In dieser Stellungnahme vom 12. Mai 2011 protestiert PAX CHRISTI ÖSTERREICH gegen die Vorgangsweise der USA im Zusammenhang mit der Tötung von Osama bin Laden und fordert eine internationale Untersuchung.

„Freu dich nicht über den Sturz deines Feindes, dein Herz juble nicht, wenn er strauchelt,...“                                                      (Buch der Sprüche 24,17)

Obama kills Osama: Highnoon in der Weltpolitik

„We killed Osama! Thank you Obama!“ -so die Botschaften vor dem Weißen Haus in Washington und am Times Square in New York nach der Tötung Osama bin Ladens. Vertreter der Kirche sehen hingegen die Tötung Bin Ladens kritisch: „Der Tod eines Menschen ist für einen Christen niemals Grund zur Freude.“ Das gelte auch für Bin Laden, meinte der Sprecher des Vatikans in einer ersten Reaktion. Ähnlich kritisch äußerte sich ein Vertreter der evangelischen Kirche: Osama bin Laden hätte mit rechtsstaatlichen Mitteln zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Dem entspricht auch der Standpunkt von Pax Christi USA: „Als Christen sind wir besorgt über die Feierstimmung und rufen alle Menschen guten Willens dazu auf, innezuhalten und nachzudenken statt zu jubeln.“

In den USA werden archaische anmutende Rachegedanken artikuliert, so als würde durch die Tötung von Bin Laden der Terrorakt gegen das World Trade Center gesühnt. Wenn Obama meint, nun könnten all die Angehörigen der Opfer des WTC „Frieden finden“, so klingt das nach brutaler Vergeltung. Versöhnung ist es nicht und mit Frieden hat Rache nichts zu tun. Oder denkt der US-Präsident vielleicht doch nur an seine Wiederwahl im nächsten Jahr? Zu Recht argumentiert der Moraltheologe Wolfgang Palaver, dass im Falle von Osama bin Laden auf den uralten Sündenbockmechanismus zurück gegriffen wurde: Einer systematischen Dämonisierung des Erzfeindes folgt dessen gezielte „Opferung“ im Glauben, dadurch Frieden herstellen zu können.

Das Völkerrecht wurde mit diesem Militärakt in doppelter Weise außer Kraft gesetzt. Zum einen verbietet es die Liquidation unliebsamer Personen, zum anderen schützt es die Souveränität eines Landes. Der erste Verstoß gegen das Völkerrecht: Osama bin Laden war zum Zeitpunkt der Operation unbewaffnet. Die Erschießung feindlicher Kämpfer, die sich ergeben haben, gilt als schwerer Verstoß gegen die Genfer Konventionen. Ein „Kombattant“ darf nur angegriffen werden, wenn er sich etwa durch seine Bewaffnung als solcher zu erkennen gibt und „unmittelbar“ an Feindseligkeiten teilnimmt. Auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 untersagt die „Hinrichtung“ eines mutmaßlichen Verbrechers ohne Gerichtsverfahren. Der zweite Verstoß gegen das Völkerrecht: lslamabad war über die US-Mission angeblich nicht informiert. Pakistan wird zum Hinterhof der USA, in dem amerikanische Elitesoldaten die Souveränität des Landes ignorieren.

Bedenklich ist auch die Reaktion des UN-Sicherheitsrates. Der Tod des Al-Kaida-Chefs wurde ausdrücklich gut geheißen. Die wichtigste Organisation zum Schutz der Menschenrechte und Anwältin des Völkerrechts steht hier offensichtlich auf der Seite des Faustrechts! Durch die Hinrichtung Osama bin Ladens wird die Welt nicht friedlicher, wird der Terror nicht weniger. Sie bedeutet eine weitere Drehung in der Spirale von Gewalt und Gegengewalt und eine Verunsicherung durch die Delegitimierung der internationalen Organe.

Die Worte von Martin Luther King, wie Barack Obama Friedensnobelpreisträger,haben bleibende Gültigkeit: “Anstatt das Böse zu bekämpfen, vermehrt Gewalt dasBöse. ... Durch Gewalt wird der Hasser getötet, aber nicht der Hass. Tatsächlich wird der Hass vermehrt. Gewalt mit Gewalt zu beantworten vermindert nicht Gewalt, sondern führt zu noch mehr Gewalt. ...“ Dies bewahrheitet sich: Die Terrorgefahr steigt. Während die Anhängerschaft von bin Laden in den letzten Jahren ohnehin zunehmend abgenommen hat, haben die USA nun einen weiteren Märtyrer für islamistische Fundamentalisten geschaffen und damit Nährboden für künftige terroristische Aktionen. Dem Terror den Nährboden entziehen, den „Hass auf den Westen“ (Jean Ziegler) nicht anstacheln, positive Diplomatie praktizieren, mögliche künftige Terroristen nicht militärisch aufpäppeln – es gäbe so viele Alternativen.

Pax Christi Österreich protestiert gegen die Art wie die USA gegen Osama bin Laden vorgegangen sind und fordert eine internationale Untersuchung!