Angeblich leben wir in der Zeit der sexuellen Befreiung und den eigenen Körper muss niemand mehr verstecken – im Gegenteil! Die Frage ist viel eher, ob der moderne Körperkult nicht schon in die Kehrseite gekippt ist.

Die täglichen Mails, in denen uns Penisverlängerung und Viagra angepriesen werden, sind eine unüberschaubare Flut. Man könnte fast meinen, in unseren Betten gäbe es nur noch „tote Hose“. Es klingt fast schon nach nationalem Notstand. In letzter Zeit gab es sogar eine eigenen Viagra-Poesie, mit der die blauen Pillen angepriesen werden. Da kann man dann Verse lesen wie: Hast du blaue Pille in der Blutbahn, kannst du bumsen wie ein Truthahn! Oder: Nimm die Pille, sei kein Tor, dann steht er wie ein Ofenrohr!


Irgendwie frage ich mich schon, was da für Bilder dahinter stecken. Ich finde Sex etwas Schönes, aber ein Truthahn mit Ofenrohr möchte ich auf keinen Fall sein und ich möchte auch keine Frau, die mich so sieht! Inzwischen sind es sogar schon junge Männer, die Viagra nehmen, um das Wochenende sexuell zu überstehen. Aus der ehemaligen sexuellen Befreiung scheint schon längst sexueller Stress geworden zu sein. Wenn Männer nur noch als Maschinen oder Gockel gesehen werden, hat das mit Genuss vermutlich nicht mehr viel zu tun. 

Model lässt Vagina pimpen

Bei den Frauen scheint es nicht viel anders. Eine der meistgelesenen Internetmeldungen der letzten Monate lautete: Model lässt Vagina pimpen. Ich musste natürlich auch erst schauen, was „pimpen“ heißt. Das Wort stammt aus der Autobranche, wo man Autos pimpt, also stylt und aufmotzt. Was sich besagte Dame konkret stylen hat lassen, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls ist es in Amerika schon üblich, dass junge Frauen zur Matura gleich einen Gutschein für eine Schönheitsoperation bekommen. Körpermaße und Sexnormen sind zu einem menschenunwürdigen Zwang geworden. Der heutige Zeitgeist ist auf seine Art vermutlich körperfeindlicher als die katholische Kirche, der man das immer wieder vorwirft.