Morgengrauen. Ein schwerbewaffneter Sturmtrupp dringt in eine Wohnung ein und verhaftet eine Jugendliche. Sie wird für eine Terroristin des IS gehalten, die in Frankreich ein Attentat verüben wollte. Die Eltern fallen aus allen Wolken und sind völlig geschockt. Sie haben nicht das Geringste geahnt.

Klaus Feurstein

Der Film erzählt die Geschichte von zwei jungen Französinnen aus gutbürgerlichem Haus, wie sie systematisch und von der Umwelt unbemerkt zu fanatischen Dschihadistinnen werden. Er erzählt verschachtelt und nicht chronologisch. So müssen die Zuschauenden selber – wie die Eltern im Film – Stück für Stück erarbeiten, was passiert ist.

Aktualität des Films

„Der Himmel wird warten“ ist ein hochaktueller Film: Zahlreiche junge Menschen aus Europa schließen sich den Dschihadisten der Terrormiliz vom „Islamischen Staat“ an. Nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz (2015) sind mehr als 700 Islamisten aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak ausgereist. Etwa ein Fünftel der Ausgereisten ist weiblich. Über die Hälfte der ausgereisten Dschihadistinnen war zum Ausreisezeitpunkt jünger als 25 Jahre. Bei einem Sechstel der europäischen Dschihadisten handelt es sich um Konvertiten, deren Anteil in Frankreich sogar bei einem Viertel liegt.

Verstärkt nutzen Islamisten soziale Netzwerke oder Apps, um mit Jugendlichen in Kontakt zu kommen und sie für den Dschihad zu begeistern. «Der Himmel wird warten» zeigt dies am Beispiel von Mélanie, die von einem Mann mit dem Usernamen „Freigeist“ und dem Profilbild eines Löwen angeworben wird. Nach und nach gelingt es ihm, das junge Mädchen von sich abhängig zu machen. (Institut für Kino und Filmkultur)

Dokumentarischer Spielfilm

Dass „Der Himmel wird warten“ mitunter wie eine Dokumentation wirkt, hat seinen Grund vor allem auch darin, dass Dounia Bouzar, die im Film eine Gesprächsgruppe betroffener Eltern leitet, schon zwei Bücher zu diesem Thema geschrieben hat. Sie ist Vorsitzende des 2014 gegründeten Centre de Prévention contre les Dérives Sectaires liées à l‘Islam (CPDSI), das sich der Prävention, De-Radikalisierung und individuellen Betreuung von Jugendlichen verschrieben hat, die der Verführung durch den „Islamischen Staat“ entkommen sind.

Die immer wiederkehrenden Szenen der Sitzungen der Selbsthilfegruppe strukturieren den Film. Da werden viele Informationen und Ratschläge, verpackt in die Antworten der Mediatorin, an die Zuschauenden weitergegeben. Das wirkt mitunter etwas didaktisch (ein Film für die Schule!), aber die Wärme und ruhige Bedachtsamkeit von Dounia Bazar entwickelt „eine universelle Kraft, die der populistischen Panikmache ein Plädoyer für einen unaufgeregten und differenzierten Umgang mit Islam und Islamisten entgegensetzt.“ (Epd film)

Der Film wird am 22.6. und 24.6. im Filmforum Bregenz gezeigt.

„Der Himmel wird warten“, Originaltitel: „Le ciel attendra“,  Frankreich 2016, Regie: Marie-Castille Mention-Schaar, Länge: 105 Min., FSK: ab 6 Jahren.

Die DVD ist wahrscheinlich erst ab Herbst erhältlich. Das Institut für Kino und Filmkultur hat aber schon jetzt dazu ausgezeichnete Unterrichtsmaterialien bereitgestellt: www.film-kultur.de/glob/der-himmel-wird-warten_kc.pdf