„Ich stehe an Deiner Krippe hier und kann mich nicht satt sehen“, so heißt es in einem wunderbaren Weihnachtslied von Paul Gerhard. Auch wir stehen heute an der Krippe und können uns nicht satt sehen. Weihnachtspredigt des Diözesanadministrators Dr. Benno Elbs.

„Ich stehe an Deiner Krippe hier und kann mich nicht satt sehen“, so heißt es in einem wunderbaren Weihnachtslied von Paul Gerhard. Auch wir stehen heute an der Krippe und können uns nicht satt sehen. Drei Gedanken dazu möchte ich Ihnen heute an diesem Weihnachtstag mitgeben.

- Der Ort
- Das Geschehen
- Die Hoffnung

 

1. Der Ort

Das ganze sieht eher wie ein Notprogramm oder vielleicht sogar wie ein Fehlstart aus. Jesus, der später Sohn Gottes genannt wird, kommt nicht in einem Palast zur Welt und auch nicht in seinem Zuhause in Nazareth. Die Familie ist unterwegs. Sie ist fremd. Niemand gibt ihr Herberge. Und dann die Tiere. Sie spielen nicht die Hauptrolle in der Heiligen Nacht, aber wichtig sind sie schon. Ohne sie wird es nicht Weihnachten. Die Tiere im Stall, damals in Bethlehem, Ochs und Esel sollen es gewesen sein. Maria und Josef legen ihren neugeborenen Sohn in eine Futterkrippe. Ein improvisiertes Bett. Das ist damals wie heute keine gute Adresse für eine Übernachtung und erst recht nicht für eine Geburt. Und doch: von diesem Ort ist immer schon ein eigener Glanz ausgegangen.

2. Was geschieht hier an diesem Ort? Das Geschehen

Ist das ganze nur ein Zufall? Ein Spiel der Geschichte und des Schicksals? Oder – ist das, was hier geschieht – der Kern einer neuen Hoffnung? Ich glaube, an der Krippe entdecken wir den eigentlichen Herzschlag des christlichen Glaubens. Hier wird er spürbar und tastbar. Jesus hat sich den Belasteten zugewandt. Er gab ihnen, die auf keine Hilfe hoffen durften, seine Zuwendung. Das ist das gr0ße Kennzeichen der Wirksamkeit Jesu – von seiner Geburt bis zu seinem Tod. Hier wird bildlich und wirklich erfahrbar, was der Prophet Jesaja als zentrales Geheimnis des Lebens Jesu vorausgesagt hat. Der Geist des Herrn ruht auf ihm. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe, damit ich alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. (Jes 61).

Und deshalb sind  der Ort und das Geschehen so eng miteinander verbunden. Die Heilige Familie ist fremd und landet im Stall bei den Tieren zwischen Mist und Staub und Spinnweben. Gott sucht sich seinen Platz  auf der untersten Sprosse unserer Rangordnung, zwischen Esel und Ochs wird der Christus geboren.

Der Psychologe Adolf Portmann sagt, dass der Mensch hineingeboren wird in einen sozialen Uterus, in eine Gemeinschaft  Ohne sie kann der Mensch nicht leben. Ein kleines Kind in der Hand drückt diese Hilflosigkeit des Menschen ganz deutlich aus. Und das entscheidende Nahrungsmittel in den ersten Lebensjahren des Menschen bis hin ins hohe Alter ist die Zuwendung.

Die moderne Hirnforschung weist ganz deutlich darauf hin, dass das Schlimmste für einen Menschen das Ausgegrenztsein ist. Nicht dazugehören dürfen. Im Gehirn werden dann die gleichen Botenstoffe ausgeschüttet wie bei großem körperlichen Schmerz, so wie bei körperlichen Schlägen.

Wir leben aus der Zuwendung.

Der Weg Gottes ist die Zuwendung zu den Menschen, besonders zu jenen, die am Rande stehen, an die niemand denkt und die nicht im Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit sind.

Der Theologe Karl Rahner sagt in Anlehnung an das heutige Evangelium: Weihnachten heißt, Gott hat sein Wort, sein unwiderrufliches Wort in die Welt gesagt, das da heißt, ich liebe Dich Du Welt, ich liebe Dich Du Mensch.

GOTT IST GEKOMMEN, ER IST DA
Und darum ist alles anders, als wir meinen.
Wenn wir sagen: es ist Weihnacht,
dann sagen wir, Gott hat sein letztes,
sein tiefstes, sein schönstes Wort,
im fleischgewordenen Wort
in diese Welt hineingesagt,
ein Wort, das nicht mehr
rückgängig gemacht werden kann,
weil es Gottes endgültige Tat,
weil es Gott selbst In der Welt ist.
Und dieses Wort heißt:
ICH LIEBE DICH,
DU WELT UND DU MENSCH


(P. Karl Rahner SJ)

Und 3. Was ist die Hoffnung? Was trägt uns, wenn wir uns selbst nicht mehr tragen können?

Eben genau das: dass wir zur Krippe gehen können mit unseren Ängsten, mit meinen unversöhnten Beziehungen, mit meiner Trauer, beim Verlust eines Menschen, mit meinen belastenden Kindheitserfahrungen, mit meiner Sehnsucht nach Glück und Heilung.

Mitten in alles Dunkel, das Menschen erleben, mitten in das Niederdrückende des Alltags, mitten in die glitzernde Oberflächlichkeit kommt ein Licht und ein Friede, der die Herzen anrührt und die Menschen aufrichtet. Gott ist da – als kleines Kind ist er bei uns und bleibt bei uns Er lässt uns nicht fallen. Niemals.

Der Glanz der Krippe ist diese Hoffnung.

Fürchte Dich nicht. An der Krippe füllt Gott die leeren Hände, die sehnenden Herzen mit jauchzendem Leben. Gottes Leuchten ist sichtbar im Stall von Bethlehem. Hier, vor der Krippe, kann sich unser Herz füllen mit diesen Hoffnungsgedanken.

Hildegard Nies fasst diese weihnachtliche Hoffnung mit einem Gedicht zusammen:

An jenem Tag
wird die Wüste blühen
und wird Wasser fließen
für die Durstigen.

An jenem Tag
werden Tränen getrocknet
und Trost wird einziehen
in die Herzen der Traurigen.

An jenem Tag
wird das Leben aufstehen
und den Tod vertreiben
aus den Gräbern der Welt.

An jenem Tag
wird der Mensch aufstehen,
um Mensch zu werden,
wie Gott ihn gedacht hat.

An jenem Tag.


(aus Tedeum Dezember 2011, Seite 111)



Dr. Benno Elbs
Diözesanadministrator