Da hat erst der Advent begonnen, der Christbaum steht noch nicht einmal und einer spricht schon von Neujahrsvorsätzen und Fragen an das eigene Leben – immer diese Beschleunigung! Aber vielleicht ist das bevorstehende Weihnachtsfest auch eine Gelegenheit darüber nachzudenken, was uns in unserem Christsein oder im seelsorglichen Dienst Halt, Antrieb und Schwung verleiht...

Eine FRAG-DICH-BOX für neuen missionarischen Schwung 2018

„Lassen wir uns die missionarische Kraft nicht nehmen!“
… erträumt und ersehnt Papst Franziskus in seinem Lehrschreiben Evangelii Gaudium (§109) einen neuen missionarischen Frühling für die Katholische Kirche und all ihre Getauften. Erfüllt vom Wunsch, dass echte und innige Freude ein Erkenntnismerkmal der Christen von morgen sei, appelliert er an unseren Realismus und spricht nicht von Hindernissen, sondern vielmehr von Herausforderungen, die existieren, um überwunden zu werden. Ohne Heiterkeit und Wagemut – so Franziskus – und ohne hoffnungsvolle Hingabe jedoch wird es nicht möglich sein, diese „Challenge“ zu überwinden. Dala-Pferd

Agnieszka K / pexels.com

Franziskus will mit seiner Kirche nicht in der Theorie stecken bleiben, sondern sie in eine neue Praxis begleiten. Und wenn wir den Spirit der großen Patronin der Mission, der kleinen Hl. Thérèse vom Kinde Jesu berücksichtigen, dann lässt sich ergänzen, dass man  Herausforderungen bzw. das Hindernis eines großen Pferdes auch überwinden kann, indem man den Weg unter ihm hindurch wählt, anstelle mittels Stabhochsprung über das Ross zu gleiten. „Es gibt kein Hindernis für die Kleinen, sie rutschen überall durch“, meint Thérèse in diesem Zusammenhang, die für sich selbst den Weg der Gottergebenheit gewählt hat. Heute würde man zur leichteren Verdaulichkeit vielleicht von einem Weg der Gelassenheit mit Gottes Geist sprechen, zumindest klingt das für „Ohren4.0“ deutlich „sexier“ als gottergebenes Leben.

Mut zur einfachen Sprache und zum persönlichen Experiment der Einstellungsmodulation

Offengestanden, manchmal kann man ihrer schon überdrüssig werden – der vielen kircheninternen Diskussionen über entscheidende Weichenstellungen der Kirche für eine bessere und der Zeit angemessenere „Pastoral“, nicht zuletzt dann, wenn sie einer „idealisierten Vergangenheit“ nachtrauern. Dabei suche ich nicht die Reihe rückwärtsgewandter Reformverweigerer und bin davon überzeugt, dass jene für viele lokale Suchprozesse und Lernwege wichtig sind, die – ausgehend vom Geist des II. Vatikanums – die Zukunft der Kirche ganz neu ins Visier nehmen. Vielen Menschen ist es ein Herzensanliegen, dass wir grundlegend weiterkommen in der guten Kirchenentwicklung.

Über den globalen Blick hinter den Horizont der Pastoral hinaus ist es jedoch wichtig, nicht in der Experten-Theorieblase stecken zu bleiben und darüber hinaus nötig, dass erste Reformen und Umkehrschritte stets auch bei mir selber im Kleinen ansetzen.  Da liegen schon einmal die ersten relevanten Herausforderungen, die Papst Franziskus gemeint haben könnte, wenn es um einen geistlichen Erneuerungsprozess für die Kirche geht.

Bei allen laufenden Pastoral-Prozessen, beim Erschaffen neuer Seelsorgeeinheiten, ist es für viele noch irgendwie nachvollziehbar, dass an der Personal- oder Strukturschraube gedreht wird. Die dahinter liegenden spannenden und entscheidenden Fragen, was denn der Plan Gottes für seine Kirche heute ist und was das für mein persönliches Leben als Christ an Neuem bedeutet, welches traditionelle oder innovative Bild von Kirche wir in uns tragen und welche Reformen eingeleitet werden müssen – global oder zunächst bei mir selbst – muss mit vielen Menschen erst thematisiert werden. Im öffentlichen Diskurs vermisse ich die Achtsamkeit bei der Wahl der verwendeten Sprache, denn eine breite Öffentlichkeit fühlt sich persönlich nicht angesprochen, schaut und hört fragend und nicht verstehend zu, während wir umgestalten und mit unseren kirchlichen Begriffen im öffentlichen Raum fachsimpeln. Alleine das Wort „Pastoral“ sorgt bei vielen „Otto-Normal-Christen“ für Stirnrunzeln, weil sie nicht verstehen, was damit genau ausgedrückt werden soll. Es wird also wieder „Kirchisch“ gesprochen und das steht vielfach auch in einem gewissen Widerspruch zum vielersehnten kirchlichen Aufbau einer Beziehungs- und Beteiligungskirche, bei der die Christen/innen befähigt und einbezogen werden sollen.

