Die Reduzierung der Militärmusikkapellen ist ein "heisses" Thema. Die militärischen Musikcorps ihrerseits lassen keine Gelegenheit aus, mit 'klingendem Spiel', sprich: stammen Märschen, den hörbaren Beweis ihrer Existenznotwendigkeit anzutreten. Anlässlich des 100. Jahrestages des Beginns des 1. Weltkriegs in Tirol hat sich Dr. Klaus Heidegger von Pax Christi Tirol Gedanken zur Militärmusik gemacht, die durchaus auch für Vorarlberg bedenkenswert erscheinen. (Walter Buder)

Militärmusik und die Frage des Krieges

von Dr. Klaus Heidegger zum „Gedenktag des Kriegsbeginns in Tirol vor 100 Jahren“ am 23. Mai 2015

Die Diskussion um die Fortführung der Militärmusik in Österreich in gewohnter Form und Stärke folgt meist über monetäre Argumente. Die geplante Reduzierung der acht Militärmusikkapellen um zwei Drittel wird von Seiten des Ministeriums und der Regierung mit notwendigen Einsparungen begründet. Derzeit betragen die direkten Aufwendungen für die heimische Militärmusik 11 Millionen Euro. Das ist tatsächlich ein hoher Betrag, wenn es mit dem Ertrag in Korrelation gebracht wird. Jene, die gegen die Kürzungen für die Militärmusik sind, argumentieren auch auf finanzieller Ebene. Gemessen am Gesamtbudget des Heeres betrage diese Summe lediglich 0,56 Prozent. Die zentrale Frage „cui bono?“ – wem nützen Musikkapellen in Heeresuniform – wird kaum gestellt.

In der Geschichte hat die Militärmusik stets kriegerisches Geschehen unterstützt. In diesen Tagen wird in Tirol daran gedacht, als die ersten Kompanien in den Krieg gegen Italien aufbrachen. Pfingsten 1915. Hundertschaften von zwangsverpflichteten Soldaten zogen in sinnlose Schlachten. Beim Abmarsch gingen ihnen Militärkapellen voraus. Gleichschrittmusik macht Körper zu Gleichschrittmaschinen. Der Marsch wird zur musikalischen Kriegspropaganda. Die Aufgabe der Militärmusik war es immer schon, den „guten Ton“ zum martialischen Getöse zu machen. Der Kampfeswille sollte gestärkt werden. 1915 schrieb Kurt Tucholsky im Gedicht „Unser Militär“ im letzten Vers: „Aber noch übertönte den Jammer im Krieg: Militärmusik! Militärmusik!“

Auch heute ist der primäre Zweck der Musiker in Tarnfarbe nicht, schöne Musik zu bieten, sondern Sympathieträger für das Heer zu sein; vor allem soll eine emotionale Brücke zwischen Bevölkerung und Armee hergestellt werden. Der österreichische Spitzendiplomat der Nachkriegsjahre, Josef Schöner, schrieb in sein Tagebuch: „Überhaupt finde ich, daß trotz aller pazifistischen Vernunftargumente richtige Marschmusik etwas ist, das das Unterbewußtsein der Masse ganz direkt anrührt und aufrüttelt, sie geht ohne den Umweg über das Gehirn direkt an die Massenseele. Da kann die Vernunft noch so schöne Reden gegen den Militarismus halten – die Trompeten eines Militärmarsches rütteln die Herzen auf.“ Militärmusik verhindert auch Rekrutierungsprobleme. Ich könnte an dieser Stelle Dutzende meiner ehemaligen Schüler aufzählen, die auf die Frage, warum sie zum Heer gingen, die Militärmusik nannten. Dies gab ihnen tatsächlich die Möglichkeit zu einer gediegenen musikalischen Weiterbildung.

Sinn und Ziel der Militärmusik ist und bleibt, der militärischen Logik eine emotionale Basis zu geben und das militärische System zu stärken. Ein Land mit mikrigem Entwicklungsbudget bräuchte jedoch andere Töne: Es ginge nicht darum, in die militärischen Eskalationen überall auf dieser Welt noch mehr auf Militär zu setzen, sondern auf eine Politik der Deeskalation, der friedlichen Konfliktlösungsstrategien und, ja auch dies, der Entmilitarisierung. Dafür steht eben eine Militärmusik nicht. In einer Welt voller Kriege fehlt es an Signalen gegen jede Form der Militarisierung. Daher wäre eine Abschaffung der Militärmusik ein kleiner Schritt in eine Welt des Friedens.