakademie) war auch ein kundiger, informierter und – vor allem - engagierter Analytiker der Finanz- und Wirtschaftsstrukturen eingeladen worden. Eine zwar überschaubare aber kritisch interessierte Runde hatte sich den frisch verschneiten Abend des 1. Dezember für die Frage nach den Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten der Wirtschafts- und Finanzstruktur feigehalten. Ein zweifelsfrei komplexes Thema und der Zusatz, sich auch der Frage: „Was können WIR tun?“ zu stellen, sorgte für eine gewisses Spannung. Wie Kurt Bereuter eingangs erklärte, sollte mit sollte mit dieser abendlichen Diskussionsrunde eine in den letzten Monaten angebotene Gesprächs- und Diskussionsreihe zur Krise in der Wirtschafts- und Finanzpolitk ihren Abschluss finden.

In vier Riesenschritten ging Michael Striebel den Problemhorizont ab und zeichnete wesentliche Zusammenhänge nach, die das trotz Dauerkrise funktionierende finanzwirtschaftliche System als „Unrechtsystem“ im Sinne von „struktureller Gewalt“ (nach dem Friedensforscher Johan Galtung) charakterisierte. Man könne auch im Sprachgebrauch der katholischen Soziallehre auch von „struktureller Sünde“ sprechen. Es gilt, (I) den "größeren Bezugsrahmen" zu akzeptieren, innerhalb dessen die Systeme zusammen spielen (ein universal-kosmisches Menschen-, Welt- und Zeitverständnis, universale Geltung der "goldenen Regel" wie der Menschenrechte, die Krise als Zustand, die Macht der Ideologien und der Konkurrenz), die (II) kapitalismusorientierte Finanzwirtschaft als Unrechtssystem wahrzunehmen, nach (III) neuen Zielen Auschau zu halten und schließlich (V) mögliche Lösungen, die besser als: Umgangsweisen bezeichnet sind, zu erarbeiten.

In einer rund einstündigen "tour de force" durch die mehr oder weniger maroden Wirtschafts- und/oder Finanzlandschaften mit zahlreichen "Sidesteps" in die verschiedenen Ebenen (sozial, psychologisch, medial) und Seitenblicken in die praktischen Auswirkungen der gegenwärtigen, krisenhaften finanzwirtschaftlichen Situation, fand sich das Grundthema der fundamenalen Ungerechtigkeit des kapitalismusverhafteten Finanzsystem und seine Wirkungen in unseren Alltag hinein vielfältig illustriert ausgelegt.

Der darauf folgende, intensiv und offen geführte Meinungsaustausch im wunderschön getäfelten Arbeitsraum des Langenegger Hotels, gab der Analyse - wenn auch nicht in allen angesprochenen Details - im Grunde Recht. Die bedachtsame, eher sorgenvolle Zustimmung zur theoretischen Kritik an den aktuellen Verhältnissen wurzelte aber deutlich und vehement in der Erfahrung des Alltags. Die von Fachleuten, Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, aber auch von Seiten der Wissenschaft und "Weisen" verschiedster Provenienz weltweit unisono geforderten neuen Regeln für eine dem Leben dienliche Finanzwirtschaft müssen konkret eingefordert werden. Das ist eine Frage an die demokratischen Strukturen aber ebenso an das individuelle Verhalten und – nicht zuletzt – auch die Frage nach einer tragfähigen geistigen Grundlage, einer lebendigen Spiritualität, die sich nicht scheut, im gesellschaftlich-politischen Engagement mitzumischen.

Gerade in Langenegg scheint in einem guten Sinne die Zukunft bereits gegenwärtig. Die Menschen hier haben sich bereits für ein weitreichendes Engagement im Sinne neuer oder wenigstens anderer Regeln entschieden zu sein. Jedenfalls konnte man die Zeichen dafür erkennen: In Form besipielsweise des „Langenegger Talentes“, wo dem immer vertrauensärmeren finanzwirtschaftlichen Teufelskreis selbstbewusst mit einer eigenen „Währung“ entgegen gearbeitet wird. Die Richtung scheint stimmig, wenn kleinräumig, regional, nachbarschaftlich und überschaubar gedacht und entschieden wird - ohne die globale Dimension alles Tun-und-Lassens zu verdrängen. Und der heuer errungene europäische Dorferneuerungspreis belegt das und auch, dass neben herzeigbaren Leistungen auch ein geistig-spirituelles Investment besondere Aufmerksamkeit verdient. Also: Wenn auch der „Problemhorizont“ eher finster ist, lassen sich die schmalen Lichtstreifen nicht übersehen. Insgesamt: Ein zwar „ergebnisoffener“ aber interessanter Abend, ertragreich an Einsicht und für den einen oder anderen sicher auch Motivation am Puls der Verantwortung für die Gesellschaft hier und heute zu bleiben. Es gilt zu tun, was man tun kann! _wb

Links:
http://www.langenegg.at/umwelt
http://www.talentiert.at
http://www.paxchristi-vorarlberg.at