Im Schnitt sind es 18 Gespräche, die die Telefonseelsorge Vorarlberg mit Männern führt – und das im Tag! Wir haben Sepp Gröfler, den Leiter der Telefonseelsorge, um seine Erfahrungen mit Männern gefragt.

von Sepp Gröfler

„Sich zurückziehen war meine bevorzugte Bewältigungsstrategie, wenn es mit zu eng wurde. In guten Zeiten Sunnyboy, aber wenn es mir schlecht ging, flüchtete ich ins Alleinsein. Ich habe es nie gelernt, Hilfen anzunehmen“, schreibt ein Mann, der sich in seiner Not an die Telefonseelsorge wandte. Sich Hilfe zu holen erfordert für Männer Mut. Wenn jemand die Nummer 142 wählt, hat er schon eine Hürde gemeistert. Vergangenes Jahr hat die Telefonseelsorge Vorarlberg 6.577 Gespräche mit Männern geführt, der Großteil im Alter vor und nach der Lebensmitte, aber auch mit jungen und älteren Männern. 180 Anrufe waren akut krisenhaft. Die Anzahl der Männer hat etwas zugenommen, aber es gibt für sie zu wenig spezifische Hilfsangebote.

Gespräche mit Männern sind meist kürzer als Gespräche mit Frauen. Sie sind es oft nicht gewohnt, ihre Problemlagen zu verbalisieren und unterschätzen die eigene belastende Situation eher. Einsamkeit und eine Suchtproblematik waren die häufigsten Gründe, warum Männer Kontakt zur Telefonseelsorge suchten.

Große Hilflosigkeit ist in Beziehungskonflikten zu spüren. Die Männer wurden von einer Väter- und Müttergeneration erzogen die ein gänzlich anderes Rollenverständnis hatte als die ‚Frau von heute’; Konflikte sind da vorprogrammiert. Gleichzeitig haben viele Männer nicht gelernt, das veränderte Frauenselbstbild ‚zu lesen’, es anzuerkennen oder damit klar zu kommen.

Am anderen Ende der Leitung begegnen wir oft Männern, die gehandicapt sind in ihrem Kommunikationsverhalten. Sie können sich nicht so gut artikulieren, verdrängen häufig die ihre Problematik. Misserfolgserlebnisse nagen am Selbstwert und die Handlungsfähigkeit ist ihnen ein Stück weit abhanden gekommen.

Wenn Männer anrufen brauchen sie keine langen Abhandlungen eines Problems. Sie wollen sich verstanden fühlen, suchen Orientierung, oder erwarten einen kleinen Input. Das Vertrauen der männlichen Anrufer gewinnen wir vor allem übers Zuhören. „Das Ohr ist der Weg zum Herzen“, heißt ein französisches Sprichwort. Offensichtlich ist es für unsere Anrufer erleichternd, jemand zu finden, der sich zurücknimmt, nicht sofort urteilt, und der in der Lage ist Lösungsprozesse anzuregen ohne es ‚besser zu wissen’. Diese Zurückhaltung wird mit Vertrauen belohnt, das den Boden für einen nächsten Schritt bereitet. Das äußert sich darin, dass manche Männer wiederholt anrufen, oder den Mailkontakt suchen.

Oft befinden sie sich in einem Schwebezustand. Altes gilt es zu verlassen, Neues kann aber noch nicht begonnen werden. In diesem ‚Dazwischen’ reift eine Entscheidung, die ihre Zeit braucht, vielleicht noch ein Abwägen oder den einen oder anderen Impuls. In dieser Phase passiert zuerst noch nichts, aber Sicherheit wächst und es macht Mut, lässt Atem schöpfen. Erst wenn der Druck weg ist, fühlen sich frei für eine Entscheidung, kann der entscheidende Impuls gesetzt werden. Dann setzt der eigentlich „aha“-Effekt ein.