Über 30 Millionen schlucken heute bereits die schrillblauen Pillen namens Viagra. Die Aktien des Konzerns sind ordentlich in die Höhe geschnellt. Gehört die Chemie in Zukunft zum sexuellen Alltag der Männer?

Von Markus Hofer

Zwei Männer mittleren Alters treffen sich im Supermarkt und es entwickelt sich folgender Dialog im männlichen Telegrammstil: „Hallo, schon lange nicht mehr gesehen!“ „Ja, schon lange her. Wie geht’s?“ „Alles im grünen Bereich! Und bei dir?“ „Alles unter Kontrolle! Alles im Griff!“ „Ja, und sonst gibt es ja die kleinen, blauen Bonbons!“


Dieser Dialog ist irgendwie sehr treffend. Wir Männer haben offensichtlich große Angst davor, nicht alles unter Kontrolle, nicht alles in unserem festen Griff zu haben. Ganz existentiell ist die Angst in der Sexualität, da muss immer alles im grünen Bereich sein. Männer glauben immer und überall können zu müssen. Und die Pharmakonzerne machen genau mit diesem Männlichkeitswahn ein riesiges Geschäft.


Keine Frage, Viagra ist ein sinnvolles Medikament bei körperlich bedingten Erektionsstörungen. Ursachen dafür können Diabetes, Bluthochdruck oder überhöhte Cholesterinwerte sein. In solchen Fällen wird die Durchblutung in den Schwellkörpern angeregt. Doch schon bei Lustlosigkeit ist Viagra machtlos, denn der sexuelle Reiz muss unabhängig davon kommen. 


Angesichts der alternden Männer, die sich mit Viagra bedienen, stellt sich noch eine ganz andere Frage. Viagra ist ein Medikament und Medikamente sind gegen Krankheiten gut. Die Frage ist aber: Ist das Älterwerden allein schon eine Krankheit? Oder ist das nicht ein normaler Vorgang? Es ist normal, dass wir Männer unser Geschlechtshormon Testosteron mit dem Alter langsam abbauen, dass wir damit vielleicht nicht mehr so häufige Erektionen haben, ev. nicht mehr so harte oder möglicherweise auch länger brauchen. Können wir damit nicht ganz natürlich leben ohne Pillen? Manche Frauen wären vermutlich sogar froh, dass wir einmal länger brauchen und die Kuschelei ist doch auch herrlich!