Handstand
 Michael Fertig / pexels.com

Eine wichtige Chance liegt nicht nur im selbstkritischen Hinterfragen, ob wir für „einfache Leute“ verständlich sind, sondern – über alle wichtigen Pastoral-Prozesse hinaus – im Experiment und Ausdruck des eigenen Lebens. Dass die freudige, hoffnungsvolle und für das eigene Leben attraktive Botschaft des Christentums die Menschen von heute erreicht, hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob es gelingt, diese für die Menschen in nächster Nähe hinter dem Gartenzaun zu übersetzen, verständlich, erlebbar und zugänglich zu machen und einladend von ihr zu erzählen. Mit wem stehe ich in welcher Beziehung? Wie beteilige ich mich am Leben der Anderen und wie teile ich mein eigenes Leben mit ihnen? Da kommt der Gedanke an Viktor Frankls Einstellungsmodulation: Wenn man keine Möglichkeit hat, einen allgemeinen schwerfälligen Zustand von heute auf morgen zu ändern, zu verbessern oder anzupassen, so kann man immer noch die eigene Haltung zur vorherrschenden Situation justieren. Kurzum, es geht darum, den persönlichen Freiraum für Möglichkeiten in der jeweiligen Situation zu erkennen und zu verwirklichen und sich nicht mit den Argumenten zu Tode zu lamentieren, dass man an der bestehenden oder vorherrschenden kirchlichen Situation wenig zu verändern vermag, oder dass wir im Stillstand verharren müssten, weil wir als Kirche in der Selbstgefälligkeit und Selbstverwaltung ersticken.

Vom Hören auf Gottes Geist zur „Frag-dich-Box“ als Missionshilfe für 2018

Wenn Papst Franziskus von der Zukunft träumt und klarstellt, dass Evangelii Gaudium programmatische Bedeutung hat, weil die Priorität für ihn auf der Evangelisierung der Welt liegt und nicht auf der Selbstbewahrung und Selbstverwaltung der Kirche (Evangelii Gaudium 27), dann vertraut er vermutlich vor allem auf das Handeln und die Macht des Heiligen Geistes, der sich unserer Schwachheit annimmt (Römer 8, 26). Schließlich geht es darum,  dass wir im Hören auf den Geist Gottes die Apostelgeschichte im Heute weiter schreiben. Jedes einzigartige Leben – und sei es noch so klein - bietet der Christin und dem Christen nicht nur die Möglichkeit und Gelegenheit dazu, sondern auch den je eigenen Verantwortungsspielraum mit entsprechenden Pflichten und Rechten. Um im eigenen Leben Nägel mit Köpfen zu machen, lohnt es sich, den Dekalog der Gelassenheit von Johannes XIII im Gepäck dabei zu haben. Da ist sie also wieder, die berühmte Gelassenheit, die zugegebenermaßen zumindest in meinem Leben ausbaubar ist. In einem 10 Punkte-Programm präsentiert der Konzilspapst einen Wegweiser für den Alltag zwischen Leben, Glück, Handeln, Planen, Vertrauen oder Realismus und meint: „Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich an meine Wünsche anpassen.“ – Eine weitere Einladung, uns auf die vorherrschende Wirklichkeit im Jetzt mit unserem ganzen Leben einzulassen und die Möglichkeiten eines missionarischen christlichen Lebens zu ergreifen, die in unserem eigenen Tun und Lassen liegen.

Auf der Suche nach einer beherzten christlichen Einstellung für jeden Tag, um an den entscheidenden Fragestellungen des eigenen missionarischen Lebens nicht vorbei zu gehen oder sich gar billig vom Verkündigungsauftrag der Getauften herauszureden, tauchte die Idee auf, eine FRAG-DICH-BOX für 2018 zu erfinden – eine kleine Box mit ständig erweiterbaren Fragen als Steighilfe bei der Gewissensforschung für eine/n einfache Missionar/in, einen einfachen Missionar. Ein Kompass für persönliche Schritte in eine abenteuerliche Zukunft hinter dem Horizont, für Christinnen und Christen, die Lust haben, mit kleinen, vielleicht unsicheren Schritten loszulegen und etwas in ihrem Alltag zu wagen. Hinter dem Experiment verbirgt sich die Vermutung, dass eine erfüllte Zukunft nicht nur von großen Strukturprozessen abhängt, sondern ob es uns gelingt, in erster Linie passende Antworten auf entscheidende Fragen des Alltags zu finden. Mal sehen, ob die FRAG-DICH-BOX hilft zumindest der Ausreden-Schleife zu entgehen, dass so vieles leider nie wachsen konnte, weil es dafür immer irgendwelche Argumente gab.

