Der Vatikan hat seit Beginn der Krise in Sachen Libyen auf Grund der Komplexität der Situtation einerseits aber auch, um die kleine lokale katholische Gemeinde vor Ort nicht möglichen Repressalien auszusetzen, eine vorsichtig-skeptische Haltung eingenommen. Neben der

Benedikt XVI. hat am Sonntag (20. März 2011) seine Befürchtungen bereits ausgedrückt: „Diese Tage habe ich mit großer Sorge die Lage im Libyen verfolgt, die mich mit Besorgnis Angst erfüllt haben", erklärte Papst Benedikt XVI. nach acht Tagen Schweigen und Gebet der Weltöffentlichkeit am Sonntag. „Ich habe dafür in dieser Woche der Geistlichen Exerzitien ganz besonders in meinem Gebet zum Herrn dafür gebetet", versicherte der Papst und richtete einen drängenden Appell an die politisch und militärisch Verantwortlichen, vor allem anderen die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren und dafür zu sorgen, dass der Weg für humanitäre Hilfe offen bleibe. Der Papst hat seine Anteilnahme für die Menschen in Libyen ausgedrückt und gebetet, dass Gott einen "Horizont des Friedens und der Eintracht eröffnen möge für Libyen und für ganz Nordafrika".

Allerdings hat er sich nicht ausdrücklich zur Legitimität der militärischen Invervention, die am 18. März begonnen hat geäußert. Aber die katholische Doktrin verteidigt die Pflicht zur Einflussnahme (Einmischung) unter bestimmten Bedingungen, wie in der Rede von Benedikt XVI. vor den Vereinten Nationen (18. April 2009) klar wird, in der er u. a. auch das Protektionsprinzip (Prinzip der Schutzverantwortung) erläutert hat:

(...) "Die Anerkennung der Einheit der Menschheitsfamilie und die Achtung vor der jeder Frau und jedem Mann innewohnenden Würde erhalten heute einen neuen Auftrieb im Prinzip der Schutzverantwortung. Dieses Prinzip ist erst kürzlich definiert worden, aber es war implizit schon in der Anfangszeit der Vereinten Nationen vorhanden und kennzeichnet jetzt immer mehr ihre Tätigkeit. Jeder Staat hat die vorrangige Pflicht, seine Bevölkerung vor schweren und wiederholten Verletzungen der Menschenrechte zu schützen, wie auch vor den Folgen humanitärer Krisen, die sowohl von der Natur als auch vom Menschen verursacht werden. Wenn sich herausstellt, daß die Staaten nicht in der Lage sind, einen solchen Schutz zu garantieren, steht es der internationalen Gemeinschaft zu, mit den von der Charta der Vereinten Nationen und anderen internationalen Übereinkommen vorgesehenen rechtlichen Mitteln einzugreifen. Das Handeln der internationalen Gemeinschaft und ihrer Institutionen darf, soweit sie jene Prinzipien respektiert, die der internationalen Ordnung zugrunde liegen,
nie als eine ungerechtfertigte Nötigung oder eine Begrenzung der Souveränität verstanden werden. Vielmehr sind es die Gleichgültigkeit oder das Nichteingreifen, die tatsächliche Schäden verursachen. Es bedarf einer vertieften Suche nach Möglichkeiten, um Konflikten vorzubeugen und sie zu kontrollieren, indem alle Mittel genutzt werden, über die die Diplomatie verfügt, und indem auch dem schwächsten Anzeichen von Dialog und Versöhnungswillen Aufmerksamkeit und Ermutigung geschenkt wird.
Das Prinzip der »Schutzverantwortung« wurde vom antiken ius gentium (Völkerrecht) als das Fundament jeder Handlung angesehen, die von den Regierenden gegenüber den Regierten vorgenommen wird: Zu der Zeit, als sich der Begriff des souveränen Nationalstaates zu entwickeln begann, beschrieb der dominikanische Ordensmann Francisco De Vitoria, der zu
Recht als Vorläufer der Idee der Vereinten Nationen angesehen wird, jene Verantwortung als einen von allen Nationen geteilten Aspekt der natürlichen Vernunft und als Ergebnis einer internationalen Ordnung, deren Aufgabe die Regelung der Beziehungen zwischen den Völkern war. Heute wie damals muß ein solches Prinzip die Idee der Person als Ebenbild des Schöpfers sowie die Sehnsucht nach dem Absoluten und das Wesen der Freiheit in Erscheinung treten lassen. Wir wissen nur allzu gut, daß die Gründung der Vereinten Nationen mit der tiefgreifenden Erschütterung einherging, die die Menschheit erlitten hat, als der Bezug zur Bedeutung der Transzendenz und natürlichen Vernunft aufgeben wurde und infolgedessen die menschliche Freiheit und die Würde schwer verletzt wurden. Unter solchen Umständen gefährdet dies die objektiven Grundlagen der Werte, die die internationale
Ordnung inspirieren und leiten, und untergräbt die unantastbaren und zwingenden Prinzipien, die von den Vereinten Nationen formuliert und bekräftigt worden sind. In Anbetracht von neuen und wiederholten Herausforderungen ist es ein Fehler, sich hinter einem pragmatischen Ansatz zu verschanzen, der sich darauf beschränkt, »gemeinsame Grundlagen« aufzustellen,
deren Inhalt minimal und deren Wirkungen schwach sind." (...) <

Aus: ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI. New York, Freitag, 18. April 2008