1640 brechen Sebastião Rodrigues und Francisco Garpe, zwei Priester des Jesuitenordens aus Portugal, nach Japan auf, um ihren Mentor Christóvão Ferreira zu suchen, der seit längerer Zeit verschwunden ist und verdächtigt wird, dem christlichen Glauben abgeschworen zu haben. Die japanischen Herrscher widersetzen sich mit allen nur erdenklichen Foltermethoden den Christianisierungsversuchen der Jesuiten.

Klaus Feurstein

Ein modernes Filmkunstwerk hält vieles in der Schwebe

„Silence“ erzählt eine Passionsgeschichte. Neben explizit gezeigten Kreuzigungsszenen wird Pater Rodrigues im Laufe des Geschehens auch äußerlich Jesus immer ähnlicher – bis zur schmerzlichen Getsemani-Szene. Die japanischen Christen, die im Untergrund leben müssen, sind seine Jünger. Und es gibt einen Judas, dessen sich stetig wiederholender Verrat mit der anschließenden Vergebungsbitte vielleicht die immerwährende Schwäche des menschlichen Willens angesichts grausamer Folter zeigen will, sich aber für die Zuschauer zum (unfreiwillig?) komischen Running Gag des Filmes entwickelt.

Passion. Verfolgung. Martyrium.

Pater Rodriguez wird gefangengenommen, gefoltert und vom Inquisitor aufgefordert, seinem Glauben abzuschwören. Ginge es dabei nur um die Rettung des eigenen Lebens, so würde er das Martyrium wählen. In dieser Situation geht es aber darum, dass er mit dem Glaubensabfall fünf Menschen das Leben rettete. Andererseits könnte er als Apostat nicht mehr das Vorbild für die verfolgten japanischen Christen bleiben, und sie würden jeglichen Halt verlieren, wenn der letzte katholische Priester seinen Glauben aufgibt. Ganz Japan wäre für das Christentum verloren und die Japaner für die ewige Seligkeit – eine grausame Dilemma-Situation! Verzweifelt ruft Pater Rodrigues Gott an, ihm eine Antwort zu geben. Wie soll er sich entscheiden? Wie kann der Allmächtige überhaupt die Grausamkeiten der japanischen Machthaber an den Christen zulassen?

Fragen. Zweifel. Schweigen.

Aber Gott schweigt. Zumindest lange Zeit. Dann hört der Jesuitenpater in seinem großen Gewissenskonflikt doch noch eine Stimme, und er fällt eine Entscheidung. Der Referenzpunkt seines Handelns wird dabei in Schwebe gehalten: Ist es das Weltbild des 17. Jahrhunderts, das von einem gläubigen Katholiken verlangt, anderen Kulturen das Christentum zu bringen, weil sie sonst der ewigen Verdammnis anheimfallen oder das der Moderne, wo ein Nebeneinander und Miteinander des Buddhismus und des Christentums kein Problem sind. Die Jesuiten Hugo Enomiy-Lassalle oder Nikolaus Brantschen sind im 20. und 21. Jahrhundert gleichzeitig katholische Priester und buddhistische Zen-Meister. Im ersten Fall müsste Rodrigues den Abfall verweigern, um humanistisch zu handeln, im zweiten wäre er mit seiner Entscheidung fürs Martyrium ein Glaubensfanatiker.

Was ist Wahrheit?

Wie Jesus vor dem römischen Statthalter Pilatus steht Rodrigues vor dem japanischen Inquisitor und wie jener vertritt auch der Japaner die Pilatus-Position in der Wahrheitsfrage. Was ist Wahrheit? fragt der Statthalter in den Evangelien und der Inquisitor behauptet, wenn etwas für Europa wahr sei, müsse dies nicht für Japan gelten – eine moderne Position. Der Pater hält ihm entgegen, die Wahrheit sei allumfassend und für alle gültig. Welchem Wahrheitsbegriff eine Missionierung im Sinne von Inkulturation, wie sie eigentlich schon vom ersten und größten Asienmissionar Franz Xaver praktiziert (später aber als Synkretismus diskreditiert) wurde, entspräche, bleibt wiederum unbeantwortet.

Glaube – eine Frage individueller Spiritualität

In der Überzeugung, zwar seinen Glauben verraten, aber im Sinne Jesu (an seiner Stelle) gehandelt zu haben, schwört Rodrigues dem Katholizismus ab, wird wie sein Lehrer, Pater Ferreira, Buddhist und heiratet eine Japanerin. Dabei bleibt auch diesmal in der Schwebe, ob sein Glaubenswechsel und der seines Mentors wirklich vollzogen wird, oder ob sie innerlich dem Christentum treu bleiben. Immerhin gibt es zwei Hinweise, die für Letzteres sprechen. Der zum Buddhismus konvertierte Pater Ferreira nennt im Gespräch Christus „unseren Herrn“ und am Schluss des Films wird dem toten Pater Rodriguez von seiner Frau – unbemerkt von den Japanern, aber für die Zuschauer kurz sichtbar – ein kleines Kreuz in seiner Kleidung versteckt. In einem modernen Verständnis würde dies bedeuten, „dass Glauben keine Frage von Symboltreue ist, sondern eine Sache der individuellen Spiritualität.“ (Kai Mihm, epdfilm 3/17) Das besonders Gelungene am Film und das eigentlich Moderne ist gerade die Offenheit des Erzählens, seine Verweigerung, eindeutige Antwort zu geben.

Der Regiestar Martin Scorsese, selbst gläubiger Katholik und ehemaliger Jesuitenzögling, zeigte den Film dem Papst im Vatikan persönlich. Franziskus wollte ursprünglich selbst als Missionar nach Asien, musste aber aus Gesundheitsgründen auf seinen Wunsch verzichten.
Scorseses „Silence“ wurde vom renommierten National Board of Review unter die „Besten zehn Filme des Jahres“ 2016 gewählt.

Aufführungstermine

Mittwoch, 15.3.2017, 20:30 Uhr
Schlosskino Balzers