Jeffrey Zeldman / flickr.com
 Jeffrey Zeldman / flickr.com

FRAG-DICH-BOX

    1. Wann habe ich mich das letzte Mal gefreut? (Phil 4,4)
    2. Was kann ich, mag ich und wie nutze ich meine Talente für die Mission?
    3. Was will ich vermehren oder initiieren?
    4. In welchen Bereichen bin ich ergänzungsbedürftig?
    5. Von wem lasse ich mich persönlich ermutigen, begleiten, korrigieren?
    6. Durch wen spricht mich Gott wie an?
    7. Wer oder was ist mit Jesus Christus in mein Leben gekommen?
    8. Wovon bin ich persönlich ergriffen und welche Botschaft drängt mich?
    9. Wie und was lebe ich mit Gottes Hl. Geist?
    10. Welchen kleinen Erfolg habe ich zuletzt gefeiert?
    11. Welche Bedeutung hat für mich meine Taufe? (….und wie ist das bei den Menschen in meinem Umfeld?)
    12. Welche Veränderung steht in meinem Leben an, gibt es Trägheit?
    13. Worin/ woran erkenne ich meine Berufung?
    14. Was will ich wirklich, wirklich in meinem Leben leben?
    15. Welchen Weg wähle ich, wie und mit wem gehe ich ihn?
    16. In welche Welt, mit welchen Fragen und Nöten bin ich gestellt?
    17. Was bedeuten Freude, Hoffnung, Trauer und Angst meiner Nächsten für meinen persönlichen Auftrag in der Welt?
    18. Welchen Beitrag leiste ich für Dialog, Solidarität und Frieden?
    19. Was wächst schon oder was soll künftig wachsen?
    20. Was steht in meiner Verantwortung und wofür setze ich mich ein?
    21. An welchen Prozessen beteilige ich mich/ nicht?
    22. Welche Beteiligungsprozesse starte ich selbst in meinem Leben/meinem Umfeld?
    23. Welche Bedürfnisse und Sehnsüchte der Menschen umgeben mich und wie antworte ich darauf?
    24. Wen kenne ich und welche Möglichkeiten ergeben sich daraus?
    25. Wen lade ich zu Jesus ein?
    26. Für welche neuen Freundschaften und Beziehungen bin ich offen und wen begleite ich wie?
    27. Welche Botschaft möchte ich keinem Menschen vorenthalten?
    28. Welche Haltungen bestimmen mein Evangelisieren?
    29. Welche Formen und Inhalte wähle ich für mein Glaubenszeugnis?
    30. Welchen Armen habe ich als Freund?
    31. Wie und was teile ich mit anderen?
    32. Wo und wie kann ich einfacher werden?
    33. Wie steht es um meine eigene Gottesbeziehung?
    34. Was lässt mich zweifeln und wozu hilft mir das?
    35. Wie schaut mein Gebet aus und was nährt es?
    36. Für wen verpflichte ich mich im Gebet?
    37. Welche Orte und Plätze in meinem Leben haben welche Kraft und welchen Stellenwert?
    38. Welches Bibelwort spricht mich an und zu was?
    39. Welchem Kirchenbild diene ich mit Hingabe und Mut?
    40. Wie gehe ich mit anderen Kirchenbildern um?
    41. Für welche Reformen meiner Kirche bringe ich Geduld auf und setze mich konstruktiv dafür ein?
    42. Was steigert in mir missionarischen Schwung oder was raubt ihn mir?
    43. Warum, wie und mit wem lebe ich überhaupt die Mission?
    44. Welche Türe kann ich wem zum Leben öffnen?
    45. Wie lebe ich christliche Gemeinschaft?
    46. Wen binde ich in die Unterscheidung wichtiger Entscheidungen ein?
    47. Wie wachsen in mir Glaube, Hoffnung, Liebe, Treue…?
    48. Mit wem und wann tausche ich mich über mein Christsein aus?
    49. Wie engagiere ich mich im Dienst an den Armen oder in den Gottesdiensten?
    50. Wie kann ich Interesse wecken für eine Kirche, die aus sich hinaus geht und das Gespräch mit den Menschen sucht?

    50 einfache Fragen. Ein kleiner, unbedeutender Versuch damit zu beginnen, nicht stehen zu bleiben auf dem christlichen Weg, den Papst Franziskus mit seiner Sehnsucht überschreibt: „Lassen wir uns die missionarische Kraft nicht nehmen!“ Es gibt absolut keinen Anspruch auf Ausgewogenheit oder Treffsicherheit in so einem Fragenkatalog. Er versteht sich vielmehr als Einladung an jede/n einzelne/n, sich am besten all jene Fragen zu stellen, die ihr/ ihm Gottes Geist heute eingibt, damit die freudige Botschaft sich weiterhin verbreite.