Ora et labora, beten und arbeiten, lautete die bekannte Formel des Benedikt von Nursia, dem Patron des Abendlandes. Das labora ist uns noch vertraut, mit dem ora haben wir unsere Mühe. Damals war es gerade umgekehrt.


von Markus Hofer

Bis zu Benedikt galt Arbeiten als etwas unwürdiges und wer etwas war, machte sich keine Finger mehr schmutzig. Dass "Arbeit adelt" musste den Menschen erst eingeredet werden, denn lange überließ man sie den Dienern und Sklaven. Benedikts Pointe lag damals nicht auf dem Beten (ora), sondern auf dem Arbeiten (labora), also: beten UND arbeiten. Als erster sah er in der Arbeit eine Tätigkeit, die den Menschen würdigt, in der sich selbst verwirklichen und einen Dienst an der Gemeinschaft verrichten kann.

Es nicht so, dass sich darauf hin alle in Arbeit gestürzt hätten, wie es heute selbstverständlich ist. Im Mittelalter noch herrschten Zeiten, in denen es neben den Sonntagen an die 100 Feiertage gab. Noch nie hat der Mensch soviel für seinen Lebensunterhalt gearbeitet wie seit der beginnenden Industrialisierung, seit der ‚Fortschritt' kam. Jetzt wendet sich das Blatt und Müßiggang gilt als aller Laster Anfang. Der Müßiggänger kommt nur auf dumme Gedanken und zudem stiehlt er dem Herrgott die Zeit, heißt es nun. Arbeit wird zum Maß aller Dinge.

Vielleicht würde Benedikts Formel heute umgekehrt lauten: labora et ora, arbeiten UND beten. Für alle, die bei ora nur an Frömmigkeitsübungen denken, sei die Formel anders übersetzt: Arbeit und Muße. Muße ist nicht einfach "nur" Nichts-Tun, vielmehr schafft sie einen Raum unverzweckten Daseins, Freiräume, die noch nicht verpfändet sind, die für sich selbst stehen und den Wert aus sich schöpfen. Muße verweigert sich den äußeren Zwängen und lässt uns zu uns selber kommen, und zwar hier und jetzt und nicht erst in der Pension oder wann immer "alles anders werden" soll.

Eine Portion fröhliche Verweigerung am richtigen Ort könnte gerade auch für Männer ein Überlebensmittel sein. Männer brauchen Inseln im Alltag, wo die sozialen und beruflichen Rollen, die alltäglichen Zwänge und der Konkurrenzkampf vor der Tür bleiben. Es gibt im Leben eines Mannes auch noch andere Werte als die Arbeit. Die Wiederentdeckung echter Muße könnte ein Gegengift sein. Sie schafft Abstand und Besinnung, gibt neue Visionen und Kraft zur Veränderung. Der Mann lebt nicht vom Job allein.

Wer nicht genießt, wird bekanntlich selber ungenießbar. Vom Schriftsteller Milan Kundera stammt der schöne Satz: "Wer Gott ins Fenster geschaut hat, langweilt sich nie." Was anderes ist Muße, als Gott ins Fenster zu schauen? Benedikts alte Formel könnte für uns heute also lauten: Arbeite nicht nur, sondern schau zwischendurch auch Gott ins Fenster!

In diesem Sinn wünscht das Männerbüro allen Lesern und Leserinnen einen schönen Sommer mit viel Muße.