Der neue Film von Darren Aronofsky bedient sich einer biblischen Figur. Damit steht das Werk in einer Reihe von Filmen, die sich - auf sehr unterschiedliche Art - mit biblischen Themen auseinandersetzen. Rückblick und Momentaufnahme von Klaus Feurstein.

Klaus Feurstein

Wahrscheinlich mussten erst die entsprechenden tricktechnischen Möglichkeiten des Films vorhanden sein, um den dramatischen Stoff von Noah, der Sintflut und der Arche auf die Leinwand zu bringen. Anders ist es kaum zu erklären, dass die spektakuläre Geschichte nicht schon früher verfilmt wurde. Schließlich haben biblische Stoffe – mehr oder weniger gut über die Filmgeschichte verteilt – immer wieder den Weg ins Kino gefunden.

Die Bibel in Hollywoods Großproduktionen

In gewaltigen Bibelepen wie „Die zehn Gebote“,  machte Cecil B. DeMille gleich zweimal  (1923 als Stummfilm und 1956 in einem der größten Monumentalfilme aller Zeiten) die Moses-Geschichte einem Massenpublikum zugänglich. Der Film von 1956 ist immer noch der finanziell siebt erfolgreichste Film überhaupt.
Auch Jesus fand über riesige Hollywoodprojekte den Weg ins Kino: „König der Könige“ (1927 ebenfalls als Stummfilm von DeMille und 1960 als Remake in beeindruckendem  Cinemascope von Nicolas Ray) erzählt die Geschichte des Nazareners als Aufsehen erregende Großproduktion. Weniger erfolgreich war „Die größte Geschichte aller Zeiten“ aus dem Jahr 1963, in der sensationelle Schauwerte zugunsten einer bedächtigen Feierlichkeit zurücktreten. Er wurde zu einem der größten Flops der Filmgeschichte.

Filme mit künstlerischem Anspruch

Daneben gab es auch künstlerisch anspruchsvollere  Auseinandersetzungen mit der Jesusfigur, wie der provokante „Die letzte Versuchung Jesu“  von Martin Scorsese (eigentlich keine Bibelverfilmung, sondern die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Nikos Kazantzakis) und die Adaption des Matthäus-Evangeliums von Pier Paolo Pasolini „Das 1. Evangelium – Matthäus“. Interessant, dass damit gerade einem Atheisten der vielleicht spirituellste Bibelfilm gelungen ist, während der ultra-katholische Mel Gibson in „Die Passion Christi“ (2004) eine ziemlich unchristliche und unfreiwillig komische Sado-Maso-Geschichte ins Bild setzte.

Noah im Film

Die Noah-Geschichte wurde bislang im Kino nur als Episode in John Hustons  Monumentalfilm „Die Bibel“ (1966) auf die Leinwand gebracht. Und jetzt versucht es der renommierte Regisseur Darren Aronofsky, der schon mit „The Fountain“, einem beeindruckenden mythisch-spirituellen Meisterwerk, bei religiösem und cineastischem Publikum großes Aufsehen erregte.

In seinem Noah-Film geht er aber weit über den Bibeltext hinaus, etwa mit der Schilderung eines Generationen dauernden Kampfes zwischen dem Stamm Kains und den Nachfahren Seths. Aronofsky erzählt die Episode als  Konflikt zwischen den kainitischen Fleischfressern und den gottesfürchtigen Pazifisten und Vegetariern der Seth-Gruppe und stattet damit die urgeschichtliche Handlung mit einer aktuellen politischen Botschaft aus. Und mit der Gegenüberstellung von Naturliebe und städtischem Leben etabliert er in der biblischen Geschichte einen neuzeitlichen Kulturpessimismus.

Noah als eine schwer erträglich Heldenfigur, als ein Rechthaber und Kontrollfreak in der Art eines Sektenführers, der die Ausrottung der Menschheit will ,hat mit der Bibel nur noch wenig zu tun. Bemerkenswert ist allenfalls die Bilderkraft des Films, der auf den exzessiven Gebrauch modernster Computertechnik setzt.

Bibel-Boom in Hollywood

2013 entstand in den USA die zehnteilige Fernseh-Miniserie „Die Bibel“, die Rekordquoten von bis zu 13 Millionen Zuschauern pro Sendung erreichte. Dabei wurden die bekanntesten Episoden des Alten und Neuen Testaments mit Hilfe von Spielszenen rekonstruiert, darunter auch die Lebensgeschichte Jesu. Diese Serie soll zu Ostern 2014 in Deutschland bei VOX zu sehen sein.

Auf Grund des Erfolgs wurde die Jesusgeschichte auch fürs Kino adaptiert und hat unter dem Titel „Son of God“ nach wenigen Wochen mit 58 Millionen Dollar seine Produktionskosten schon hereingespielt.
Mit  „Exodus“ von Ridley Scott, einer Neuverfilmung der Auszugsgeschichte, einem Maria-Film mit Ben Kingsley und Julia Ormond, einem Pilatus-Film mit Brad Pitt und einer Kain-und-Abel-Geschichte von Will Smith wird  in Bälde eine ganzer Haufen Bibelfilme in die Kinos kommen.

Sinnsuche und Gewinnstreben

Schon möglich, dass Menschen sich wieder mehr für biblische Themen interessieren. Die Sehnsucht nach klaren Werten, die Suche nach Sinn und hoffnungsvollen Botschaften wird in einer Welt, die immer schneller, komplizierter und oberflächlicher wird, offenbar wieder größer.

Jedenfalls hat die Filmindustrie in den USA realisiert, dass es bei den Millionen von evangelikalen Christen ein riesiges Potential an Kinobesuchern und DVD-Käufern gibt – solange die Bibel in Form von realistischen und ergreifenden Geschichten brav und naiv dem Wortlaut der Hl. Schrift entlang erzählt wird. Das heißt, solange die Erkenntnisse der modernen Bibelwissenschaft außen vor gelassen werden, man im Kino zum staunenden Kind retardieren und keine zeitgemäße, reflektierte Position einnehmen muss. Religion als Gefühlswallung  und ausgestattet mit einfachen Antworten auf komplexe Lebenssituationen – das ist wohl das Erfolgsrezept des neuen Bibel-Booms in Hollywood.

„Noah“ von Darren Aronofsky läuft derzeit in Vorarlbergs Kinos.