Braucht es ein Wörterbuch Kirchisch – Deutsch / Deutsch – Kirchisch, weil sonst keiner mehr diesen Kosmos versteht? Am Ende des ersten Tages des Herbstsymposions der Katholischen Kirche Vorarlberg ist klar: Nein – nur eine bessere Sprache.

Die zentrale Frage fällt gegen 10.15 Uhr – und jeder kann sie hören. Bischof Benno Elbs, Altbischof Elmar Fischer, Pastoralamtsleiter Martin Fenkart – und all die Pastoralassistent/innen, Religionslehrer/innen, Vikare und gut 117 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Diözese Feldkirch, die zum Herbstsymposion ins Bildungshaus St. Arbogast gekommen sind. „Wozu“, fragt Prof. DDr. Matthias Beck, „brauchen wir Religion überhaupt?“

Oh. Äh… also… und während die Gedanken noch stottern, sind wir mitten im Thema: „Kirchisch – Deutsch / Deutsch – Kirchisch – Wege aus der religiösen Sprachlosigkeit“ haben die Initiatorinnen und Initiatoren das diesjährige Treffen getauft. Bloß: Über was reden wir da eigentlich? Was ist Religion, was Kirche?

Erst verstehen, dann predigen

Bevor diese Fragen nicht geklärt sind, meint Beck, brauchen wir das Denken über das Reden gar nicht anzufangen – vom Predigen ganz zu schweigen. Oder anders formuliert: Nur, wer eine Sache richtig verstanden hat, sie sich wirklich angeeignet, kann (und darf) sie auch weitergeben.

Den Eindruck, dass er selbst tief in der Materie steckt, konnte man bekommen: Als studierter Pharmazeut, promovierter Mediziner und Theologe, geweihter Priester, habilitierter Professor der Medizinethik, Patenonkel, Bruder und Mensch hat Beck vieles gesehen, noch mehr erlebt – und immer: gefragt. Wieso, weshalb, warum. Denn wer nicht fragt, bleibt… genau.

Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält

Auch, wenn er selbst den Nicht-mehr-Fragenden lieber Lateinisch „arrogant“ nennt – die Essenz bleibt dieselbe: Frage und Antwort, der Dialog – von Mutter und Kind, Zelle und Zellzwischenraum, Mensch und Dasein – sind Grundprinzipien menschlichen Daseins und damit auch wesentliche Antriebe der Religion. Woher kommen wir, wohin gehen wir, wozu sind wir hier?

Religion, sagt Beck, könne Hilfsmittel liefern für ein gelungenes Leben – und damit Antworten auf ebendiese Fragen. Dem Christentum komme also eine Art Hebammenfunktion zu, die den Menschen unterstütze, das Beste aus sich und seinem Leben zu machen – jeder nach seiner Art.

Das hat ja was mit mir zu tun!

Moment – das klingt irgendwie nach diesem halb-esoterischen Selbstoptimierungs-Sprech, mit dem sich Coaches und Lebensberater an Millenials goldene Nasen verdienen? Bedeutet das etwa… dass Religion tatsächlich etwas mit den Bedürfnissen, Sehnsüchten und Lebenswirklichkeiten der Menschen anno 2017 zu tun hat?

Die Antwort dürfte klar sein. Also: Sprechen wir darüber, wie wir darüber sprechen!
Sprechen, erklärt Psychologin, Theologin und Pädagogin Prof. Dr. Helga Kohler-Spiegel später, ist nämlich auch so eine Grundbedingung menschlicher Existenz: Kinder, die zwar gefüttert werden, aber nicht angesehen, nicht angefasst, nicht angesprochen, sterben. Und auch wir wollen wahrgenommen, berührt und adressiert werden – um uns angenommen und zugehörig zu fühlen. Als Kinder, als Jugendliche, als Erwachsene.

Reden ist Silber und Schweigen ist Gold

Die Gründe, warum das in der Kirche oft nicht oder nicht mehr gelingt, waren Gegenstand der Gespräche in den Pausen und Diskussionsrunden am späteren Nachmittag. Wo die einen eine Liturgie im Verdacht haben, die zu starr, zu unverständlich, zu weltfremd vorgetragen wird, fehlt anderen in die Glaubhaftigkeit des Gesagten, der Bezug sich zum Alltag im 21. Jahrhundert. Auch mögliche Lösungsvorschläge wurden diskutiert, zum Beispiel in Form von Gelegenheiten und Räumen, bei und in denen „alles“ geäußert werden darf. In Form von Predigten, die die Brücke schlagen zwischen Lesung und Lebenswirklichkeit. In Form von Versuchen, die auch fehlschlagen dürfen. Oder als Stille, wo es nichts zu sagen gibt.

Das Gebet im anschließenden Sendungsgottesdienst für die neuen Mitarbeiter/innen in der Pfarrpastoral gab eine erste Möglichkeit, sich im neuen, anderen, direkteren Sprechen zu üben. Denn, meint Beck: „Mit Gott kann man ganz normal reden.“